Zukunft des Transports Eine Geschichte der großen Ideen und kleinen Schritte

Von M. A. Benedikt Hofmann

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Dass sich der Gütertransport zur See und auf der Straße ändern muss, um mit den Anforderungen der Zukunft fertig zu werden, steht außer Frage. Aber welche Ideen gibt es und wann sind sie bereit für den Markt? MM Logistik versucht eine Annäherung an eines der wichtigsten Themen der kommenden Jahrzehnte.

Der Rumpf der Vindskip dient als Segel und soll das Schiff vor allem auf dem offenen Meer antreiben.
Der Rumpf der Vindskip dient als Segel und soll das Schiff vor allem auf dem offenen Meer antreiben.
(Bild: Lade)

Weltweit steigen die Warenströme an und es ist kein Ende in Sicht. Immer mehr Menschen mit immer höheren Lebensstandards sorgen dafür, dass dem Gütertransport, sei es der Transport großer Ladungen über große Distanzen oder die Belieferung auf der letzten Meile, in Zukunft ein noch größerer Stellenwert zukommen wird. Die Lieferung frei Haus wird quasi zum Menschenrecht. Demgegenüber stehen die schädlichen Auswirkungen konventioneller Verbrennungsmotoren auf die Umwelt, die sich nach Meinung vieler Forscher in der globalen Erwärmung widerspiegeln, und die Endlichkeit der zugrunde liegenden Ressource Erdöl. Es sind also gerade beim Gütertransport auf der Straße und auf dem Wasser neue Konzepte nötig, die dafür sorgen, dass der Warenfluss in Zukunft nicht mehr nach Diesel und Schweröl riecht.

On the road again

Die in der breiten Öffentlichkeit bekanntesten Zukunftskonzepte für den Transport kommen allesamt aus dem Straßenverkehr. Hier sind alternative Antriebe durch Fahrzeuge wie Toyota Prius, BMW i3 oder Tesla schon in der Realität angekommen und Konzepte für autonomes Fahren schaffen es regelmäßig in die großen Nachrichtenmagazine der Republik. Auch der Warentransport findet sich durch Pilotprojekte wie E-Lkw und elektrische Lieferwagen für die letzte Meile hier und da in den Schlagzeilen wieder. Dass die Entwicklung hier noch nicht weiter ist, hat für David Rüdiger vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML, der im Rahmen des Projekts „Eco Fleet“ den Status quo und das Entwicklungspotenzial alternativer Antriebsformen im Transportwesen untersucht hat, einen einfachen Grund: Wirtschaftlichkeit.

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„Es gibt schon Alternativen und Pilotversuche, die Wirtschaftlichkeit ist heute aber häufig noch nicht gegeben, selbst wenn der Ölpreis wieder steigt. Solange sich das im Vergleich zu den konventionellen Antrieben nicht ändert, werden wir auch keinen großen Wechsel auf Alternativen sehen, auch wenn diese ökologisch vorteilhaft sind“, gibt der Forscher zu Protokoll. Außerdem sieht er die Betankungsinfrastruktur als großes Problem. Diese entspricht Rüdiger zufolge gerade in Deutschland den Anforderungen des Güterverkehrs noch nicht im Geringsten. Eine neue EU-Richtlinie aus dem letzten Jahr könnte das ändern. Sie fordert die Länder auf, diese Infrastruktur deutlich zu verbessern.

Von der Schiene lernen

Eine Alternative zur bloßen Versorgung über Tankstellen könnte Martin Randelhoff zufolge das E-Highway-Konzept von Siemens sein. Randelhoff beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Mobilität und konnte mit seiner Plattform „Zukunft Mobilität“ unter anderem den Grimme Online Award gewinnen. Der E-Highway basiert auf einem intelligenten Stromabnehmer in Kombination mit einem Hybridantriebssystem. Entsprechend ausgerüstete Lastwagen versorgen sich während der Fahrt aus Oberleitungen mit elektrischer Energie und fahren dann lokal emissionsfrei. Auf Straßen, die nicht mit Oberleitungen ausgestattet sind, treibt ein Hybridmotor die Lastwagen an. Der intelligente Stromabnehmer ermöglicht das automatische An- und Abdocken bis zu einer Geschwindigkeit von 90 km/h. Ab Juli 2015 will Siemens das Projekt in Kalifornien erstmals im öffentlichen Raum präsentieren. Randelhoff ist sich sicher: „In Verbindung mit einer Teilautomatisierung kann der E-Highway einen noch nie erreichten Effizienzgrad des Güterverkehrs bei einer gleichzeitig sehr hohen Versorgungssicherheit erzielen.“

