EU-Krisenmanagement EU-Kommission will Produktion in Krisen steuern können
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Planwirtschaft? Im Fall von Krisen wie der Coronapandemie oder dem Ukrainekrieg will die EU-Kommission Unternehmen künftig Produktionsvorgaben machen können, wie heute verlautet wurde.

Konkret gehe es etwa darum, bestimmte Aufträge für die Produktion „krisenrelevanter Güter“ bevorzugt zu behandeln. Das geht aus einem Gesetzentwurf hervor, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zunächst sollen Unternehmen dies allerdings auf freiwilliger Basis machen.
Akzeptieren sie die Empfehlungen aber nicht, könnte die Kommission die Unternehmen unter, wie es heißt, „außergewöhnlichen Umständen“ verpflichten, bestimmte Aufträge vorrangig zu behandeln. Das übergeordnete Ziel des Vorhabens sei es, Reisefreiheit, freien Warenverkehr und das Funktionieren des Binnenmarktes zu schützen.
Unternehmen müssen gegebenenfalls auch Reserven anlegen
Den EU-Staaten soll im Extremfall auch vorgegeben werden können, Reserven von wichtigen Gütern anzulegen. Auch dabei ist zunächst unklar, um welche Güter es da genau geht. Im Entwurf heißt es lediglich: Waren und Dienstleistungen von strategischer Bedeutung seien solche, die „nicht diversifizierbar und nicht austauschbar sind. Und jene, die für das Funktionieren des Binnenmarktes in strategisch wichtigen Bereichen der Wirtschaft unerlässlich sind.“ An dem nun bekanntgewordenen Entwurf könne sich noch einiges ändern. So wurde er zum Beispiel noch nicht formell von der EU-Kommission vorgestellt.
Kommissionschefin Ursula von der Leyen betonte die Notwendigkeit, Zulieferketten breiter aufzustellen: „Ich würde sehr klar davon Abstand nehmen, dass wir Mikrovorschriften machen. Das ist nicht die Aufgabe der Europäischen Kommission.“ Aus der Erfahrung der Coronapandemie sei es aber nötig, sich bei bestimmten krisenhaften Entwicklungen frühzeitig miteinander darüber abzustimmen.
Drei Phasen der Krisenprävention sind geplant
Nach derzeitigem Stand ist vorgesehen, dass das Kabinett von der Leyen in gut zehn Tagen eine Entscheidung trifft. Zudem müssten EU-Staaten und EU-Parlament als Gesetzgeber noch einen Kompromiss aushandeln. Dies dauere in der Regel mehrere Monate, in manchen Fällen aber auch deutlich länger. Generell sehe das Vorhaben drei Phasen vor: Notfallplanung, Wachsamkeitsmodus und Notfallmodus. Zwangsmaßnahmen für Unternehmen sollen erst möglich sein, wenn der Notfallmodus ausgerufen sei. Dies kann etwa der Fall sein, wenn es bereits zu schwerwiegenden Störungen im Binnenmarkt gekommen ist. Der Notfallmodus soll zudem auf sechs Monate begrenzt sein, wie die Politik verspricht.
Im Europaparlament sind die Meinungen geteilt
Im Europaparlament erzeugt das Vorhaben aber schon gemischte Reaktionen. So lobt die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Nicola Beer (FDP), Teile der Pläne. Jeder Baustein für eine robustere und krisenfestere EU sei willkommen, sagte sie. Allerdings sehe sie zusätzliche Informationspflichten für Unternehmen sehr kritisch.
Der CDU-Abgeordnete Andreas Schwab begrüßt, dass die Kommission den Instrumentenkasten für Krisen erweitere. Lagen wie zu Beginn der Pandemie, als Deutschland den Export von medizinischen Geräten nach Italien unterband und Ungarn medizinisches Personal nicht ausreisen ließ, dürften sich nicht wiederholen. Kritisch sieht er aber die Absicht, Vorgaben für die Unternehmen zu formulieren.
Die Grünen-Politikerin und Vorsitzende des Binnenmarktausschusses Anna Cavazzini begrüßt die Pläne. Sie wünsche sich aber einen stärkeren Schutz der Reisefreiheit. Dinge wie geschlossene Grenzen und getrennte Familien und Paare dürften sich nicht wiederholen.
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