Kommissionieren Fehlerfrei kommissionieren mit Poka Yoke

Autor / Redakteur: Rupert Reif / Volker Unruh

Dem Kommissionieren kommt in der Logistik eine Schlüsselrolle zu. Die dabei ablaufenden Prozesse sind zwar potenziell fehleranfällig, bieten aber auch erhebliche Optimierungsmöglichkeiten – oft mit einfachen Strategien und kostengünstigen Kommissionierhilfen. Hauptsache, es werden „dumme“ Fehler vermieden. Poka Yoke nennt das der Japaner.

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Die Kommissionierung, einer der wichtigsten Prozesse in der Logistik, gewinnt durch die steigende Individualisierung der Produkte und die damit einhergehende Variantenvielfalt sowie sinkende Auftragsgrößen weiter an Bedeutung. Je nach Unternehmen und Branche macht die Kommissionierung 40 bis 50% der Logistikkosten aus. Bildeten bisher die Kosten zusammen mit den Faktoren Zeit und Qualität das magische Dreieck der Logistik, wird ein vierter Aspekt zunehmend wichtiger, mit dem sich dieses Dreieck folgerichtig zu einem Viereck erweitert: die Flexibilität.

Durch Flexibilität wird das logistische Dreieck zum Viereck

Die geforderte Flexibilität bedingt den Einsatz des Menschen, der mit seinen sensomotorischen Fähigkeiten automatisierten Lösungen in vielen Bereichen überlegen ist. Dies zeigt sich vor allem in der Kommissionierung, die mit 25% einen nur geringen Automatisierungsgrad aufweist [1]. Allerdings kann der Mensch nicht über den gesamten Arbeitstag hochkonzentriert arbeiten und ist somit fehleranfällig.

Deshalb gilt es, ihm die benötigten Informationen optimal darzustellen und ihn bei den Prozessen bestmöglich zu unterstützen. Dazu kann Poka Yoke als ein wesentlicher Bestandteil des „Lean Thinking“ verwendet werden.

Kommissioniersysteme bauen auf Poka Yoke

Der japanische Ausdruck Poka Yoke bedeutet so viel wie „dumme Fehler vermeiden“, und zwar bereits am Ort und zum Zeitpunkt ihrer Entstehung [2]. Die Kommissionierlösungen der Safelog GmbH beruhen auf diesem Prinzip und zielen auf die Verbesserung aller vier Ecken des magischen Vierecks.

Die Kommissionierung erfolgt für die Materialbereitstellung in der Produktion oder die Zusammenstellung der Kundenaufträge in der Distribution. In der Produktion werden die Sets mit den für den entsprechenden Montageschritt benötigten Bauteilen in sogenannten Supermärkten bandnah kommissioniert. Dies sind kleine Lagerbereiche, in denen eine geringe Anzahl an teilweise variantenreichen Bauteilen in Durchlaufregalen bereitgestellt ist.

Der Poka-Yoke-Gedanke wird in diesem Beispiel durch den Einsatz von Pick-by- oder Put-to-Light mit Sensorüberwachung der Entnahme- und Ablageorte sowie einer durch RFID überwachten Prozessführung umgesetzt (Bild 1). Die erste Fehlerquelle ist der Nachschub, der von hinten in die Regale erfolgt. Zur Fehlervermeidung wird der Ladungsträger gescannt und am entsprechenden Regalfach leuchtet eine Lampe auf.

Beim Einschieben des Ladungsträgers ins Regal wird der hochauflösende Laservorhang, der jedes Lagerfach der gesamten Regalfront einzeln überwacht, unterbrochen. Handelt es sich um das richtige Lagerfach, wechselt die Lampe die Farbe und der Nachschub wird quittiert. Die Entnahme erfolgt nach dem gleichen, patentierten Prinzip.

Lampenfarbe hilft dem Kommissionierer, Fehler zu vermeiden

Beim Start des Auftrags leuchten entweder die Lampe am Lagerfach der ersten Position oder alle Lampen für alle Positionen des Auftrags (Bild 2a – siehe Bildergalerie). Durch die Entnahme aus dem richtigen Fach wird diese automatisch quittiert und die Lampe wechselt die Farbe.

