Distribution Filialversorgung aus dem Zentrallager

Redakteur: Volker Unruh

Ein ganzheitliches Materialflusskonzept, leistungsstarke Anlagenkomponenten, ergonomische Arbeitsplätze und ein optimal zugeschnittenes Lagerverwaltungssystem sorgen dafür, dass die Abläufe im größten Distributionszentrum Dänemarks mit drei verknüpften Hochregallagern und zwei automatischen Kleinteilelagern koordiniert und effizient ablaufen.

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Effiziente Systemtechnik sowie eine zukunftsorientierte Anlagen- und Materialflusskonzeption sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren bei der Erstellung und Einrichtung moderner Distributionszentren. Insbesondere dann, wenn spezielle Vorgaben des Anwenders und – etwa bei Projekten außerhalb Deutschlands – besondere gesetzliche Bestimmungen seines Heimatlandes zu berücksichtigen sind. Beispiel: der dänische Möbelhersteller Jysk, in Deutschland bekannt als Dänisches Bettenlager.

SSI Schäfer Noell bekommt Zuschlag als Generalunternehmer

Vor wenigen Monaten hat der europäische Marktführer für Artikel im Schlaf-, Bad- und Wohnbereich in Uldum, nördlich von Vejle in Ostjütland, sein neues Zentrallager für seine 170 Shops in Dänemark, Norwegen, England und den Niederlanden in Betrieb genommen. Mit drei kombinierten Hochregallagern und zwei gekoppelten automatischen Kleinteilelagern (AKL) entstand dort das mit rund 200 Arbeitsplätzen und 1,43 Mio. m³ größte Logistiklager Dänemarks. Die so vorgenommene Zusammenführung von ehemals vier Standorten verfolgte die Ziele:

  • höhere Versorgungssicherheit durch Lagerung und Zugriff auf alle Artikel an einem Standort,
  • Geldeinsparungen durch Rationalisierung der Prozesse und
  • den gesetzlichen Anforderungen nach Ergonomie zum Nutzen der Mitarbeiter entgegenkommen.

Der Status quo moderner Lager- und Fördertechnik

Den Zuschlag als Generalunternehmer für das Logistikkonzept und die schlüsselfertige Erstellung des gigantischen Objekts erhielten nach einer internationalen Ausschreibung die Intralogistik-Spezialisten von SSI Schäfer in Giebelstadt. SSI Schäfer, urteilt Troels Larsen, Logistikprojektleiter des neuen Jysk-Zentrallagers, sei ein pragmatischer Lieferant, der sein Verständnis dafür bewiesen habe, dass bei einem solch gewaltigen Projekt nicht alles von vornherein planbar sei, sondern dass sich viele Aspekte einer effizienten Lösung erst während des Projektverlaufs herauskristallisierten.

Aufgrund der Größe des Projekts und einer im europäischen Vergleich andersartigen Auslegung zentraler Regeln habe man einen Realisierungspartner gebraucht, mit dem man gemeinsam sowohl die Vorgaben etwa hinsichtlich Feuerschutz und Arbeitsklima als auch die Vorstellungen der Anlagenproduktivität habe verwirklichen können. Das sei hier mit SSI Schäfer sehr gut gelungen, so Larsen.

Jysk-Zentrallager hat gewaltige Dimensionen

Das Jysk-Zentrallager ist eine Anlage mit riesigen Dimensionen, die alles aufbietet, was moderne Lager- und Fördertechnik zu bieten hat: 42 000 m² Wandfläche weisen allein die drei Hochregallager mit jeweils knapp 136 m Länge, 54 m Breite und 39 m Höhe auf. Fast 3,5 km Palettenfördertechnik und Rollenbahnen, 41 Auf- und Abgabestationen, 55 Eckumsetzer, 20 Verschiebewagen, zwölf Palettenstapler, drei Senkrechtförderer sowie etliche Prüfstationen, Palettenwender, Drehrollenbahnen und 21 Regalbediengeräte bilden das Gerüst des Palettentransports; hinzu kommen in den drei Hochregallagern 134 000 Stellplätze für Norm- und Großpaletten mit bis zu 1500 kg Gewicht.

Für die Ver- und Entsorgung der 30 000 Tablar-Stellplätze in den zwei je 45 m × 28 m × 14 m großen automatischen Kleinteilelagern und deren Kommissionierplätze hat SSI Schäfer zudem Gurt-, Riemen- und Rollenförderer mit einer Gesamtlänge von über 1,7 km installiert. Dazu kommen noch 200 Riemenausschleuser, sechs Kurvenrollenförderer sowie zwei Stapel- und eine Entstapelmaschine und weitere zwölf Regalbediengeräte im automatischen Kleinteilelager.

