Advanced Planning and Scheduling APS-Systeme schließen Planungslücke in der flexiblen Fertigung

Autor / Redakteur: Oliver Kayser / Claudia Otto

Eine optimale Planung und Steuerung ist in der Kleinserien- und Einzelfertigung Gold wert. Ein Advanced-Planing-and-Scheduling-System (APS) sorgt für diese Sicherheit. Doch um aus der Vielzahl an Systemen das richtige auszuwählen, ist es wichtig, die Evaluationskriterien zu kennen.

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Der Kunststoffmaschinenhersteller Krauss-Maffei konnte mit dem Einsatz eines APS-Systems seinen Umlaufbestand im abgelaufenen Geschäftsjahr um 15% reduzieren. (Bild: Krauss-Maffei)
Der Kunststoffmaschinenhersteller Krauss-Maffei konnte mit dem Einsatz eines APS-Systems seinen Umlaufbestand im abgelaufenen Geschäftsjahr um 15% reduzieren. (Bild: Krauss-Maffei)

Der mittelständische (Spezial-)Maschinenbau stellt seine weltweit erfolgreichen Produkte zum großen Teil in der Einzel- und Kleinserienfertigung her. Die Herausforderung bei dieser Art der Produktion: Die Realisierung eines individuellen Kundensystems erfordert die Fertigung und Beschaffung unzähliger Einzelteile und Komponenten. Ein ganzes und immer wieder anderes Auftragsnetz ist so zu planen und zu steuern, dass der Kunde sein System pünktlich erhält. Dabei müssen die Planer mit unsicherem Wissen und schlechter Datenqualität umgehen.

Abarbeitung des Auftragsnetzes erfordert die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit

Die Abarbeitung des Auftragsnetzes erfordert die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit vieler Personen: Der Vertrieb definiert mit dem Kunden das gewünschte System, die Fertigungsplanung steuert die Abarbeitung der Auftragsnetze, der Einkauf sorgt für Werkstoffe, Vorprodukte und Material. Und der Kunde sollte bei der Auftragsvergabe zuverlässig wissen, wann er seine Maschine oder sein System bekommt.

Traditionelle Produktionsplanungssysteme (PPS) sind mit dieser Aufgabe überfordert: Sie planen gegen unbegrenzte Kapazitäten. Das heißt, sie errechnen die Produktions- und Lieferzeiten, als ob es keinerlei Restriktionen bei den personellen und maschinellen Kapazitäten oder den zu beschaffenden Materialien gäbe.

Da dies aber nicht der Fall ist, kommt es zu Rückständen, denen die Produktion ständig hinterherfertigt. Um diese Planungslücke zu schließen, begann man vor rund 20 Jahren, intelligente Verfahren für „Advanced Planning and Scheduling“ zu entwickeln. Inzwischen gibt eine Reihe von Produktionsteuerungssystemen, die auf APS basieren. Allerdings sind die genutzten Verfahren von unterschiedlicher Qualität. Im Folgenden werden Kriterien für die Auswahl von APS-Systemen dargestellt.

Marktsynchrone Produktion durch Einsatz eines APS-Systems

Ein APS-System sollte vom Kundenauftrag ausgehen und die Fertigung mit Markt- beziehungsweise Kundenanforderungen synchronisieren. Ist das Kundensystem definiert und bestellt, ist es die Aufgabe des APS-Systems, ein optimales Auftragsnetz zu erstellen, mit dem der Kundenauftrag in möglichst kurzer Zeit realisiert werden kann – allerdings unter Berücksichtigung der aktuellen Kapazitätenauslastung und der Beschaffungszeiten für Materialien und Komponenten. Damit wird der Vertrieb in die Lage versetzt, dem Kunden bereits bei der Auftragsvergabe eine realistische Lieferzeit anzugeben.

APS-System verteilt Kapazitäten automatisch in optimaler Weise

Dem Fertigungsplaner sollte ein APS-System ganz konkret sagen, welche Arbeiten wann an welcher Maschine mit welchen Personalressourcen ausgeführt werden müssen. Dazu muss es täglich errechnen, welche Kapazitätenverteilung mit Blick auf das Gesamtsystem Fertigung und seine konkurrierenden Auftragsnetze die jeweils optimale ist.

Für den einzelnen Mitarbeiter an der Maschine sollte das Ergebnis dieser Berechnung ein automatisch erstellter Tagesplan mit einer realistisch abzuarbeitenden Aufgabenliste sein. Falls der Mitarbeiter den Tagesplan nicht erfüllt, muss das APS-System mindestens so schnell arbeiten, dass am nächsten Tag unter Berücksichtigung der Verzögerung neue Tagespläne zur Verfügung stehen und die Auswirkungen auf das gesamte Auftragsnetz exakt absehbar sind. Damit werden Rückstände in der Fertigung sofort planerisch aufgelöst und die „rückstandsfreie Produktion“ wird Realität.

