Haftung Falschparken des Staplers ist eine Gefahrenlage
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Fahrer, die ihren Gabelstapler auf einer öffentlichen Fläche zeitweise parken, laufen – neben dem Arbeitgeber – ebenfalls Gefahr, in die Haftungsfalle zu tappen. So geschah es im vorliegenden Fall, der gerichtlich eskalierte.

Immer wieder kommt es vor, dass ein Lkw nicht direkt auf dem Firmengelände entladen werden kann. Dies hat mehrere Ursachen. Ein Grund liegt darin, dass viele Einzelhandelsunternehmen über keine ausreichenden Außenflächen auf dem Grundstück verfügen, um den Lkw von öffentlichen Flächen entfernt entladen zu können. Eine weitere Ursache kann darin liegen, dass der Lkw zu groß ist, um dem Empfänger das anzuliefernde Gut auf dessen Betriebsgelände zu übergeben.
Hinter der Einfahrt befand sich der Betriebshof des Empfängers, der eine Lkw-Ladung erwartete. Vor dem Firmengelände befand sich ein 1,60 Meter breiter asphaltierter Gehweg, der nicht zum Firmengelände gehörte. Der Gabelstaplerfahrer wollte mit einer weiteren Person, dem späteren Zeugen „L“, den Lkw, der auf der öffentlichen Straße parkte, entladen. Vor Beginn der Entladung stellte er den Gabelstapler ab, um zum Betriebshof zurückzugehen. Der Fahrradfahrer, der spätere Kläger, verließ wegen des parkenden Lkw die Straße, um auf dem Gehweg weiterzufahren. In Höhe des Firmengeländes stürzte der Fahrradfahrer und verletzte sich schwer. Er trug einen Bruch des fünften Halswirbels und des Nasenbeins, etliche Platzwunden sowie ein Schädelhirntrauma ersten Grades davon.
Gabelzinken schlecht erkennbar
Der Fahrradfahrer reichte eine Feststellungsklage auf Schadensersatz beim Landgericht (LG) Saarbrücken ein. Er sei der Meinung gewesen, dass der Gabelstaplerfahrer grob fahrlässig gegen § 30c Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen habe. Denn die Zinken des Gabelstaplers, die in den Gehweg hineinragten, seien ursächlich für den Schadensfall gewesen. Das LG verneinte eine Haftung der Beklagten. Der Kläger zog vors Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken, das am 11. Februar 2021 die Auffassung vertrat, dass das LG zu Unrecht eine Haftung zurückgewiesen habe (AZ: 4 U 8/29). Dem Kläger stehe gegenüber den Beklagten, die gesamtschuldnerisch haften, ein Schadensersatzanspruch zu.
Allerdings meinte das OLG ebenso, dass der Kläger einen Haftungsanteil von 50 Prozent zu stemmen habe. Der Gabelstaplerfahrer hafte gemäß § 823 Absatz 1 und § 823 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit § 229 Strafgesetzbuch. Der Arbeitgeber hafte ebenfalls gemäß § 831 Absatz 1 Satz 1 BGB. Der Flurförderzeugführer habe seine allgemeine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Dies deshalb, weil er das Flurförderzeug auf einer öffentlichen Verkehrsfläche abstellte, ohne dieses vor dem Verlassen zu sichern. Die Zinken des Gabelstaplers ragten circa 10 bis 15 Zentimeter in den Gehweg hinein und der Höhe nach um circa 15 Zentimeter über dem Boden.