Interview: „Trend in der Logistik geht zur Industrialisierung“
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Die Transporein Group will Industrie- und Handelsunternehmen mit Ihren Logistikdienstleistern vernetzen. Dafür hat sie unter anderem einen speziellen Mobilfunktarif für Transportunternehmen entwickelt. Im Gespräch mit MM Logistik erklärt Peter Förster, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Transporeon Group, wie sich die Transportbranche seiner Meinung nach entwickeln wird und warum vernetzte Systeme immer wichtiger werden.

Peter Förster ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Transporeon Group.
Peter Förster ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Transporeon Group.
(Bild: Transporeon)

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, denen sich die Transport-Branche in den nächsten Jahren stellen muss?

Peter Förster: In der Transportbranche gibt es seit einiger Zeit einen ganz klaren Trend zur Industrialisierung und damit auch zur Professionalisierung. Die „Hemdsärmligkeit“, die die Logistikbranche lange geprägt hat und ein Stück weit auch deren Charme ausmacht, verschwindet zusehends. Stattdessen wird mehr in Prozessen gedacht und stärker automatisiert. Dies dient letztendlich dazu, die Prozesskosten zu senken – und daran führt kein Weg vorbei. Die Industrie ist hier schon einen Schritt weiter als die Speditionen, aber wir sehen, dass diese nachziehen. Die große Herausforderung für alle Unternehmen der Logistikbranche sehe ich darin, diesen Trend für sich zu nutzen und sich technisch nicht abhängen zu lassen. Wer auf die klassische Abwicklung beharrt, wird es in Zukunft schwer haben.

Wie können vernetzte Plattformen dabei helfen, diesen Herausforderungen zu begegnen?

Förster: Zuerst schöpfen die Unternehmen die Optimierungsmöglichkeiten im eigenen Betrieb aus. Das ist richtig und wichtig. Dann aber stellen sie fest: Das reicht nicht. Um wirklich effizienter zu werden, muss man über die Unternehmensgrenze hinweg denken. „Collaborative Commerce“ heißt das Stichwort. Vernetzte Plattformen wie Transporeon mit ihren stark automatisierten Prozessen führen zu einfacherer Kommunikation und mehr Transparenz entlang der gesamten Lieferkette. Somit sparen am Ende alle Beteiligten Zeit und Kosten.

Ihr Unternehmen ist kürzlich in den Telematik- und Mobilfunkmarkt eingestiegen. Gehen Sie davon aus, dass diese Themen in Zukunft eine steigende Bedeutung haben werden?

Förster: Damit alle Beteiligten effizienter werden können, muss der Prozess entlang der gesamten Logistikkette automatisiert werden – bis in die Fahrerkabine hinein. Und zwar nicht nur in den jeweils eigenen Fahrzeugen der Speditionen, sondern auch bei Charter- und Subunternehmen. Das gelingt nur mit smarten Telematiklösungen. Ein Beispiel: Die Dieselpreise machen ungefähr 30 % der Kosten eines Transports aus. Mit intelligenten Telematiksystemen können die Speditionen 8 bis 10 % Diesel sparen, indem die Fahrer zu einer spritsparenden Fahrweise angehalten werden. Wenn man bedenkt, dass der Gewinn derzeit bei 2 bis 3 % der Kosten liegt, entspricht das einer Verdopplung der Rendite. Nun nützt aber die beste Telematik nichts, wenn die Roaminggebühren zu teuer und daher die Geräte in den Fahrzeugen offline sind. Deshalb bieten wir mit Freeeway günstige, europaweite Datentarife, ganz speziell auf die Bedürfnisse der Transport- und Logistikbranche ausgerichtet – ein weltweit bisher einzigartiger Ansatz.