Die Menge wird über Displays am Lagerfach abgelesen, durch eine Mehrfachentnahme oder eine Waage am Kommissionierwagen überwacht. Am Kommissionierwagen befinden sich mehrere Ablagefächer, weil mehrere Aufträge parallel bearbeitet werden (Bild 2b).

Die Ablage in das richtige Fach erfolgt nach dem gleichen Prinzip. Am Ablageort sind eine Lampe und Lichttaster zur Überwachung angebracht (Bild 2c). Stellt das System eine falsche Bestückung, Entnahme oder Ablage fest, ertönt ein Warnton und der nächste Prozessschritt wird blockiert.

Kommissionieren wird per RFID überwacht

Der Kommissionierprozess wird durch die Einteilung der Kommissionierzone in Schritte und per RFID überwacht. Jeder Kommissionierwagen ist durch einen Transponder eindeutig gekennzeichnet und wird über eine Schiene, die ihn auch mit Energie und Daten versorgt, geführt.

Beim Start wird der Wagen mit den Aufträgen verheiratet. Zu Beginn jedes Schrittes, in dem immer nur ein Kommissionierer arbeitet, erfolgt eine Überprüfung.

Bei Poka Yoke ist der Mensch der entscheidende Faktor

Durch Picklampeneinsatz und Papierverzicht werden Bereitstellung und Verfügbarkeit von Informationen deutlich vereinfacht. Der bedeutendste Effekt auf die Kommissionierzeit ist allerdings die Einsparung von Wegen durch die parallele Kommissionierung mehrere Aufträge. Dass schnelle und fehlerfreie Kommissionierung keine gegensätzlichen Ziele sind, zeigt die Anzahl der Kommissionierfehler, die sich durch diesen Poka-Yoke-Ansatz im Vergleich zu papierbasierten Systemen um 80% bis 95% verringert. Dadurch und durch die hohe Kommissionierleistung pro Mitarbeiter werden Amortisationszeiten von deutlich unter einem Jahr erreicht.

Der einfache Aufbau führt auch dazu, dass die Anlage schnell umgebaut oder problemlos erweitert werden kann. Ein Grund dafür ist der Einsatz von geeigneten Techniken, die den Verkabelungsaufwand bei den Picklampen und den Kommissionierwägen gering halten. Dies führt zu einer hohen Flexibilität im Aufbau der Anlage. Eine hohe Durchsatzflexibilität wird dadurch erreicht, dass problemlos weitere Mitarbeiter mit Kommissionierwägen eingesetzt werden können. Durch konsequentes Vermeiden von nichtwertschöpfenden Tätigkeiten erzielen diese Pick-by-Light-Anlagen somit an allen vier Ecken des magischen Vierecks Verbesserungspotenziale.

Poka Yoke wird immer öfter eingesetzt

Supermärkte werden vor allem in Serienfertigungen wie in der Automobilindustrie eingesetzt, finden ohne Kommissionierwägen aber auch in Kommissioniernestern für die Abarbeitung von Schnelldrehern in der Distributionslogistik Verwendung. Ein neuer Ansatz ist der Einsatz von Poka Yoke in der klassischen Mann-zur-Ware-Kommissionierung in Flächenlagern. Allen Lösungen ist gemein, dass der Mensch der entscheidende Faktor bleibt, um die Anforderungen eines modernen Kommissioniersystems zu meistern. Poka Yoke hilft ihm dabei.

Literatur

[1] Straube,F.; Pfohl, H.-Ch.; Günthner, W. A.; Dangelmaier, W.: Trends und Strategien in der Logistik. Hamburg: DVV Media Group GmbH, 2005.

[2] Shigeo Shingo: Zero Quality Control: Source Inspection and the Poka-yoke System. Cambridge: Productivity Press, 1986.

Dr.-Ing. Rupert Reif ist Konzeptplaner und Berater bei der Safelog GmbH in 85551 Kirchheim.

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