Zudem stellte das OLG fest, dass sich, farblich betrachtet, die Metallzinken kaum vom Boden des Gehwegs unterschieden. Obwohl zum Unfallzeitpunkt die Sichtverhältnisse gut gewesen seien, so die weiteren Feststellungen, seien die Zinken „schlecht erkennbar“ gewesen. Der Staplerfahrer sei zum Unfallzeitpunkt nicht anwesend gewesen. Trotzdem sei er nach § 23 Absatz, Satz 1 StVO als Fahrer des Gabelstaplers einzuordnen. Damit sei er verpflichtet gewesen, dass sich der Stapler in einem „vorschriftsmäßigen“ sowie „verkehrssicheren Zustand“ befinde. Anders als das LG meinte, sagte das OLG, dass der Staplerfahrer schuldhaft gegen die generelle Verkehrssicherungspflicht nach § 823 Absatz 1 BGB verstoßen habe. Derjenige, der eine Risikolage schaffe, sei verpflichtet, notwendige und zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um Schäden Dritter zu verhindern. Diesen Sorgfaltsanforderungen sei der Staplerfahrer nicht gerecht geworden, so das OLG. Denn die Zinken des Gabelstaplers ragten in den Gehweg. Damit sei nicht nur für den verunfallten Kläger, sondern auch für Fußgänger eine Risikolage herbeigeführt worden.
„Aufpassen“ ist zu pauschal
Der Staplerfahrer sei seiner Sicherungspflicht auch nicht dadurch nachgekommen, indem er den Lkw-Fahrer, den Zeugen „L“, beauftragte, aufzupassen, als er sich von seinem Stapler für kurze Zeit entfernte, um zum WC zu gehen sowie eine „kleine Pause“ einzulegen. Die vorstehende Anweisung, auf den Stapler zu achten, sei zu pauschal gewesen, so das Gericht, um erfolgreich andere Verkehrsteilnehmer auf die Risikolage hinzuweisen. Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass es dem Fahrer möglich gewesen wäre, den Stapler auf dem unmittelbar nahe gelegenen Firmengelände abzustellen. Darüber hinaus wäre es ihm möglich gewesen, einen Pylon aufzustellen oder mit einem farbigen Flatterband auf die Gefahrenlage hinzuweisen.
Diese offensichtlichen und ohne Probleme umsetzbaren Maßnahmen der Risikoabwehr habe der Gabelstaplerfahrer nicht vorgenommen. Damit verletzte er, so das Gericht, in grob fahrlässiger Art und Weise die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht. Damit lag das OLG im Dissens mit der Rechtsauffassung des LG, das meinte, dass der Fahrer nicht verpflichtet gewesen sei, seine Sicherungsmaßnahmen auf den Fahrradverkehr auszurichten, weil der verunglückte Radler den Gehweg gemäß § 2 Absatz 1 und 4 StVO rechtswidrig befahren habe. Allerdings wirkte sich anspruchsmindernd aus, dass der Fahrradfahrer verbotswidrig den Fahrradweg befahren habe. Der Schadensersatzanspruch sei aber nicht in Gänze ausgeschlossen, wie das LG meinte, sondern gemindert, so das OLG.
Notwendige Sorgfalt nicht bewiesen
Die Geschwindigkeit des Fahrradfahrers hatte das Gericht ebenfalls unter die Lupe genommen. Dazu lag lediglich eine Schätzung des Zeugen „L“ vor, der den Radfahrer „mit hohem Speed“ wahrgenommen habe. Dagegen erklärte der Kläger vor Gericht, dass er mit „8 bis 12“ Kilometern pro Stunde unterwegs gewesen sei. Für die Behauptung einer höheren Geschwindigkeit seien die Beklagten beweisverpflichtet, jedoch beweisschuldig geblieben, so das OLG. Im Ergebnis sei festzustellen, dass die Grundlage fehle, dass der Radfahrer „deutlich über Schrittgeschwindigkeit“ gefahren sei. Weiter meinte das Gericht in Abweichung von der LG-Auffassung, dass der Arbeitgeber ebenfalls hafte, denn der angestellte Staplerfahrer sei sein Erfüllungsgehilfe gewesen. Dem Arbeitgeber sei es nicht gelungen, zu beweisen, dass er seinen angestellten Staplerfahrer mit der notwendigen Sorgfalt ausreichend überwachte.
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