Smart Factory Blech meets Logistik
Auf Augenhöhe begegnen sich die Maschinenbauer Jungheinrich und Trumpf – in unterschiedlicher Ausprägung zwar, aber mit großer Nähe bei Umsatz, Mitarbeiterzahl und Mindset. Wir sprachen mit Dr. Markus Heinecker (Jungheinrich) und Dr. Thomas Schneider (Trumpf) über die „Smart Factory“ und ihre „One-Face-to-the-Customer“-Strategie.
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Eine kürzlich bekannt gewordene Partnerschaft zwischen Jungheinrich und Trumpf und die Zusammenführung des Know-hows beider Unternehmen hat den effizienteren Materialfluss in der vernetzten Blechbearbeitung zum Ziel. Trumpf bindet zu diesem Zweck fahrerlose Transportsysteme von Jungheinrich in die Blechbearbeitung seiner Kunden ein. Jungheinrich liefert dazu autonom agierende Fahrzeuge, die selbstständig Blechteile zwischen den verschiedenen Stanz-, Laserschneid-, Biege- und Laserschweißmaschinen sowie den Lagerpositionen dieser Bleche transportieren. Wie das genau geht, darüber habe ich mit Dr. Markus Heinecker und Dr. Thomas Schneider gesprochen.
Herr Dr. Heinecker, Herr Dr. Schneider, arbeitet Jungheinrich eigentlich mit Trumpf-Laserschneidanlagen und fahren bei Trumpf denn „gelbe Stapler“ umher?
Dr. Thomas Schneider: Das sehen Sie völlig richtig. Wir haben in den großen Fabrikhallen der Business Unit Blech hier am Standort Ditzingen, wo wir für unsere eigene Produktion Teile fertigen, AGV von Jungheinrich im Einsatz. Sie finden sie aber auch in unserer Smart Factory in Chicago. Und wir sind auch stolz darauf, dass wir die ein oder andere unserer Trumpf-Maschinen bei Jungheinrich betreiben dürfen.
Dr. Markus Heinecker: Wir legen in unseren Werken Wert auf Performance, Robustheit und Verfügbarkeit. Da haben wir natürlich Produkte von Trumpf im Einsatz – gerade Laserschneidmaschinen für die Blechbearbeitung. In Degernpoint haben wir jüngst eine komplett neue Produktion für Schmalgangfahrzeuge eröffnet, selbstverständlich sind Trumpf-Maschinen dort ein wesentlicher Bestandteil der Fertigung.
Herr Dr. Schneider, warum ist die Wahl ausgerechnet auf Jungheinrich gefallen? Andere Mütter haben doch auch schöne Töchter ...
Schneider: Am besten heiratet man ja den, der am besten zu einem passt. Das ist bei Unternehmen ganz ähnlich. Dort gehört beispielsweise dazu, dass sich die Geschäftsführungen verstehen. Es geht uns in einem ersten Schritt um die Hauptwachstumsmärkte Europa und USA und in einem zweiten Schritt dann um China. Hier mit Jungheinrich zusammenzukommen, war aus meiner Perspektive der perfekte Match. Außerdem haben die Firmen eine langjährige Beziehung miteinander. Das Grundvertrauen, auch auf der obersten Ebene, war gegeben, um dieses Gemeinschaftsprojekt erfolgreich angehen zu können. Es ist dieses Gesamtpaket aus Servicenetz, einer betrieblich starken Position und der strategisch zusammenpassenden Zielrichtung beider Unternehmen.
Heinecker: Jungheinrich und Trumpf passen einfach hervorragend zusammen. Zwei international agierende Familienunternehmen, die in ihren Branchen jeweils technologisch an der Spitze stehen und bei ihrer Ausrichtung auf die Kunden das gleiche Ziel verfolgen: Wir möchten nicht mehr nur Lieferant einzelner Produkte, sondern ganzer Lösungen sein. Lösungen, die unseren Kunden weiterhelfen. Und das nicht nur isoliert auf einem Markt, wie Deutschland, sondern weltweit. Dazu gilt es, sich stetig weiterzuentwickeln – auch gemeinsam. Wir haben jetzt mit der Maschinenverkettung per AGV angefangen, aber es gibt ja noch viele andere Bereiche, in die wir die Kompetenz aus beiden Häusern einbringen können – das ist eine dynamische Diskussion.
Herr Dr. Schneider, gehen Ihren Kunden jetzt die Gabelstaplerfahrer aus? Oder anders gefragt: Was versprechen sich Ihre Kunden von dieser bedingungslosen Automatisierung?
Schneider: Wir stellen fest, dass Blech überall auf der Welt zu finden ist, aber immer weniger Menschen in der Blechfertigung arbeiten wollen. Blech ist ein unglaublich spannender Werkstoff, auch im Zuge der ressourcenschonenden Verarbeitung. Wir haben viele Familienunternehmen als Kunden, die klassischerweise nie an AGVs gedacht haben. In der Kooperation ist es uns wichtig, aufzuzeigen, dass es mit dieser Technologie aus dem Hause Jungheinrich und mit unseren Schnittstellen möglich ist, im Bestand zu transformieren. Die Digitalisierung bringt einfach eine höhere Transparenz. In der Blechverarbeitung haben Sie lange Liegezeiten und Sie stoßen immer wieder auf Engpässe bei der Bereitstellung von Material für die einzelnen Prozessschritte. Was sich bei den ersten Testkundeninstallationen gezeigt hat: Sie verbessern die Durchlaufzeiten der Gesamtfabrik enorm, wenn Sie am Ende nur mit einem automatisierten, palettengeführten Materialfluss arbeiten. In der Realität ist die Blechfertigung AGV-tauglich!
