Knappe Wasserstoffimporte Acht Tipps für die sichere Wasserstoffversorgung trotz Ukrainekrieg
Wasserstoff als Energieträger soll die Zukunft sichern. Doch der Ukrainekrieg und andere Entwicklungen gefährden die Versorgung in der EU. ISI-Forscher empfehlen, folgendes zu beachten.
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Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat im Rahmen des Projekts „HyPat“ nebst Partnern ein brandneues Impulspapier veröffentlicht, das sich etwa mit der Bewertung von Partnerländern beim Wasserstoffimport, der Entwicklung von Importkosten und mit den Potenzialen für eine Wasserstoffherstellung in der EU befasst. Das Papier informiert auch über die künftige wirtschaftliche Entwicklung in der Ukraine, mit Blick auf die dortige Erzeugung und den Transport von Wasserstoff.
Der Grund für die Arbeit ist, dass der Import von Wasserstoff und anderer Medien wie Methanol oder Ammoniak für die europäische Wasserstoffstrategie entscheidend ist, wie es heißt. Diese Produkte sollen dabei aus Marokko und Saudi-Arabien, aber auch aus Kasachstan, Russland und der Ukraine importiert werden. Letztere Importsäulen drohen aber nun, wackelig zu werden. Deshalb geben die Forscher hier acht Empfehlungen ab, um die Wasserstoffstrategie in der EU und Deutschland wie geplant ausführen zu können:
1. Systemische und politische Resilienz der Lieferländer beachten
Das heißt, außer der technischen Verfügbarkeit des Wasserstoffs und seinem Preis sollte auch die Versorgungssouveränität analysiert und potenzielle Partnerländer stärker auf ihre systemische und politische Resilienz und Zuverlässigkeit hin bewertet werden. Auch geopolitische Überlegungen und auf Werte orientierte Handelsbeziehungen sollten die Wasserstoffstrategie begleiten.
2. Noch weitere Wasserstofflieferanten ausfindig machen!
Zu einer diversifizierten und damit sichereren Wasserstoffversorgung könnte ein enger geknüpftes Netzwerk an Partnerländern in unterschiedlichen Weltregionen beitragen. Nach Ansicht der ISI-Experten kämen dafür die USA und Kanada infrage, sowie Chile, Brasilien, Argentinien oder Südafrika, Ägypten und Namibia. Offen bleibe aber, wie große Mengen Wasserstoff in Zukunft über die dann größeren Distanzen transportiert werden und bezahlbar nach Europa gelangen können.
3. Marktdominanz weniger Wasserstofflieferanten vermeiden
Das ist ein Punkt, der sich aus der Diversifizierung ergibt. Es sei zwar negativ, dass höhere Importkosten auf uns zu kämen und mehr Zeit vergehe, bis der Wasserstoff von weiter her bei uns ist, aber das Ganze schütze vor Abhängigkeiten und begrenzt die Macht einzelner Staaten in Bezug auf Wasserstoffversorgung. Das heißt, dass die Verflüssigung des Gases und sein Schiffstransport zwar rund 25 Prozent mehr kosten als Wasserstoff über Pipelines zu beziehen, man am Ende jedoch Vorteile hat.
4. Die Nachkriegs-Ukraine zum Wasserstoffhersteller aufbauen
Eine freie Ukraine hätte nach dem Krieg viel Potenzial zur Erzeugung und für den Transport von grünem Wasserstoff. Die Forscher schätzen die Dimension auf 1.400 Terawattstunden bis zum Jahre 2050 – die Ukraine könne also zu einem verlässlichen Partner in der Wasserstoffversorgung werden. Aber nur, wenn das Land dann auch wirklich souverän und unbesetzt sei.
5. Die EU könnte ihren Wasserstoffbedarf selbst decken
Die Nutzung eigener Potenziale zur Wasserstoffherstellung innerhalb der EU besteht. Und für 2030 rechnet die EU mit einer Gesamtwasserstoff-Nachfrage in Höhe von 670 Terawattstunden respektive 2.250 Terawattstunden für 2050. Es stehe außerdem ein erschließbares Potenzial zur Wasserstofferzeugung von 5.000 bis 6.000 Terawattstunden bereit, das insbesondere durch Photovoltaik und solarthermische Anlagen im Süden und Windkraftanlagen im Norden ausgeschöpft werden könnte. Damit könnte die EU ihren Wasserstoffbedarf weitgehend selbst decken, meinen die Experten. Auch sei die Versorgungssicherheit trotz geringerer Importkosten vorzuziehen.
6. Syntheseprodukte könnten die Lage entspannen
Syntheseprodukte wie Ammoniak und Methanol könnten aus wirtschaftlichen Gründen sowie unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit kurz- und mittelfristig attraktiver werden. Denn die Transportkosten dieser Substanzen fallen wegen ihrer hohen Transportdichte und dem geringeren Energieaufwand beim Transport niedriger aus als bei Wasserstoff. Syntheseprodukte können also tendenziell schneller in die EU und nach Deutschland transportiert werden, um dort zur Versorgungssicherheit beizutragen.
7. Abschied vom Erdgas und grauem Wasserstoff
Hohe Erdgaspreise und die ungewisse Versorgungslage damit erhöhen die Unsicherheiten für den Aufbau eines großen Wasserstoffsystems in Deutschland und der EU. Im Umbauprozess des Energiesystems kommt Erdgas und grauem Wasserstoff (aus Erdgas erzeugtem Wasserstoff) aber noch eine wichtige Rolle zu. Angesichts der ungewissen Preisentwicklung und Versorgungssicherheit kann dies auch den geplanten Ausbau des Wasserstoffsystems erschweren.
8. Die EU braucht belastbare Transport- und Speicherstrategien
Die ISI-Forscher plädieren für ein harmonisiertes Vorgehen innerhalb der EU, damit auch beim Wasserstoff eine ähnlich starke Vernetzung wie bei Strom oder Erdgas entsteht. Es sei eine gemeinsame europäische Transport- und Speicherinfrastruktur-Strategie erforderlich, die eine resiliente Wasserstoffversorgung in ganz Europa gewährleiste. Die geopolitischen Herausforderungen, die nun aus der Krise in der Ukraine resultierten, sollten dabei den Impuls für die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Energie- und Wasserstoffaußenpolitik geben.
Wer sich noch tiefer in das Thesenpapier einlesen möchte, kann dieses hier aufrufen.
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