Drohneneinsatz Die Inventurdrohne – ein Schritt in die Zukunft

Von Roberta Haseleu

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Die jährliche oder regelmäßige Inventur des Lagerbestands kann ein beachtlicher Kostenfaktor für Unternehmen sein. Für eine Stichtagsinventur ist es oft nötig, das Lager für einige Tage zu schließen und das gesamte Personal sowie Hilfskräfte in den Zählprozess einzubinden. Inventurdrohnen können dieses Dilemma beseitigen.

Drohne im Lager: Es wird zwischen autonomen, sogenannten „Follow-me“- und manuell betriebenen Fluggeräten unterschieden.
Drohne im Lager: Es wird zwischen autonomen, sogenannten „Follow-me“- und manuell betriebenen Fluggeräten unterschieden.
(Bild: iStock)

Um die Inventur schnell und mit genauen Ergebnissen durchzuführen, braucht man einen gut definierten Prozess, verantwortungsbewusste Lageristen und genügend mobile Geräte in Kombination mit einer zuverlässigen Software. Dies ist ein enormer Aufwand und häufig scheitert mindestens eines dieser Elemente trotz aller Vorbereitung.

In letzter Zeit erobern innovative Lösungen den Markt, die dem personellen und organisatorischen Aufwand bei der Inventur ein Ende bereiten sollen und dazu auf moderne Robotikapplikationen setzen, um Unternehmen die Bestandskontrollen zu erleichtern. Die Inventurdrohne ist dabei eine der prominentesten Vertreterinnen.

Herausforderung Inventur

Die meisten Unternehmen verlassen sich auf regelmäßige manuelle Bestandskontrollen, um die Bestandsgenauigkeit in ihren Lagern anzupassen. Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Sie haben kein oder nur ein einfaches Warehouse-Management-System (WMS), das keine zuverlässigen Bestandsinformationen liefern kann.
  • Firmeninterne oder staatliche Richtlinien könnten die Bestandskontrolle vorschreiben.
  • Kunden können eine Bestandsaufnahme zu einem bestimmten Fälligkeitsdatum verlangen, zum Beispiel, wenn die Logistik von Drittanbietern durchgeführt wird (3PL-Szenarien).

Traditionell wird die Bestandsaufnahme entweder mit einem papierbasierten oder einem Handheld-Ansatz durchgeführt. Die papierbasierte Inventur erfordert viel manuelle Arbeit und ist entsprechend fehleranfällig. Während die Handheld-Variante einigen dieser Herausforderungen begegnet, ist dennoch eine manuelle Überprüfung jedes einzelnen Lagerplatzes notwendig. Vor allem in Hochregallagern bedeutet dies, dass der gesamte Lagerbestand auf den Boden gebracht wird oder der Mitarbeiter die oberen Ebenen erreichen muss, um den Bestand zu erfassen. Diese Tätigkeit ist nicht nur zeitaufwendig, sondern auch gefährlich.

Bestandserfassung durch Drohneninventur

Unternehmen suchen daher nach Wegen, diese Aufgaben weitgehend zu automatisieren und zu beschleunigen. Hier kommt die Lagerdrohne zum Einsatz. Die neue Technologie verspricht, die Lagerzählung wie im Flug, mit nur minimalem Einsatz von Mitarbeitern, durchzuführen.

Anbieter präsentieren Lösungen mit unterschiedlichen Ansätzen – am offensichtlichsten sind die Unterschiede in Bezug auf die Autonomie. In den letzten Jahren hat auch Logistics Reply verschiedene Optionen erforscht, um eine mühelose Bestandskontrolle realisieren zu können:

  • Autonom: Eine mit Indoor-Lokalisierungstechnologie ausgestattete Drohne führt ihre Mission ohne jegliches menschliche Eingreifen aus.
  • Follow-me: Die Drohne folgt dem „Master“ und benötigt daher keine Orientierung im Lager. Der „Master“ kann entweder ein anderer (bodengebundener) Roboter sein, der sich autonom bewegt, oder ein menschlicher Anwender, der zum Beispiel Inventurkontrollen auf den unteren Regalleveln durchführt. An dieser Stelle liegt der Fokus auf der Drohnen-Roboter-Kollaboration.
  • Manuell: Ohne spezielle Lokalisierungstechnologie ist die Drohne vollständig unter der Kontrolle eines Piloten, der sie an ihren Einsatzort fliegt.