Heinecker: Wir haben zum Beispiel in Österreich einen gemeinsamen Kunden. Der hat dadurch eine erhebliche Produktivitäts- und Effizienzsteigerung erzielen können, dass sich seine Mitarbeiter dank der AGV auf die Blechbearbeitung konzentrieren können und von den nicht wertschöpfenden Tätigkeiten wie dem Transport entlastet sind. Das ist ein Vorteil, der durch den Fachkräftemangel immer mehr an Relevanz gewinnt. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit fehlen qualifizierte Mitarbeiter. Wir sagen unseren Kunden: Lasst eure Fachkräfte die wertschöpfende Tätigkeit erledigen – alles andere übernehmen die AGV.
Zu Ihrer Kooperation, die Sie ja Partnerschaft nennen: Wie funktioniert das genau? Etwa so: Trumpf bietet an und verkauft und Jungheinrich fährt, flapsig gesagt, huckepack mit?
Schneider: Für mich ist das eine Partnerschaft, ohne dass es gleich eine Ehe ist. Wir fahren auch nicht gegenseitig trittbrett, sondern wir sehen zu, dass wir von beiden Seiten den Markt erschließen und durch unser Angebot überzeugen. Es hat sich einfach gezeigt, dass sich das zuvor Gesagte im Projektalltag bestätigt und dass die Marktresonanz positiv ist: Jungheinrich-Kunden entdecken Blechfertigung von Trumpf und Trumpf-Kunden entdecken Jungheinrich. Genau so stellen wir uns die Zukunft vor: Dass wir gemeinsam agieren, aber dennoch mit einer klaren Aufgabenteilung – Materialfluss machen die Kollegen von Jungheinrich, die Blechfertigung stammt von Trumpf. Wir sind zwei Marktführer, die von ihren Kunden in ihrem Geschäft so wahrgenommen werden. Aber wir schätzen es auch, dass wir jeweils einen Partner an der Seite haben, der an der Stelle Unterstützung bietet, wo der Kunde in der Vergangenheit selbst aktiv werden musste.
Konzentrieren Sie sich bei den innerbetrieblichen Transportaufträgen für Ihre AGV auf die Europalette?
Heinecker: Wenn man den innerbetrieblichen Materialfluss klassifiziert, passiert dabei sehr viel auf der Europalette, neben Gitterboxen oder auch einmal Industriepaletten oder der Chep-Palette, wenn wir ins Ausland blicken. Natürlich schauen wir gemeinsam, was die Bedarfe unserer Kunden sind, aber wir starten jetzt mit der Europalette. Wir besitzen jetzt schon eine gewisse Flexibilität, indem wir nicht starr fokussiert sind auf einzelne Palettentypen. Natürlich schauen wir auch, ob wir das Portfolio nicht nach oben hin vergrößern können, beziehungsweise auch in die andere Richtung, in die von Kleinteile- AGV.
Schneider: Ein Schlüssel dabei ist, die Blechfertigung neu zu denken, da haben wir von den Jungheinrich-Kollegen noch manches lernen können. In den letzten zehn Jahren haben wir rein von der Maschine her gedacht, jetzt denken wir auch vom Materialfluss her. Wenn Sie die großen Volumenströme anschauen, dann passiert ziemlich viel auf der Europalette. Das mag zwar manchmal ziemlich putzig aussehen, wenn Sie so ein kleines Blechteil auf einer Europalette liegen haben. Wenn Sie damit aber keinen Engpass hervorrufen, Ihren Liefertermin halten können und alles in Qualität im Versand ankommt, dann ist die Investition in Europaletten die beste, die Sie tätigen können.
Und was passiert, wenn so ein AGV – sagen wir es einmal auf Deutsch, ein fahrerloses Transportfahrzeug – einfach nicht mehr will?
Heinecker: Rund 80 % aller auftretenden Störungen kann man remote lösen. Wenn ein Fahrzeug also stehen bleibt, aus welchen Gründen auch immer, dann wird der Kunde erst einmal schauen, was der Grund sein kann. Dafür hat er eine entsprechende Checkliste. Vieles kann er so selbst klären. In jedem Fall gilt: Wenn der Kunde nicht weiterkommt, hilft ihm unser Service jederzeit weiter. Hier zeigt sich wieder der Vorteil der Partnerschaft: Die Partner analysieren den Fehler miteinander. Wenn das Problem nicht remote zu lösen sein sollte, kommt der zweite Benefit von Jungheinrich zum Tragen: Das ist unser großes Servicenetzwerk. Wir sind weltweit vertreten. Das heißt, innerhalb kürzester Zeit ist dann unser Techniker vor Ort und sieht zu, dass die Anlage wieder läuft. Unsere AGV sind in denselben Ersatzteilprozess eingebunden wie unsere normalen manuellen Stapler. Dann sieht der Kunde: Wir schaffen eine hohe Verfügbarkeit. Und er hat Sicherheit und am Ende Vertrauen in uns.
Meine Herren, ich danke Ihnen für die interessanten Einblicke in die Welt der vernetzten Blechfertigung!
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