Welche weiteren Zukunftsprojekte betreiben Sie derzeit?

Förster: Bei Freeeway entwickeln wir zurzeit einen Tarif „Europa Plus“, der zum Beispiel auch Russland einschließt. Hier sind die Roaminggebühren für europäische Unternehmen derzeit enorm teuer. Auch Sprachtarife wollen wir künftig anbieten. Was die Produktentwicklung angeht, lassen wir uns natürlich nicht so gern in die Karten schauen. Generell ist es unser Ziel, ein voll integriertes System zu schaffen, in das alle relevanten Teilnehmer einfach eingebunden werden können – und zwar entlang der gesamten Lieferkette. Beispielsweise lässt sich unsere Transporen-App für Fahrer in Zukunft mit dem Transport Management Systemen der Speditionen integrieren und steht für das komplette Flottenmanagement der Spedition zur Verfügung.

Wie wird sich das Transport-Gewerbe Ihrer Meinung nach bis 2025 verändern?

Förster: Meiner Meinung nach werden sich viele Trends, die wir heute schon beobachten, bis 2025 fortsetzen und verschärfen. Beispielsweise der Fahrermangel. Insgesamt werden Personalressourcen teurer und knapper werden. Auch der Trend zu mehr Transparenz wird weiter anhalten. Die Kunden – sowohl der Verlader als auch der Frachtführer – verlangen schon heute vorausschauende Informationen wie Verspätungsprognosen. Und auch um das eigene Unternehmen zu steuern, werden verlässliche, detaillierte Zahlen immer wichtiger. Hier wird das Internet der Dinge eine wichtige Rolle spielen. „Be Always-Connected“ und die unternehmensübergreifende Bereitstellung dieser Echtzeitinformationen werden entscheidend sein. Nicht zuletzt gehe ich davon aus, dass die gesetzlichen Vorschriften wie Maut- und Steuerrecht komplexer und, was Umweltaspekte angeht, auch verbindlicher werden. Dabei nützt es nichts, vor diesen Entwicklungen die Augen zu verschließen. Im Gegenteil: Wer sich darauf einstellt, hat in der Logistik weiterhin sehr gute Entwicklungsmöglichkeiten. Schließlich nimmt der Transportbedarf kontinuierlich zu.

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Neben Hybrid- und E-Antrieben stehen das autonome und unterstützte Fahren im Mittelpunkt vieler Studien. „Fahrerassistenzsysteme und automatisiertes Fahren werden nicht nur für die Sicherheit, sondern auch für die bei Nutzfahrzeugflotten besonders wichtige Transporteffizienz – sprich: geringer Kraftstoffverbrauch und niedrige Standzeiten – eine immer wichtigere Rolle spielen. Der Faktor Effizienz spielt eine wesentlich größere Rolle als im Pkw-Segment, wo der Komfort des Fahrers wichtig ist und wo Fahrer auch entsprechend bereit sind, Geld für solche Funktionen auszugeben“, erklärt Dr. Michael Ruf, Head of Business Unit Commercial Vehicles and Aftermarket bei Continental. Mit E-Horizon hat sein Unternehmen bereits ein Fahrassistenzsystem im Einsatz, das das Fahrsystem mit detailliertem Kartenmaterial versorgt. So erhält das Fahrzeug Informationen über die vorausliegenden Streckenabschnitte schon lange, bevor diese in Sicht kommen, und die Sicherheit, der Fahrkomfort und die Fahreffizienz werden erhöht.