Wie lassen sich diese drei Ansätze miteinander vergleichen?

Um zu beurteilen, welcher der Ansätze nach aktuellem Stand am vielversprechendsten ist, eignet sich ein Vergleich hinsichtlich der wichtigsten Kriterien.

Geschwindigkeit:

Autonom/Follow-me/Manuell: Mit allen Lösungen entfällt das Auf- und Abbewegen der Bestände und die Maschine führt den Bestandsabgleich automatisiert durch. Dies erhöht die Geschwindigkeit der Inventur deutlich.

Dabei ist die maximale oder tatsächliche Geschwindigkeit der Drohne in der Regel nicht ausschlaggebend für das Tempo der Bestandszählung. Der begrenzende Faktor ist der Zeitaufwand für das Lesen eines Barcodes oder zur Bildverarbeitung mittels eines Bilderkennungsalgorithmus. Je besser die Bild-/Videoqualität, desto einfacher und schneller ist die Barcode-Erkennung. Dazu muss die Drohne stabil und langsam fliegen. Daher sind bei allen drei Lösungen ähnliche Ergebnisse hinsichtlich der Geschwindigkeit zu erwarten.

Die Erfahrung aus bisherigen Projekten zeigt, dass die manuell gesteuerte Drohne eine durchschnittliche Zeit pro Ortung von fünf Sekunden oder weniger benötigt; dieser Mittelwert berücksichtigt bereits zusätzlich anfallende Wartungsarbeiten wie das Wechseln des Akkus der Drohne.

Sicherheit:

Autonom/Follow-me: Weder das Material noch der Mitarbeiter müssen aus oder in große Höhen bewegt werden – die Drohne erledigt den Job. Dies gilt in allen drei Szenarien. Es gibt einige Einschränkungen in Bezug auf Machbarkeit: Solange die autonomen Systeme nicht mit der vollen Sicherheitsausstattung ausgerüstet sind, wie sie für selbstfahrende Fahrzeuge im Straßenverkehr erforderlich ist, gelten autonome Systeme als nicht völlig sicher für den Einsatz im engen menschlichen Kontakt. Folglich sind autonome Systeme derzeit in der Regel für den nächtlichen Betrieb vorgesehen, wenn keine Schicht das Lager bedient – eine Option, die für einen 24/7-Betrieb nicht realisierbar ist.

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Manuell: Im manuellen Szenario kann ein geschulter Pilot die Drohne sicher und kontrolliert bedienen – unterstützt durch die zusätzliche Sicherheitsausstattung der Drohne, wie zum Beispiel ein Propellerschutz, eine Geschwindigkeitsregelung und Abstandssensoren. Die Fähigkeiten des Drohnenpiloten im manuellen Szenario können durch den Erwerb einer spezifischen Drohnenlizenz verifiziert werden.

Genauigkeit:

Autonom: Um Barcodes zu lesen und mit dem erwarteten Bestand abzugleichen, muss die Drohne ihren Standort mit hoher Präzision kennen. Und genau das ist das vorherrschende Problem bei der autonomen Bewegung. Die größte Herausforderung des autonomen Fluges ist die Implementierung eines Indoor-Navigationssystems, die eine präzise Lokalisierung der Drohne ermöglicht. Auf dem Markt gibt es noch keine fertige Lösung, die diese Aufgabe bewältigt. Standardsensoren wie GPS, die in einer Drohne verbaut sind, sind weder ausreichend präzise noch funktionieren sie gut in Innenräumen.

