Blockchain Blockchain – Zeitenwende für Wertschöpfungsketten?
In die „Blockchain“-Diskussion mischt sich nach wie vor Skepsis. Denn es zeichnet sich ein Wandel mit weitreichenden Folgen für das Gefüge klassischer Supply Chains ab. In Anbetracht dessen lohnt ein Blick auf mögliche Anwendungsfälle, denn er macht deutlich, dass selbst erste kleinere Schritte von Erfolg gekrönt sein können.
Anbieter zum Thema

Gleich einem Mantra wird derzeit das Potenzial dieser Technologie beschworen, (auch) die Logistik zu revolutionieren. Es lockt die Vorstellung von einem manipulationsgeschützten Daten- und Informationsaustausch sowie von rundum sicheren Transaktionen ohne zwischengeschaltete Mittler, sogenannte Intermediäre. Die Erwartungen sind also hoch. Auch wurden bereits Pilotprojekte initiiert, doch noch mangelt es an konkreten Ergebnissen. Gleichwohl ist im 9. Hermes-Barometer zum Thema „Kollaboration in der Supply Chain“ festgehalten, dass mehr als ein Drittel der 200 befragten Logistikentscheider die Ansicht vertritt, dass die Blockchain enorme Veränderungen in der Logistik nach sich ziehen könnte, die weit über den regulären Digitalisierungsprozess hinausgehen. In Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern soll sogar jeder Zweite dem zustimmen.
Nachholbedarf beim Wissenstransfer
Dr. Axel T. Schulte, Abteilungsleiter Einkauf und Finanzen im Supply Chain Management am Dortmunder Fraunhofer-IML, weiß um die Gründe, weshalb es dennoch an der Umsetzung hapert: „Das Problem liegt weniger in der Bereitschaft, bislang gut gehütete Interna preiszugeben und diese im Netzwerk zu teilen. Unternehmen setzen sich zum Teil noch zu wenig damit auseinander, ob und wo diese Technologie ihnen zukünftig helfen kann. Das Wissensdefizit ist nach wie vor beträchtlich.“ Auch fördere der aktuelle Hype um das Thema eher die Vorbehalte. Gefragt sei ein Wissenstransfer auf breiter Basis.
Dieser Einschätzung folgt Prof. Dr. Franz Vallée, Gründer von Vallée und Partner, einer Logistik- und IT-Beratung aus Münster, und Experte für Future Logistics: „Die wenigsten Menschen wissen, was Blockchain überhaupt bedeutet. Noch viel weniger können erklären, was genau eine Blockchain ist und wie diese genau funktioniert. Auch IT-Experten tun sich noch schwer, das Thema technisch und einfach nachvollziehbar zu erklären.“ Er rät, mit professioneller Unterstützung zunächst einen möglichen Anwendungsfall als Business Case durchzuspielen. Auch sollten Unternehmen den Mut aufbringen, in einem kleinen Kreis von involvierten Akteuren eine geschlossene Blockchain zu entwickeln und zu testen. Mögliche Use Cases seien zum Beispiel die Rückverfolgbarkeit von Waren, die Dokumentation von Kühlketten sowie „Smart Contracts“, zum Beispiel in Form digitaler Frachtbriefe.
Automatisierung Schritt für Schritt
Einfach anfangen! Diese Devise vertritt auch Andreas Gmür, Partner und Global Head of Logistics bei Camelot Management Consultants, Mannheim: „Unternehmen, die sich für den Einsatz von Blockchain interessieren, sollten sich der inhärenten Vorteile der Technologie bewusst werden und in einem zweiten Schritt konkrete Use Cases identifizieren.“ Vorteile sieht er ebenfalls in den Bereichen Dokumentenaustausch und Traceability sowie bei einer dezentralen Vergabe von Aufträgen an Logistikdienstleister. Über die Blockchain ließen sich die für einen Transport benötigten verifizierten Begleitpapiere schneller austauschen, sodass Logistikprozesse vereinfacht würden. Beim sensorgesteuerten Track-and-trace sei es zudem möglich, fälschungssicher nachzuweisen, dass die Vorgaben für den Transport durchgehend eingehalten wurden, etwa für temperatursensitive Produkte wie Medikamente oder Lebensmittel. Bei der Vergabe von Transportaufträgen könne ein Blockchain-Netzwerk darüber hinaus als eine Art Börse dienen, die flexible und sichere Ad-hoc-Geschäftsbeziehungen zwischen bisher unbekannten Geschäftspartnern ermögliche. Sämtliche Teilnehmer ließen sich durch ihr Blockchain-Konto eindeutig verifizieren und Preisverhandlungen verliefen auf Basis entsprechender Smart Contracts vollautomatisiert, sodass aufwendige Ausschreibungen entfielen.
Systemisch verordnete Intelligenz
„Die Blockchain ermöglicht eine beispiellose Transparenz von Informationen durch sichere, nachvollziehbare und unveränderliche Aufzeichnungen nicht nur von Transaktionen, sondern auch von der digitalen Darstellung physischer Assets (digital twins)“, merkt Dr. Ulrich Franke, Gründer und Leiter des Institute for Supply Chain Security (ISCS) in Bochum an. Für den Blockchain-Experten stehen insbesondere drei Möglichkeiten im Fokus: die zuvor benannte Speicherung digitaler Aufzeichnungen, der Austausch digitaler Assets und Smart Contracts zwecks Einsparung administrativer Prozesse. In Kombination mit „anderen digitalen Technologien, wie beispielsweise IOT und Machine Learning, können wir dann auch sogenannte DAO – decentralized autonomous organisations – generieren“.
(ID:45692996)