Brandschutz stellt besondere Herausforderungen

Dimensionen, die nicht nur die Planer des Materialflusskonzepts vor große Herausforderungen stellten. Auch die vorhandenen behördlichen Auflagen waren darauf vielfach gar nicht ausgerichtet. Insbesondere beim Brandschutz und somit beim Design des Lagers musste vieles von oberster zentraler Ebene genehmigt werden. Viele Lösungsansätze waren wegen der Anlagengröße auch für SSI Schäfer Neuland, bekennt Projektleiter Gerhard Wolf. Mit der Realisierung habe man daher zugleich das Lösungs-Know-how vertiefen können.

Herausgekommen ist dabei ein ganzheitliches Konzept mit klar strukturierten, transparenten Warenflüssen und effizienten, durchgängig automatisierten Arbeitsprozessen, das die Anforderungen des Auftraggebers nach Maximierung von Lieferqualität, Reaktionsfähigkeit und Verfügbarkeit auch in Spitzenzeiten sowie Reduzierung von Fehlerquoten, Lager- und Personalkosten optimal verwirklicht hat. Das betrifft nicht allein den speziellen Brandschutz an Baukörper und Förderstrecken.

An allen Arbeitsplätzen wurden besonders auch ergonomische Aspekte berücksichtigt. So sind beispielsweise im Wareneingang Scherenhubtische in den Hallenboden eingelassen, und überall, wo Lasten zu heben sind, stehen zur Entlastung der Mitarbeiter Vakuumheber bereit.

Arbeitsflächen auf zwei Ebenen angeordnet

Besonderes Highlight der Anlagen- und Materialflusskonzeption ist allerdings die konsequent verfolgte Architektur der Arbeitsflächen auf zwei Ebenen. Auf Rampenebene befinden sich in dem neuen Logistikzentrum Warenein- und -ausgang inklusive Stretch-Verpackungsmaschinen sowie Bereiche für die Bodenlagerung etwa von Anbruchpaletten der Kommissionierung.

Auf dieser Ebene erfolgen zudem die Palettierung der Kartonware, die Prüfung und gegebenenfalls der Austausch von Leerpaletten sowie die Ein- und Auslagerungsprozesse zur Kommissionierung aus den Hochregallägern. Für die entsprechenden Transporte zwischen der vorgelagerten Fördertechnik auf Hallenebene und den drei Hochregallägern ist ein Monorail eingebunden. Es besteht aus drei individuellen Kreiseln, die für effiziente Materialflussoptionen untereinander verknüpft sind.

Auf der zweiten, 3,20 m darüber installierten Ebene erfolgt die Klarmachung für die Ersteinlagerung in die Hochregallager, die Depalettierung und die Kommissionierung. Außerdem sind auf dieser Ebene die Behälterfördertechnik und die AKL-Prozesse integriert – hohe Effizienz bei optimaler Raumausnutzung.

Die Abläufe: Pro Tag werden 4500 Europaletten, Transportplattformen und Gitterpaletten zur Einlagerung angeliefert – 30% Lkw-Anlieferung, 70% in Containern. Die Entladung der Lkw im Wareneingang erfolgt mit Hilfe von Teleskopförderern und mit Vakuumliftern, die nach Bedarf in das Innere der Ladefläche vorgezogen werden können.

Die Kartonagen werden im Wareneingangsbereich mit Vakuumliftern auf die in den Boden eingelassenen Scherenhubtische palettiert, an die Palettenfördertechnik übergeben und nach Vereinnahmung, IT-Erfassung und Konturenprüfung im Hochregallager eingelagert. 567 verschiedene großvolumige Artikel gehen so täglich über die Palettenfördertechnik. An Übergabepunkten im Hochregallager übernehmen Regalbediengeräte die Paletten. Alle Regalbediengeräte sind mit vier Teleskopgabeln ausgestattet, mit denen sie gleichzeitig zwei Euro- oder eine Bigbox-Palette aufnehmen können. Dabei erzielen sie eine Ein- und Auslagerungsleistung von knapp 450 Doppelspielen pro Stunde.