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Neben dem Automated Driving sieht Continental vor allem die Technologiefelder Intelligent Transportation Systems (ITS) und „Sustainable Products & Solutions als wichtig an. Bei ITS handelt es sich um die weitgehend vollständige Datenvernetzung von Transportinfrastruktur, Fahrzeugen und Nutzern mit Hilfe von Informations- und Kommunikations-Technologie. Um den optimalen Wirkungsgrad zu erreichen, benötigt ITS zwingend Daten aus Fahrzeugen. Das vernetzte Fahrzeug wird somit zur Schlüsseltechnologie. Bei Sustainable Products & Services dreht sich alles um ein nachhaltiges Wirtschaften, also die gleichzeitige Berücksichtigung wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Aspekte, das für Transport- und Logistikunternehmen zunehmend erfolgskritisch für die eigene Wettbewerbsfähigkeit und für die gesellschaftliche Akzeptanz ist.

Der Truck der Zukunft?

Ähnliche Konzepte sollen auch bei Mercedes-Benz und MAN die Zukunft bestimmen. Die Stuttgarter Daimler-Tochter präsentierte erst im letzten Jahr das Konzept „Future Truck 2025“, einen Lkw, der in der Lage, ist autonom zu fahren, und dazu keinerlei Verkettung oder Vernetzung mit anderen Fahrzeugen benötigt. Radarsensoren ermöglichen diese Unabhängigkeit. Eine Vernetzung mit anderen Lkw oder Pkw baut seine Fähigkeiten zwar weiter aus, sie ist aber für autonomes Fahren nicht notwendig. Alle Sensoren an Bord des Future Truck 2025 sind miteinander vernetzt und sollen ein komplettes Bild der Umgebung ergeben. Dafür werden die gesamten Daten im Zentralrechner zusammengeführt. Erfasst werden demnach sämtliche bewegte und stationäre Objekte im Umfeld des Lkw. Die Sensor- und Kameratechnik ist vom Stand bis zur gesetzlich erlaubten Höchstgeschwindigkeit für Lkw wirksam. Sie hält den Lkw durch Lenkeingriffe vollautomatisch sicher in der Mitte seiner Fahrspur.

Hinterlegt ist außerdem eine digitale dreidimensionale Karte, wie sie bereits jetzt für das Assistenzsystem Predictive Powertrain Control (PPC) verwendet wird. Neu im Future Truck 2025 ist auch der Blind Spot Assist, bei dem Radarsensoren die Seiten des Lkw überwachen und vor anderen, für den Fahrer nicht sichtbaren Verkehrsteilnehmern links und rechts des Lkw warnen. Der Truck soll schon in zehn Jahren auf unseren Straßen rollen. Was die Technologie zu leisten imstande ist, demonstrierte Daimler Trucks bereits im Juli 2014 mit autonomen Fahrten bei Geschwindigkeiten bis zu 80 km/h in realistischen Verkehrssituationen auf einem Teilstück der Autobahn A14 in Magdeburg.

Die Experten von MAN wollen ebenfalls durch fortschrittliche Assistenzsysteme vor allem für mehr Sicherheit im Verkehr sorgen. So hat das Unternehmen den Prototypen eines Spurwechselassistenten für mehrspurige Straßen entwickelt. Das System überwacht die Fahrspuren links und rechts des Lkw, erfasst auch herannahende Fahrzeuge und warnt den Fahrer mit einem Lkw-optimierten Warnkonzept. Um das sichere Erfassen der anderen Verkehrsteilnehmer garantieren zu können, sind auf beiden Fahrzeugseiten je zwei Kameras montiert: eine Teleobjektiv-Kamera, die weit nach hinten sehen kann, sowie eine Weitwinkelkamera, die den Bereich unmittelbar neben der Kabine überwacht. Erkannt werden dem Unternehmen zufolge Lkw, Busse, Pkw und Motorräder.

