Chemielogistik-Studie Chemcologne und VCI bemängeln marodes Verkehrsnetz
Deutschlands marode Verkehrsinfrastruktur beschäftigt auch die Chemieindustrie. Der Branchenverband VCI und Chemcologne bemängeln den Zustand von Straßen-, Schienen- und Binnenschifffahrtsnetz. Aus diesem Anlass hat Chemcologne eine Chemielogistik-Studie erstellen lassen.
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„Ein großer Schock“ sei die Sperrung der Leverkusener Autobahnbrücke für den Lastverkehr Ende 2012 gewesen, erzählt Dr. Ernst Grigat. Der Vorstandsvorsitzende von Chemcologne leitet für Currenta die Chemparks im Rheinland und weiß aus leidiger Erfahrung wie stark die Probleme mit der Infrastruktur in der Chemieregion sind.
Studie zeigt Engpässe unter Betrachtung aller Verkehrsträger auf
Wenn man von so etwas sprechen kann, dann waren die Erlebnisse im Dezember 2012 Anlass um sich die Verkehrsinfrastruktur im Chemcologne-Land einmal genauer anzuschauen. Bis dahin gab es weder verlässliche Daten und Fakten, noch Ergebnisse, die sich speziell mit den besonderen Bedürfnissen der chemischen Industrie in Bezug auf Logistik beschäftigt haben.
So entstand die Idee, eine Studie zu erarbeiten, wobei Knotenpunkte und Engpässe unter Betrachtung aller Verkehrsträger aufgezeigt werden sollten. Untersucht werden sollten sowohl die Produzentenseite als auch die Anforderungen an die Logistikdienstleister und deren Kapazitäten.
Wirtschaft und Landespolitik ziehen an einem Strang
Zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der rheinländischen Chemie sei die Verbesserung der Infrastruktur unabdingbar. Nur im Schulterschluss aller Beteiligten kann sie erfolgen. Daher sei die Verknüpfung der unterschiedlichen Sichtweisen von Politik und öffentlicher Hand, der chemischen Industrie, der Chemiestandortmanager und -betreiber sowie der Chemielogistikdienstleister ausschlaggebend für den späteren Erfolg. Dies sei ein wesentliches Ergebnis der Studie „Chemielogistik im Rheinland“, die NRW-Verkehrsminister Michael Groschek in Düsseldorf überreicht wurde.
„Diese Studie ist ein Beleg dafür, wie wichtig die Infrastruktur gerade auch für die Chemiebranche in NRW ist. Und sie bekräftigt vor allem meine Forderung, mehr Geld in den Erhalt unserer Verkehrswege zu investieren. Die Zeit der reinen Spatenstich-Politik ist endgültig vorbei. Wenn wir unseren Wohlstand und unsere Wirtschaftskraft nicht gefährden wollen, dann müssen wir unsere Verkehrswege in Schuss halten. Die Chemcologne-Studie unterstreicht unsere Position: Es geht nicht darum, neue Ortsumgehungen zu bauen, sondern wir müssen jetzt vor allem Deutschland reparieren“, betonte Groschek bei der Übergabe der Studie.
Angekündigte Bundesmittel sind Tropfen auf heißem Stein
Und für diese Reparaturen müssen die Länder und der Bund viel Geld in die Hand nehmen. Alleine um die nötigen Brücken neu zu bauen und damit die vorhandene Infrastruktur zu erhalten wären 4,5 Milliarden Euro fällig, so Groschek. Die von der Bundesregierung angekündigten 400 Millionen Euro für Sanierungsmaßnahmen hätte da doch eher symbolische Bedeutung.
Weg von der Straße hin zur Schiene, seien in Deutschland ca. 1400 Bahnbrücken sanierungsbedürftig, davon 270 in NRW. Auch ein Bahn-Bypass vom wichtigen Logistik-Hub Antwerpen Richtung Rheinland und die Ertüchtigung vorhandener Netze seien wichtige Ziele.
VCI fordert Masterplan Verkehrsinfrastruktur
Auch die Initiative Verkehrsinfrastruktur der chemischen Industrie hat konkrete Vorschläge für eine klare Investitionsplanung und sinnvolle Maßnahmen. Dabei benennt sie besonders die Voraussetzungen dafür, dass künftig mehr Chemietransporte mit Bahn und Binnenschiff stattfinden können. Rund 226 Millionen Tonnen chemischer Erzeugnisse werden zum Ziel befördert. Damit sei die chemische Industrie mit rund 6 % des gesamten Güterverkehrsaufkommens der zweitgrößte Auftraggeber von Transportdienstleistungen in Deutschland.