Verteilung auf die drei Hochregallager erfolgt homogen

Die Verteilung auf die drei Hochregallager erfolgt homogen. Eingelagert wird doppelttief chaotisch, wobei je nach Jahreszeit Saisonartikel weiter vorn gelagert werden. In die 21 Hochregallager-Gassen kommen vor allem schwere und langsamdrehende Artikel sowie Massenartikel. Vor jedem der drei Hochregallager ist ein A-Läufer-Puffer eingerichtet, der von einer Elektro-Palettenbahn gespeist wird und den Zugriff auf palettierte Schnellläufer ermöglicht. Alle drei Palettenbahnkreisel sind miteinander verbunden. Das Lagerverwaltungssystem von SSI-Schäfer und das angebundene Staplerleitsystem steuern die Prozesse.

Die 24 Umpack- und Kommissionierplätze befinden sich auf der Kommissionierbühne in der zweiten Ebene. Paletten, die zur Kommissionierung aus dem Hochregallager ausgelagert werden, gelangen über die Scherenhubtische auf die Kommissionierebene. Dort erfolgen in einem separaten Bereich die Depalettierung und die Bestückung der Trays für die Befüllung der AKL-Stellplätze sowie die Zusammenführung von Palettenwaren und Kleinteilen für die Auftragskommissionierung.

Gesteigerte Produktivität durch Automatisierung

1700 verschiedene Artikel fahren täglich über die Tablarfördertechnik. Daher sind die Arbeitsplätze auf der Kommissionierebene hinsichtlich Ergonomie und Gesundheitsschutz nach den strengen gesetzlichen Anforderungen in Dänemark gestaltet. In einem Arbeitsbereich, der mit modernen Hilfsmitteln wie Vakuumlifter ausgestattet ist, haben die Mitarbeiter Zugriff auf jeweils drei Paletten.

Parallel dazu erfolgt an den Arbeitsplätzen mit Zugriff auf drei Paletten und acht AKL-Trays die Auftragszusammenstellung von jeweils zwei Versandpaletten. Die Kommissionierung erfolgt durch Pick by Light. Weitere arbeitstechnische Besonderheit: Durch den Einsatz der Scherenhubtische ist die Palettenfördertechnik außerhalb des Kommissionierbereichs. Die Mitarbeiter können ohne Lärmbelästigung arbeiten. Zudem lassen sich die Paletten auf Knopfdruck anheben oder absenken, um in rückenschonender, körpergerechter Haltung zu arbeiten.

Zentrallager hat Kapazität von 60 000 kommissionierten Kollis pro Tag

Die kommissionierten Paletten werden auf den Scherenhubtischen abgesenkt, an die Palettenfördertechnik übergeben und einem Umwickler zugeführt, der für die Ladungssicherung sorgt. Dort werden die Paletten automatisch mit einem Versandetikett versehen. Abschließend erfolgt die Bereitstellung und gegebenenfalls Auftragszusammenführung mit Ganzpaletten im Warenausgang. Dieses Materialflusskonzept erlaubt es Jysk, das gesamte für Bevorratung, Kommissionierung sowie reihenfolgegerechte Zusammenstellen und Verladen der Aufträge erforderliche Handling in einem Lager und über alle Warengruppen hinweg zu realisieren.

Täglich können in zwei Schichten knapp 24 000 Orderlines bearbeitet werden. An einem großen Tag kommissionieren die Mitarbeiter bis zu 220 Aufträge mit mehr als 3000 Picks pro Stunde. Insgesamt hat das Zentrallager eine Kapazität von 60 000 kommissionierten Kollis pro Tag. Notfalls kann eine dritte Schicht eingesetzt werden.

Die rationale Automatisierung hat die Produktivität enorm gesteigert, so Larsen. Die Konzeption des neuen Distributionszentrums und die modernen Materialhantierungskomponenten werden die Ansprüche des dänischen Möbelherstellers auch langfristig erfüllen können. Zudem sind im Design schon Optionen hinsichtlich eventuell erforderlicher, weiterer Ausbaustufen berücksichtigt.

Wie Larsen betont, stoßen er und seine Kollegen nicht oft auf einen ausländischen Lieferanten, der die Philosophie von Jysk derart verinnerlichen und in adäquate Lösungen umsetzen kann. Daher hat Jysk die Giebelstädter bereits mit der Realisierung eines ähnlichen Projekts in Polen beauftragt, das sich derzeit in der Bauphase befindet.

Andrea Fellmann ist Marketingleiterin bei der SSI Schäfer Noell GmbH in 97232 Giebelstadt.

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