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Ein weiteres wichtiges Zukunftskonzept des Münchener Unternehmens ist der TGX Hybrid, ein Konzeptfahrzeug für einen TCO-optimierten Hybridantrieb im Fernverkehr. Die Experten bei MAN sind sich sicher, dass ein dieselelektrischer Parallel-Hybrid die geeignete Technologie für schwere Lkw im Fernverkehr ist. Der Dieselmotor ist dabei die Hauptantriebsquelle; der Hybridantrieb eröffnet die Möglichkeit, Bremsenergie zurückzugewinnen, zu speichern und wieder zu nutzen. Auf Fernstrecken werden die meisten Transportkilometer gefahren, sodass von allen Nutzfahrzeug-Hybridanwendungen das Gesamtpotenzial zur CO2-Einsparung hier am größten ist. Der TGX Hybrid wird mit einem Parallel-Hybrid angetrieben, in den ein Dieselmotor mit 440 PS und ein Elektromotor mit 130 kW Antriebsleistung einspeisen können. Im Schubbetrieb und beim Bremsen arbeitet der Elektromotor als Generator. Ein MAN Tipmatic-Getriebe überträgt die Kraft an die Hinterachse. Tests zufolge soll sich der Verbrauch durch diese Technologie um 8 % senken lassen.

Interview: Energieautonomie schaffen und Transportketten absichern
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Mit seinem Blog „Zukunft Mobilität“ will Martin Randelhoff über Strategien für die Mobilität von morgen informieren. Im Gespräch mit MM Logistik erklärt er, wie er zu diesem Thema kam und welche Konzepte seiner Meinung nach den meisten Erfolg versprechen.

Martin Randelhoff gewann mit seinem Blog „Zukunft Mobilität“ unter anderem den Grimme Online Award.
Martin Randelhoff gewann mit seinem Blog „Zukunft Mobilität“ unter anderem den Grimme Online Award.
(Bild: Daniel Koch)

Lassen Sie mich zunächst ein wenig persönlich werden: Wie kommt man darauf, seine Freizeit einem Thema wie der Zukunft der Mobilität zu widmen?

Martin Randelhoff: Mein Interesse stammt ursprünglich aus meiner Kindheit. Ich habe immer mit großer Begeisterung die Containerverladung in einem bimodalen Terminal in meiner Heimatstadt verfolgt. Über die Logistik bin ich dann zu den Verkehrswissenschaften und letztendlich beim Thema Zukunft der Mobilität gelandet.

Endlichkeit der Ölvorkommen, Reduzierung des Abgasausstoßes und eine alternde Infrastruktur sind nur einige der Herausforderungen, vor denen die Transportwirtschaft in Deutschland steht. Was ist Ihrer Meinung nach das akuteste Problem, mit dem sie sich am dringendsten beschäftigen muss?

Randelhoff: Das Auflösen des Sanierungsstaus ist sicherlich akut und wichtig. Wichtiger ist meiner Meinung nach jedoch die Schaffung von Energieautonomie und die Absicherung unserer Transportketten gegenüber exogenen Schocks. Dies bedeutet insbesondere eine Reduktion der Erdölabhängigkeit und die Schaffung von Transportalternativen.

Welchen der bisher in diesem Bereich diskutierten Lösungsansätze räumen Sie die größten Erfolgschancen ein?

Randelhoff: Eine Reduktion der Rohölabhängigkeit erreicht man hauptsächlich durch eine Elektrifizierung des Antriebsstrangs und der Nutzung heimisch und regenerativ erzeugten Stroms. Im Fernverkehr dürfte der Einsatz batterieelektrischer und wasserstoffbetriebener Lkw auch auf längere Sicht unrealistisch sein. In diesem Bereich setze ich große Hoffnung in den von Siemens entwickelten „E-Highway“, sprich den Einsatz Diesel- / CNG-elektrischer Lkw und eine Stromversorgung über eine Oberleitung, welche über die rechte Fahrspur auf Autobahnen gespannt wird. Die Ausrüstung des Kernautobahnnetzes (A 1 – A 10, 5700 km) soll etwa 11,5 Mrd. Euro kosten. In Verbindung mit einer Teilautomatisierung kann der E-Highway einen noch nie erreichten Effizienzgrad des Güterverkehrs bei einer gleichzeitig sehr hohen Versorgungssicherheit erzielen.