Follow-me: Im Follow-me-Szenario liefert das AGV (Automated Guided Vehicle) präzise Standortinformationen am Boden in Echtzeit und beseitigt so viele der Navigationsherausforderungen des vollautonomen Szenarios.

Manuell: Bei der manuell betriebenen Drohne ist keine Lokalisierungstechnologie erforderlich, da der Mensch die Rolle des Navigationssystems übernimmt.

Kosteneffizienz:

Autonom: Dieser Ansatz bietet das größte Einsparungspotential. Die Inventur lässt sich mit minimaler Ausrüstung und ohne menschliche Beteiligung durchführen.

Follow-me: Im Unterschied zum autonomen Fall fallen zusätzliche Kosten für die AGV/autonome mobile Roboter am Boden an, einschließlich zusätzlicher Software zur Führung der Roboter und notwendiger Wartung.

Manuell: Es entstehen Arbeitskosten für denjenigen, der die Drohne steuert.

Durch die Geschwindigkeit und Automatisierung aller Lösungen wird der Gesamtaufwand für die Bestandszählung erheblich verbessert und der Arbeitsaufwand der Mitarbeiter stark reduziert. Die Angaben verschiedener Anbieter zum Einsparpotenzial reichen von 70 bis 90 Prozent.

Unabhängig vom gewählten Ansatz entstehen Kosten im Zusammenhang mit der Anschaffung, dem Betrieb und der Wartung der Drohnen sowie der steuernden Systeme.

Gesetze und Vorschriften:

Autonom/Follow-me: Bei diesen automatisierten Prozessen kommen computergesteuerte autonome Drohnen zum Einsatz. Sie werden wie andere Mensch-Roboter-Kollaborationsanwendungen behandelt, mit extrem strengen Sicherheitsvorschriften (so zum Beispiel DIN ISO/TS 15066), die nicht einfach zu interpretieren und an den jeweiligen Prozess anzupassen sind.

Manuell: Für manuelle Drohnen ist klar definiert, dass der Pilot die allgemeinen Drohnenrichtlinien kennen muss und für den Flug und die Einhaltung der Regeln und Vorschriften verantwortlich ist, wie die Einhaltung des Mindestabstands zu anderen Personen.

Die Drohne selbst bleibt während des gesamten Prozesses unter der vollständigen Kontrolle und ständigen Überwachung des Piloten, sodass die Inventur per Drohne parallel zum normalen Lagerbetrieb grundsätzlich möglich ist.

Fazit:

Die steigende Akzeptanz für vollautonome Systeme wie im Bereich des Straßenverkehrs und die technologischen Fortschritte im Bereich Künstlicher Intelligenz in Edge-Geräten geben Anlass zur Hoffnung, dass die Vision einer vollständig selbstständigen Drohne zur Bestandsregelung in den nächsten Jahren Realität wird. Die Kombination aus intelligenten Sensoren, Bilderkennung und fortschrittlichen Algorithmen ermöglicht es bereits heute, eine Drohnenlösung mit einer Lokalisierungsgenauigkeit von zehn Zentimetern zu bauen. Um eine noch höhere Echtzeitpräzision zu erreichen, erforschen Anbieter wie Reply derzeit den Einsatz von UWB (Ultra Wide Band) und anderen Spitzentechnologien.

Bis die regulatorischen und technologischen Voraussetzungen für den Einsatz vollständig autonomer Drohnenlösungen – die als Prototypen verfügbar sind – erfüllt sind, können manuell geführte Drohnenlösungen den Aufwand für die Inventur bereits jetzt signifikant reduzieren. Damit setzt sich ein Transformationsprozess fort, der, unter dem Begriff Logistik 4.0 gefasst, die Entwicklung hin zu einer zunehmend digital getriebenen Automatisierung der gesamten Lieferkette beschreibt.

* Roberta Haseleu ist Senior Manager und Practice Lead „Green Technology“ bei der Reply AG in 80636 München, Tel. (0 89) 41 11 42-0, r.haseleu@reply.de

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