Automatisierung Auf der Lauer – Logistiker wagen sich an Industrie 4.0

Redakteur: Robert Weber

Die großen Branchenverbände haben die vierte industrielle Revolution, Industrie 4.0, ausgerufen. In den Lagern und Logistikzentren sind die Verantwortlichen weniger aufgeregt. Viele Entwicklungen sind in der Intralogistik schon länger bekannt. Ein Mittelständler macht mit der Intelligenz in den Prozessen Ernst.

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Installationstopologie des Energie- und Datenbusses im Maschinenumfeld.
Installationstopologie des Energie- und Datenbusses im Maschinenumfeld.
(Bild: MSF Vathauer)

Ostwestfalen ist eine Tüftler- und Maschinenbauregion – das Baden-Württemberg des Nordens, scherzt so mancher Branchenvertreter. Gildemeister, Beckhoff und Co. gehören zur Weltspitze des Anlagenbaus. Doch es sind vor allem die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die der Region niedrige Arbeitslosenzahlen bescheren und für die Innovationskraft rund um Bielefeld sorgen. Ein Unternehmen aus diese Riege ist MSF Vathauer. Die Antriebstechnikspezialisten gehören zu den wenigen Unternehmen im Bereich der Intralogistik, die sich dem Thema Industrie 4.0 nähern und ein erstes, intelligentes Produkt entwickelt haben. Die Idee der Entwickler: ein intelligentes Motormanagementsystem für die Logistik. „Wir haben das System andersherum betrachtet. Nicht das Transportsystem bringt das Produkt A an einen definierten Ort, sondern das Produkt selber bestimmt, wo es hin möchte“, erklärte Geschäftsführer Karl-Ernst Vathauer dieser Redaktion auf der Hannover-Messe 2013. Das „denkende“ Motormanagement wird dezentral über eine Energiebusleitung im Maschinenfeld verteilt, wobei alle Motormanagementkomponenten untereinander kommunizieren. „Wir haben eine dezentralen Energie- und Informationsverteilung ohne übergeordneten Industriebus“, ergänzt Vathauer. Bei dem Motormanagementsystemen vertraut der Systempartner auf Field-Power von Weidmüller. Field-Power ist ein modulares Energiebussystem für die dezentrale Automatisierung. Die Antriebskomponenten werden auf die im Feld montierten Field-Power-Boxen aufgesteckt, mit einer verkürzten Installations- und Inbetriebnahmezeiten, sowie modularem Aufbau von Produktionsstrukturen. Auch die Anlagenplanung kann mit dieser Antriebslösung schneller erfolgen.

Das Produkt gibt der Fördertechnik den Weg vor

Für Logistiksysteme bietet MSF Vathauer den Mono-Switch Field-Power Even Thinking. Das dezentrale Antriebssystem kommt mit seiner internen Steuerungslogik (Even Thinking) ohne eine übergeordnete Anlagensteuerung aus. Sobald ein Werkstück sich meldet, wird es von einem direkt am Motorstarter angeschlossenen Sensor identifiziert. Anschließend wird das Signal an entsprechende Antriebe weitergegeben. Diese sorgen dann für einen dem Prozess zugeordneten Ablauf – dargestellt an einer staudrucklosen Förderanlage. Explizit wird, sobald das Fördergut an seinem Bestimmungsort ankommt, eine Empfangsbestätigung gemeldet, sodass das vorherige Förderelement „weiß“: „Fördergut ist angekommen“; im Bedarfsfall kann neues Fördergut geschickt werden. Sollte sich der Produktions- oder Logistikfluss ändern, kann man das Motormanagement schnell dem neuen Produktions- und Förderprozess anpassen, einfach durch Hinzufügen oder Herausnehmen von Antriebseinheiten im Energie- und Kommunikationsstrang. Somit werden die Fördereinheiten wie auch die Kommunikation zwischen den Förderelementen flexibel an neue Produktionsbedürfnisse angepasst. Einfach: plug and play. Die direkt in den Förderanlagen integrierten Motorstarter übernehmen die komplette Automatisierung, lediglich für die Einspeisung und Absicherung der Netzspannung ist ein Minischaltschrank notwendig.

Der Anwender kann über das Internet in den Prozess eingreifen

Die verwendeten Standardsensoren werden ebenfalls mit Standardleitungen direkt am Motorstarter angeschlossen. Durch die einfache Montage der Energieverteilung sowie die effiziente Installation aller Motoranschaltungen und Sensoren lassen sich Installationszeiten um bis zu 50 % reduzieren.

„Der Sensor kann direkt im Produkt oder im Transportsystem installiert sein“, berichtet der Ostwestfale und verweist dann wieder auf die Intelligenz der Lösung, die ohne übergeordnetes System auskomme. Eine Gefahr für die Anwender? „Der Mensch kann eingreifen, wir können eine Schnittstelle erstellen und einen Knoten bilden, über den ich die Möglichkeit habe, über das Internet einzugreifen, zu steuern oder zu prüfen", erklärt der Entwickler. Industrie 4.0 ist in der Logistik- und Lagerwelt noch eine Unbekannte. Nur wenige Unternehmen vertrauen selbststeuernden Prozessen und der Intelligenz der Maschine. Doch Vathauer ist sich sicher: „Die Lagermitarbeiter können mit der Technik umgehen. Wir haben ja heute schon Gateways, wo man über Industriebusse ans Internet oder Ethernet geht, das ist kein Problem. In diesem Fall hat man in der Regel noch einen Industriebus.“ Das fällt bei der Vathauer-Lösung weg. Sprich: Der Anwender kann das System auseinanderziehen, beliebig erweitern und muss dadurch keine Adresse oder IP vergeben.

Vathauer und seine Mannschaft sind überzeugt, dass ihr Produkt eine Antwort auf die vierte industrielle Revolution, Industrie 4.0, aus Sicht der Intralogistik sein kann. Das sehen auch die Kunden von Vathauer wohl so. Der Fördertechnikbauer Blume Rollen setzt die Lösung aus Ostwestfalen ein und der Schlüssel- und Sicherheitstechnikanbieter Abus vertraut der Fördertechnik und dem intelligenten Motorenmanagement bereits in seinem Logistikzentrum. Die Ostwestfalen halten Wort. Die Region ist eine Innovationsschmiede und Vathauer zeigt als eines der ersten Unternehmen Intelligenz in der Fördertechnik. Noch prägt die Produktion den Begriff Industrie 4.0. An den Logistikern wird es liegen, die Prozesse mit Intelligenz anzureichern und Industrie 4.0 zum Leben zu erwecken, denn viele Ansätze, die aktuell in der verarbeitenden Industrie heiß diskutiert werden, sind in manchen Logistik- und Distributionszentren schon länger Standard. MM

* Weitere Informationen rund um die Fördertechnik und die technischen Details sowie ein Interview mit dem Erfinder finden Sie in einem Video unter www.youtube.de/maschinenmarkt

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