Der Online-Handel wächst unaufhaltsam Tag für Tag weiter und mit ihm die Zahl der Transporte, die durchgeführt werden. Droht daher nicht ohnehin der Verkehrskollaps, wenn diese Entwicklung so weiter geht?

Randelhoff: Auch bei einem weiteren Wachstum des E-Commerce wird es meiner Meinung nach zu keinem Kollaps kommen. Im Vergleich zum stationären Handel punktet der E-Commerce heute vor allem über das breitere Angebot und die niedrigeren Preise. Sollte Deutschland sind in die Nähe eines Kollaps bewegen, werden zum einen die Preise für Transporte steigen und sich zum anderen die Lieferzeiten verlängern. Früher oder später wird sich ein Gleichgewicht einstellen, welches auch durch den Transportsektor und die Kapazität im Güterverkehr beeinflusst werden wird.

Gibt es alternative Konzepte für Verkehr und Infrastruktur, die das verhindern könnten?

Randelhoff: Der reine Zubau von Kapazität und ein einseitiger Fokus auf technologische Lösungen sind nicht zielführend, wie uns die Vergangenheit gezeigt hat. Einen positiven Effekt kann eine weitere intelligente Verknüpfung und Bündelung von Verkehren haben. Vielleicht benötigen wir auch eine Verlängerung der Standard-Versanddauer und stärkere Preissignale für prioritäre Verkehre mit kurzen Versandzeiten. Dies könnte die Auslastung von Verkehren weiter verbessern.

Wie wird sich die Transportbranche Ihrer Meinung nach bis 2025 verändert haben?

Randelhoff: Bestenfalls bringt die Digitalisierung entsprechende Effizienzgewinne und eine Stärkung intermodaler Verkehre mit sich. Die teilweise Automatisierung setzt sich auch außerhalb der Lager fort. Verkehr wird effizienter abgewickelt und somit ökologisch und sozial verträglicher. In der Bevölkerung ist ein Bewusstsein für die Wichtigkeit eines funktionierenden Verkehrsnetzes gewachsen und die Finanzierung sichergestellt.

Schlimmstenfalls haben wir 2025 das genaue Gegenteil: Eine weiterhin unterfinanzierte Infrastruktur mit täglichen Sperrungen, volkswirtschaftliche Verluste in Milliardenhöhe durch Umleitungen und Stauzeitverluste sowie einer abnehmenden Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Der Fokus ist weiterhin einseitig auf den Straßengüterverkehr ausgerichtet, Fahrer werden mit Dumpinglöhnen und über einen enormen Zeitdruck ausgebeutet, die Verkehrssicherheit sinkt. Wünschen wir uns lieber das Beste!

Selbst ist der KEP-Dienst

Sogar KEP-Dienste wie die Deutsche Post DHL mischen mittlerweile bei der Entwicklung zukünftiger Transportmittel mit. Ende letzten Jahres hat das Unternehmen Streetscooter, ein ehemaliges Start-up aus dem Umfeld der RWTH Aachen, übernommen. Streetscooter arbeitet an der Entwicklung wirtschaftlicher Elektroautos, die unter anderem auf der letzten Meile zum Einsatz kommen sollen. Das speziell für diesen Einsatzzweck konzipierte Modell „Work“ ist bereits seit Anfang 2014 bei der Post im Einsatz. Die Zusammenarbeit der beiden Unternehmen begann aber bereits 2011 mit der Entwicklung eines auf die Bedürfnisse der Post zugeschnittenen Elektrofahrzeugs. Sie hat sich mittlerweile aber auch auf andere Bereiche wie zum Beispiel Pedelec oder Trike ausgeweitet. Auch zukünftig strebt der Konzern an, bei der Weiterentwicklung der Fahrzeuge eng mit der RWTH Aachen zusammenzuarbeiten. Der erste Prototyp des Streetscooter für die Deutsche Post wurde 2012 vorgestellt, eine erste Vorserie wird seit 2013 genutzt. Im Rahmen des Pilotprojekts „CO2-freie Zustellung Bonn“ stellt die Post die gesamte Brief- und Paketzustellung am Sitz der Firmenzentrale bis 2016 auf Elektromobilität um.