„Deutschland muss einen weiteren Verfall seines Verkehrsnetzes stoppen, wenn es Wettbewerbsfähigkeit sichern und Wohlstand erhalten will“, betonte Gerd Deimel, Sprecher der neuen Initiative Verkehrsinfrastruktur des VCI und Vice President bei Lanxess Deutschland, die in Frankfurt vorgestellt wurde.
Von der Politik forderte Deimel deshalb klare verkehrspolitische Ziele und einen Masterplan Verkehrsinfrastruktur. Es fehle auch ein praxisnaher Infrastrukturbericht, der die Schwachstellen aufdecke, den tatsächlichen Bedarf aufzeige und damit als Entscheidungsgrundlage dienen könne. Darüber hinaus müssten die Investitionsmittel endlich über mehrere Jahre hinweg festgeschrieben werden, damit die Bundesländer Infrastrukturprojekte kontinuierlich umsetzen können.Die Chemielogistik-Studie von Chemcologne könnte hier zumindest einen Einblick in eine wichtige Chemie-Region bieten.
Seehäfen an Hinterland anbinden
Die chemische Industrie sei laut VCI besonders auf die Transportmittel Eisenbahn und Binnenschiff angewiesen. Damit die Chemieunternehmen Schiene und Binnenwasserstraßen stärker nutzen können als bisher, seien zusätzliche Knotenpunkte notwendig, die die verschiedenen Verkehrsträger besser miteinander verknüpfen. Als Beispiel führte Deimel den Verkehrsknotenpunkt Rhein-Main an. Hier könne man für die Chemielogistik einen Knotenpunkt von der Straße auf das Binnenschiff einrichten und dadurch das Transportaufkommen im Ballungsraum Rhein-Main entzerren. Darüber hinaus müssten auch die Seehäfen, wie etwa der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven, besser an das Hinterland angebunden werden.
Um Kanäle optimal nutzen zu können, ist der doppellagige Containertransport auf Binnenschiffen zweckmäßig. Deimel sprach sich deshalb dafür aus, die Brücken über westdeutschen Binnenwasserstraßen zu erhöhen – und zwar dort, wo sich bislang solche Container noch nicht einsetzen lassen. Damit könnte die Chemie die erheblichen freien Kapazitäten dieses Verkehrsträgers nutzen. „Ein zukunftsweisender Schritt wäre es auch, spezielle Umspuranlagen und Fahrspuren auf Autobahnen und Schienen für den Güterverkehr zu schaffen oder zu erweitern“, hob er hervor.
„Bildung statt Beton“ zu „Bildung und Beton“ machen
Die Studie „Chemielogistik im Rheinland“, die sich mit entsprechenden Problemen befasst hat und einen Überblick für die Chemieregion Rheinland bietet, wurde von Chemcologne in Auftrag gegeben und von der Kompetenzgruppe Chemielogistik durchgeführt. Zur Kompetenzgruppe Chemielogistik zählen die CMC², die Europäische Fachhochschule (EUFH) Brühl, die Fachhochschule Köln, die Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS und das Institut für angewandte Logistik (IAL).
„Für das Rheinland haben wir das Problem mit Hilfe der Studie detailliert auflösen können. Wir haben nun einen sehr guten Einblick auf Chemielogistik-Angebot und -Nachfrage sowie die Verkehrsverflechtungen unserer Chemie-Region“, erläuterte der stellvertretende Chemcologne-Vorstandsvorsitzende, Dr. Clemens Mittelviefhaus, zufrieden. Wichtig sei es jetzt das aufgerissene nun „zu guten Lösungen für die Industrie“ zu führen.
Groschek betonte abschließend, dass der durch den Pisa-Schock geprägte Slogan „Bildung statt Beton“ zu einem „Bildung und Beton“ umgeschrieben werden müsse, damit die Industrie nicht auf der Strecke bleibe. In den nächsten Jahren müssen Engpässe beseitigt, Brücken saniert und Hafenkonzepte erstellt werden, so der Minister. Die Ergebnisse der Studie liefern auf jeden Fall guten Gesprächsstoff für den NRW-Antrittsbesuch von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt in diesem Sommer.
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