Letzte Meile Comeback der Lastenräder fördert urbane Mobilität
Bei der Wiederbelebung der Städte hat der ADFC in seinem Papier „Corona und der Radverkehr“ vor dem Superstau gewarnt – auch, weil Bus und Bahn wegen der vorgeschriebenen Abstandsregelungen nur eingeschränkt nutzbar sind. Nutzer von Lastenrädern vermeiden clever die prognostizierten Staus und minimieren ihr Ansteckungsrisiko.
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Petrus und ich werden keine Freunde mehr – nicht in diesem Leben, so viel ist sicher! Allgemein heißt es ja, dass Unterfranken eine sehr niederschlagsarme Region Deutschlands sei. Das hat der Apostel scheinbar vergessen. Mein Lastenradtest 2.0 – fünf E-Bikes mussten diesmal im Schnellverfahren dran glauben – war alles in allem eine feuchte Angelegenheit. Aber wie heißt es bekanntlich? Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung. Here we go!
Das erste Lasten-Velo, das auf dem Hof der Vogel Communications Group zugestellt wurde, war ein Ahooga. Was mich dazu verleitet hat, dieses Lastenrad anzufragen, war das interessante Glaubensbekenntnis, das dieser Anbieter auf seiner Website zum Besten gibt: „Wir bei Ahooga glauben daran, dass elektrisch unterstützten Fahrrädern die Zukunft gehört. Wir sind uns aber auch bewusst, dass Li-Ionen-Batterien schädlich für die Umwelt sind, und denken, dass man die elektrische Unterstützung nur dann abfordern sollte, wenn man sie wirklich braucht. Darum sind unsere Pedelecs so leicht, dass man auch gerne ohne oder nur mit geringer Unterstützung fährt.“ Das musste ich einfach ausprobieren ...
Ahooga kauft für seine Rahmen keine Ware aus dem Regal, sondern entwirft sie selbst und lässt sie in Osteuropa herstellen – montiert werden sie nach eigener Aussage „zum größten Teil in Benelux“.
Nach etwa 60 km war Schluss mit der E-Unterstützung und ich durfte endlich meiner eigenen Kraft freien Lauf lassen. Zuvor hatte mich der 36-V/250-W-Hinterrad-Nabenmotor (60 Nm Drehmoment) klaglos vorangetrieben, der vom 300-Wh-Lithium-Ionen-Akku gespeist wird. Was diese elektrische Unterstützung wert ist, merkt man aber erst, wenn man selbst reintritt. Ich hätte nicht gedacht, dass knapp 20 kg so viel Kraft kosten. Zugegeben, meine 100 kg kommen da noch obendrauf. Die für Logistiker wichtigen Daten: Vorne ist ein mit 20 kg belastbarer Gepäckträger aus Aluminium 6061 T6 angebaut, der hintere aus demselben Material verkraftet 30 kg. Optional kann das Ahooga mit einer 20-kg-Strebe beim „Full Rack-Pack Set“ ausgestattet werden, bestehend aus Gepäckträger-Set, Kissen, Fuß-Peds und Doppelständer. Trotz aller Leichtigkeit empfehle ich aber, mit Gepäck immer darauf zu achten, dass der Saft nicht ausgeht, denn auch ein Alurad will dann mit reiner Muskelkraft fortbewegt werden.
Vergleichsweise riesige „Blackbox“
Dass die Niederlande eine Fahrradfahrernation sind, dürfte hinlänglich bekannt sein; kein Wunder auch bei dieser Topografie. Seit über 15 Jahren erleichtert der Hersteller Babboe den Alltag vieler Familien in unserem Nachbarland und darüber hinaus mit seinen Lastenfahrrädern und bietet mit den Modellvarianten „Pro Bike“, „Pro Bike Flightcase“, „Pro Trike“ und „Pro Trike XL“ inzwischen auch vier Cargo-Bikes für die gewerbliche Nutzung an.
Exakt 900 l oder 100 kg passen in die „Blackbox“ des dreirädrigen „Babboe Pro Trike XL“ (Bild unten, der zweirädrige kleine Bruder, das „Pro Bike“, fasst nur 300 l). Beim ersten Erklimmen des Lastesels ist man, jedenfalls war ich es, leicht irritiert ob der fehlenden Sicht direkt nach vorne: Man sieht weder die beiden Vorderräder noch den Weg unmittelbar vor dem Gefährt. Das liegt an der voluminösen, robusten Composite-Transportbox, die diesen Blick unmöglich macht. Aber wir reden hier ja auch von Arbeitsgeräten und nicht von Spaß-Bikes, wobei das natürlich nicht heißen soll, dass das Fahren mit dem Babboe-Dreirad keinen Spaß gemacht hat. Die feinfühlige Lenkung des Bikes, die achtstufige elektrische Tretunterstützung (Hinterrad-Nabenmotor) und der leistungsstarke Yamaha-Mittelmotor mit Kraftsensor und stufenloser Enviolo-Gangschaltung lassen einen den oben geschilderten vermeintlichen Nachteil nämlich schnell vergessen.