Aus alt mach neu

UPS geht einen anderen Weg und lässt mit dem P45E eine neue Serie gebrauchter Paketzustellfahrzeuge durch Elektrofahrzeuge Schwaben (EFA-S) von Diesel- auf Elektroantrieb umrüsten. Die Fahrzeuge sind bereits auf französischen und deutschen Straßen unterwegs. Basis des P45E ist ein Mercedes-Sprinter mit UPS-typischem Spezialaufbau. Seit Ende Oktober 2014 werden die ersten beiden P45E in Toulouse eingesetzt. In Deutschland nutzt UPS bereits seit 2010 umgebaute 7,5-Elektroautos mit der Bezeichnung P80E.

Stärker noch als jede andere Art des Transports ist der Seeverkehr mit dem Bild rauchender Schlote verbunden. Die Ozeanriesen verbrennen Tag für Tag unfassbare Mengen an Öl, um Waren rund um den Globus zu liefern. Doch hat ein Umdenken eingesetzt und Forschungskonzepte sollen den Weg in die Zukunft zeigen – auch wenn viele wie ein Blick in die Vergangenheit wirken, wie Prof. Carlos Jahn, Leiter des Fraunhofer-Centers für Maritime Logistik und Dienstleistungen CML, weiß: „Natürlich will man auch im Schiffsbetrieb den Treibstoffverbrauch senken, immerhin ist dieser für einen entscheidenden Teil der Kosten verantwortlich. Um das zu erreichen, sehen wir immer häufiger Lösungen, die auf Segel zurückgreifen. Dazu gehören Segelsysteme, die als Hilfe parallel zum traditionellen Antrieb eingesetzt werden und den Treibstoffverbrauch signifikant verringern.“

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Segel mal anders

Das E-Ship 1 der Firma Enercon verfolgt diesen Ansatz und ist bereits seit einigen Jahren auf den Weltmeeren unterwegs. Es verfügt neben den Dieselaggregaten über einen Antrieb mittels sogenannter Flettner-Rotoren. Hierbei wird ein rotierender Zylinder der Windströmung ausgesetzt. Durch den Magnus-Effekt entsteht eine Kraft quer zur Anströmung, die das Schiff nach vorne treibt. So soll dem Unternehmen zufolge eine Treibstoffersparnis von bis zu 25 % im Vergleich zu Frachtschiffen gleicher Größe möglich sein.

Etwas konventioneller kommen da Zugdrachensysteme, wie sie zum Beispiel von Skysails entwickelt wurden, daher. Die Drachen können sowohl auf neuen als auch auf bestehenden Schiffen als zusätzlicher Antrieb genutzt werden und sollen den Treibstoffverbrauch deutlich senken. Die Zugdrachen für Schiffe operieren in Höhen zwischen 100 und 500 m, in denen dem Unternehmen zufolge stärkere und stetigere Winde vorherrschen. So ist laut NASA der Energieertrag des Windes in 2000 Fuß Höhe um das 8- bis 27-fache größer als in Bodennähe. Auch der dynamische Flug, zum Beispiel in Form einer liegenden acht, ist ein Vorteil der Skysails. Auf diese Weise können sie im Vergleich zu normalen Segeln pro Quadratmeter Fläche das 5- bis 25-fache an Vortriebskraft erzeugen.