Schlägt eine „kleine“ Verzögerung auf „Maschinenebene“ auf die pünktliche (beziehungsweise dann nicht mehr pünktliche) Ausführung des Kundenauftrags durch, müssen die relevanten Mitarbeiter eine entsprechende Warnmeldung erhalten, damit etwa der Fertigungsplaner Gegenmaßnahmen einleiten kann.

Kapitalbindende Bestandspuffer lassen sich vermeiden

Ein APS-System entfaltet sein volles Potenzial erst, wenn es abteilungsübergreifend arbeitet. Der Einkauf sollte deshalb aus einem APS-System genaue Informationen erhalten, wann welche Materialien, Komponenten oder Vorprodukte benötigt werden. Dann muss er keine kapitalbindenden Bestandspuffer aufbauen, sondern kann die Beschaffung ganz am aktuellen Bedarf ausrichten (und dabei zum Beispiel auch günstige Lieferkonditionen ausnutzen).

Ein APS-System muss eine so hohe Planungssicherheit bieten, dass in allen Bereichen tatsächlich ohne Puffer gearbeitet werden kann. Dann können nicht nur Bestände, sondern auch Sicherheitszeiten reduziert werden. Damit wird es dann möglich, mit der Fertigung beziehungsweise mit Fertigungsschritten erst wesentlich später zu beginnen. Das ist gerade im Spezialmaschinenbau zentral.

Prozessorientierte Simulationen sind ein Muss

Kaum eine Maschine oder ein System entsteht dort letztendlich so wie anfänglich definiert. Denn der Kunde formuliert bei der Bestellung die Spezifikationen meist selbst auf der Basis von unsicherem Wissen. Deshalb ergeben sich nachträglich immer wieder Änderungen. Durch ein durch APS mögliches Hinauszögern des Fertigungsbeginns können diese bis zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt berücksichtigt werden.

Ein APS-System arbeitet immer mit der aktuellen Situation und holt „das Beste“ aus ihr heraus. Soll diese Situation grundsätzlich verändert werden – etwa durch die Ausweitung von Kapazitäten –, müssen Managemententscheidungen getroffen werden.

Um diese fundiert machen zu können, sollte ein APS-System prozessorientierte Simulationen ermöglichen, mit denen die Konsequenzen einer Entscheidung durchgespielt werden können: Was passiert, wenn wir eine Zusatzschicht fahren? Was bewirkt eine neue Maschine? Können wir es vertreten, einen Auftrag vorrangig zu bearbeiten, ohne dass die Auswirkungen auf die anderen Aufträge zu gravierend sind?

Diese Art von Entscheidungsfragen sollte die Simulation beantworten. Es reicht nicht, dass eine Simulation lediglich die zeitlichen Auswirkungen durch das Hin- und Herschieben von Aufträgen errechnet.

Drei Faktoren bestimmen die Qualität des APS-Systems

Berücksichtigt man dieses Leistungsprofil, basiert die Qualität eines APS-Systems auf drei wesentlichen Faktoren, die nicht auf den ersten Blick sichtbar werden und deshalb genauer hinterfragt werden müssen:

Der erste Faktor ist die Genauigkeit, mit der im APS-System die Realität einer Fertigung mit den interagierenden Kapazitäten von Personal- und Maschinenressourcen abgebildet werden kann. Der zweite Faktor betrifft die intelligenten Verfahren, mit denen die Abarbeitung des Auftragsnetzes gesteuert und optimiert wird.

Die Genauigkeit der Abbildungen der Fertigungsrealitäten im APS ist abhängig von den feingranularen Einstellungsmöglichkeiten, mit denen die Eigenschaften, Kapazitäten und Parameter von Maschinen und Fertigungsprozessen in das System eingegeben werden können.

Der zweite Faktor hängt von der Qualität der Verfahren ab. Sie sollten gleichzeitig wissenschaftlich fundiert und in jahrelanger Praxisarbeit an den Bedürfnissen der Fertigung durch den Hersteller weiterentwickelt worden sein.

Nadelöhr: Datenqualität und -verfügbarkeit

Sie müssen mit vertretbarem Rechenaufwand die Kapazitäten in der Fertigung immer wieder neu optimal – und in Echtzeit – verplanen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Datenqualität und -verfügbarkeit bei Einzel- und Kleinserienfertigern in der Regel eher niedrig ist.

Der dritte Faktor betrifft das Zusammenspiel von Software und Anwendern.

Die APS-Software sollte den Anwender von händischer Arbeit entlasten, ihm aber immer die letzte Entscheidungsmöglichkeit lassen. Letztendlich geht es dabei um die Symbiose von automatischer Algorithmus- und erfahrungsbasierender Expertenoptimierung durch den Planer.

* Oliver Kayser ist Senior Consultant bei der Inform GmbH in 52076 Aachen, Tel. (0 24 08 ) 94 56-40 00

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