Das Cargo-Bike ist, wie sein Hersteller angibt, für die schnelle Auslieferung mit vielen Zwischenstopps auf der Route entwickelt worden und auch das größte Pferd im Rennstall. Der Deckel der Box lässt sich einfach an der vom Fahrer aus gesehen linken Seite öffnen – hier hätte mir die beim in Europa vorherrschenden Rechtsverkehr von der Fahrbahn abgewandte Seite besser gefallen. Aber meistens parken Lastenräder ja sowieso nicht auf, sondern höchstens an der Straße.
Mit „In-die-Kurve-Legen“ ist nicht
Für Leser, die sich nach der Lektüre meines Lastenradtests 2.0 zum Erwerb eines dreirädrigen Lastenrads entscheiden, an dieser Stelle ein paar nützliche Tipps, die grundsätzlich für alle dreirädrigen Ausführungen gelten (außer, sie sind mit Neigetechnik ausgestattet, aber dazu später mehr): In der Kurve tritt der größte Unterschied zum Zweirad offen und manchmal „brutal“ zutage, und das ist ein rein physikalischer – man kann sich nicht so in die Kurve legen wie bei einem normalen Rad. Ganz schwierig kann es auf schrägen Fahrbahnen werden, wenn die Straße beispielsweise nach links abfällt und man eine Rechtskurve zu meistern hat. Hier gilt, wie grundsätzlich immer im Verkehr: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Im Zweifel immer den sprichwörtlichen Gang runter schalten, also: Runter vom Tempo!
Neigetechnik trickst Kurven aus
Äußerst hilfreich kann es auch sein, seinen Körper zur höheren Fahrbahnseite hin zu lehnen. Und jetzt wird's ein wenig tricky: In sehr engen Kurven, die grundsätzlich langsamer zu durchfahren sind, gerne die äußere Hand vom Lenker nehmen (sie aber bremsbereit in dessen Nähe belassen), damit der Körper gerade bleibt und man nicht schief in der Kurve hängt.
Genug der Tipps, lassen Sie uns Fahrrad fahren! Und gleich zu einem Bike kommen, für das Sie alle vorangegangenen Tipps in den Wind schießen können: das „calderas_e“ der Berliner Cargo-Bike-Schmiede Sblocs. Das brachte die Spedition zwar platzsparend ohne vormontierte Transportbox, es war also etwas handwerkliches Geschick vonnöten. Mithilfe der Vogel-eigenen Haustechnik war das aber ein Kinderspiel und der Fahrer wurde fortan mit einem groovigen Fahrerlebnis belohnt. Das Dreirad, dessen hochwertiger Aluminiumrahmen in Deutschland hergestellt wird, kommt mit einer Neigungstechnik daher (siehe Bild links unten). Die Kombination aus Drehschemellenkung und Neigungsparallelogramm führt in Kurven zu einer Verlagerung des Schwerpunkts zum Kurveninneren – Kurven wird zum Carven, wie es der Hersteller ausdrückt. Und das macht Spaß. Dazu das elektrische Antriebssystem von Brose, dessen Motor 250 W Leistung bringt und bis zu 25 km/h unterstützt. Ohne die Wertigkeit der Konkurrenten schmälern zu wollen: Für mich als Freizeitlogistiker, der ja nichts mit tagtäglichen Auslieferungen zu tun hat, belegt das „calderas_e“ Platz 1 des Tests, obwohl seine Transportbox nur für maximal 40 kg Zuladung zugelassen ist.
Kutschiert lässig eine Europalette
Wer über solch niedrige Gewichte nur müde lächeln kann, der sollte sich dann doch besser einem Gefährt zuwenden, das in einer Kooperation von Bayk und Humbaur entstanden ist: dem „BRING S“. Hochaufgeschossen kommt der Transportbolide daher, kein Wunder auch bei seinen 1,5 m3 Fassungsvermögen der verbauten Flexbox von Humbaur. Abhängig von der Nutzung der Tretunterstützung, der Fahrstrecke und der Höhe der Zuladung soll es das Pedelec, das überall dort fahren darf, wo Fahrräder zugelassen sind, auf bis zu 100 km Reichweite bringen. Mit 495 kg zulässigem Gesamtgewicht holt sich das „BRING S“ die Pole Position unter den getesteten Kandidaten. Zwei Dinge sind bei meiner zugegeben sehr subjektiven Bewertung noch gar nicht berücksichtigt: Erstens verfügt das Lastenfahrrad über einen Rückwärtsgang (1 km/h) und eine Schiebehilfe (bis 6 km/h), die den Lieferalltag erheblich erleichtern. Die Bayk-Humbaur-Kooperation ist übrigens mein bislang einziges Gefährt mit Platz für eine Original-Europalette. Für die hohe Reichweite sind übrigens zwei Li-Ion-Akkus mit bis zu 4000 Wh Power verantwortlich.
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Lastenräder
Pedalritter stürmen die letzte Meile
Und sollte der Lieferbote einmal seinen Zündschlüssel im Schloss stecken lassen: Keine Panik, mit einfachem Umdrehen und Davonbrausen ist es nicht getan. Das Starten und Losfahren braucht etwas Geschick, das man sich aber nach Einweisung und mehrmaligem Start schnell angeeignet hat. ■
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