Getragen von Wind und Gas

Ein gänzlich anderes Konzept stellt die Vindskip des norwegischen Unternehmens Lade AS dar. Zu den Besonderheiten der Vindskip zählt laut Terje Lade, dem Kopf hinter dem Projekt, der Rumpf des Frachters, der als Segel dient. Auf diese Weise soll die Vindskip vor allem auf dem offenen Meer vom Wind angetrieben werden. Bei Flaute, um das Schiff aufs Meer zu manövrieren und um eine konstante Geschwindigkeit halten zu können, soll unter anderem ein Flüssiggas-Antrieb (Liquid Natural Gas, LNG) zum Einsatz kommen. Durch diese Kombination beträgt der Treibstoffverbrauch nur 60 % des Verbrauchs eines herkömmlichen Schiffs. Bei den Abgasen sind es sogar bis zu 80 % weniger, so Lade. Der Antrieb hierfür stammt von der britischen Motorenschmiede Rolls-Royce, die auch an anderer Stelle an neuen Schifffahrtskonzepten tüftelt. Das Traditionsunternehmen sieht den Gütertransport zur See als perfekten Markt für unbemannte Fahrzeuge. Dabei gibt es verschiedene Ideen, die von ferngesteuerten bis zu komplett autonomen Schiffen reichen. Das größte Forschungsprojekt zu diesem Thema ist Prof. Jahn zufolge das von der EU kofinanzierte Munin (Maritime Unmanned Navigation through Intelligence in Networks). Schon im Sommer 2015 soll das unter Projektleitung des Fraunhofer-CML erarbeitete Konzept für autonome Frachtschiffe in einer Simulation überprüft werden.

Verbesserungen Schritt für Schritt

Das man den Wandel in der Schifffahrt auch mit kleinen Schritten beginnen kann, zeigt Hapag-Lloyd. Die Reederei, die unter anderem Teil der Maritimen LNG Platform ist, wurde für ihr Projekt „emissionsfreie Stromversorgung in Häfen“ unter anderem mit dem Nachhaltigkeitspreis Hanse Globe ausgezeichnet. „Zunächst verfolgen wir die mittelfristigen Ziele der kalifornischen Gesetzgebung auch in 2017 und 2020 zu entsprechen, der Anteil der Schiffsanläufe mit Landstromverbindung in kalifornischen Häfen wird sich zunächst auf 70 % und schließlich auf 80 % erhöhen. Letztendlich geht es um die Gesundheit der betroffenen Bürgerinnen und Bürger in den Hafenregionen“, erklärt Nils Haupt, Senior Director Group Communications bei Hapag-Lloyd. Durch die Versorgung der Seeschiffe mit Landstrom können die Hilfsdieselmotoren während der Hafenliegezeiten abgeschaltet und somit die Emissionen von Schwefeldioxid, Stickstoffoxid und Lärm in Hafennähe reduziert werden.

Wir wird sich die Transportbranche auf der Straße und dem Wasser also in den nächsten zehn Jahren verändern? Was den Straßenverkehr angeht, ist Dr. Michael Ruf von Continental hier durchaus optimistisch: „Wenn die Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen und der jeweiligen Soft- und Hardwarelösungen so schnell vorankommt wie erwartet, werden die ersten Lkw mit voll automatisierten Fahrfunktionen bis zum Jahr 2025 auf die Straße kommen, zum Beispiel in Form von Lkw-Kolonnen auf speziell ausgerüsteten Autobahnabschnitten (sogenanntes Platooning).“

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Alternative Antriebe werden allerdings noch etwas länger brauchen, um sich durchzusetzen, gibt David Rüdiger vom Fraunhofer-IML zu bedenken: „Diese werden in zehn Jahren auch noch eine untergeordnete Rolle spielen. Hier wird es einfach deutlich mehr Zeit benötigen, um eine flächendeckende Infrastruktur aufzubauen.“ Ähnlich sieht es sein Kollege Prof. Carlos Jahn vom Fraunhofer-CML mit Blick auf den Seetransport: „Der Schiffsverkehr insgesamt wird grundsätzlich dem heutigen entsprechen. Viele Schiffe, die heute auf den Weltmeeren fahren, werden auch 2025 noch im Einsatz sein. Nichtsdestoweniger zeichnen sich einige Veränderungen bereits ab. So werden zum Beispiel mehr Großschiffe unterwegs sein und es wird auch mehr Schiffe geben, die mit weniger Emissionen betrieben werden. Das gilt besonders für die SECA-(Sulphur Emission Control Area)-Gebiete, wo mehr Schiffe mit LNG, mit Abgasreinigungsanlagen (Scrubber) oder mit schwefelreduziertem Treibstoff verkehren werden.“ ■

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