Automobillogistik Gewerkschaft treibt Logistiker in die Defensive

Redakteur: Robert Weber

Immer kompetent, immer flexibel und auf der Höhe der Zeit. So präsentieren sich die Logistikdienstleister gerne. Mit ihrem Vorstoß in die Logistikwelt hat die IG Metall die Dienstleister kalt erwischt. Der Kostenvorteil droht zu schwinden und auch die Autobauer müssen sich Gedanken über ihr Outsourcing-Modell machen.

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Blick in die Zukunft: So könnte es bald auch vor den Werkstoren einiger Logistikdienstleister aussehen. Auf diesem Bild sind es Metaller aus der Stahlindustrie, die ihrem Ärger Luft machen. (Bild: IG Metall)
Blick in die Zukunft: So könnte es bald auch vor den Werkstoren einiger Logistikdienstleister aussehen. Auf diesem Bild sind es Metaller aus der Stahlindustrie, die ihrem Ärger Luft machen. (Bild: IG Metall)

Sie sitzen im Halbdunkel, das grelle Scheinwerferlicht ist schon erloschen und das Mikrofon kreist. Eine kleine Gruppe von gut gekleideten Herren in dunklen Anzügen, maßgeschneiderten Hemden mit funkelnden Manschettenknöpfen hockt da zusammen. Keine Fotos, keine Namen! Die Herren repräsentieren die Logistikkompetenz der Republik. Doch an diesem Tag, am Rande der großen Bühne, wirken sie ziemlich hilflos –im Abseits. Große und Kleine der Branche sind in der improvisierten Runde vertreten und diskutieren. Was sie eint, ist eine Sorge: Das Engagement der IG Metall in der Logistikwirtschaft.

Logistikdienstleister ist eng mit den Produktionsprozessen des OEM verwoben

Wer verstehen will, warum die Logistikdienstleister vor der IG Metall zittern, muss beispielsweise nach Wolfsburg fahren. In der Stadt dominiert Volkswagen das Wirtschaftsleben. Die Mehrheit der Bevölkerung arbeitet bei oder lebt von dem Autokonzern. Auch der Logistikdienstleister Schnellecke macht gute Geschäfte mit dem Unternehmen.

Der Dienstleister ist eng mit den Produktionsprozessen von VW verwoben, fester Bestandteil der Bandversorgung und verlässlicher Partner – nicht nur in Wolfsburg, sondern auch an anderen Standorten des Konzerns, beispielsweise in Sachsen. Bisher galt dort für die Schnellecke-Mitarbeiter der für den Arbeitgeber günstige Verdi-Tarifvertrag für Thüringen und Sachsen.

Gekämpft wird mit harten Bandagen

Die Dienstleistungsgewerkschaft war in dem Unternehmen organisiert. Durch die Erweiterung der Geschäftstätigkeit auf produktionsnahe Logistik, hätten die Schnellecke-Betriebe die gewerkschaftlichen Organisationsgrenzen überschritten, heißt es in der Verdi-Zentrale unaufgeregt. Anders hört sich das vor Ort an: „Da wird mit harten Bandagen gekämpft“, zitiert die Lokalpresse Frank Günther, zuständig für Logistik bei Verdi Thüringen. Die IG Metall betrat 2011 die Bühne.

Ein DGB-Schiedsverfahren zwischen den beiden Gewerkschaften kam zu dem Ergebnis, dass die Metaller zukünftig für das Unternehmen zuständig seien. Inzwischen hat die IG Metall einen Haustarifvertrag durchgesetzt. Aus Logistikern wurden quasi über Nacht Zulieferer. „Alles, was in unserer Wertschöpfungskette steht, gehört uns“, erklärte Detlef Wetzel, zweiter Vorsitzender der Metallgewerkschaft, gegenüber der Presse die Strategie seiner Gewerkschaft.

Streikandrohung, Klage und dann die Einigung mit der Gewerkschaft

Die Laufzeit des Tarifvertrags bei Schnellecke wird bis 2013 angegeben. „Wir wollen bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten der gesamten Wertschöpfungskette“, begründet die IG Metall ihr Engagement. In Zahlen ausgedrückt heißt das: 300 bis 400 Euro brutto mehr in der Tasche, mehr Urlaub und weniger Wochenstunden. „Die haben sich ganz bewusst die Bundesländer Sachsen, Thüringen und Brandenburg ausgeguckt, weil Verdi dort schwach aufgestellt ist“, sind sich einige Logistikdienstleister sicher. Die Metaller würden die Mitarbeiter mit 30% mehr auf dem Lohnzettel geradezu anlocken, berichtet ein Unternehmensvertreter. Alles legal. Vor den Werkstoren kann jede Gewerkschaft Handzettel verteilen, bestätigten Juristen.

Arbeitsrechtler sind momentan sehr gefragt in der Branche. Auch der Deutsche Speditions- und Logistikverband wird wohl seine Rechtsanwälte mit dem Thema weiter betrauen müssen. Das Thema ist in der Verbandszentrale angekommen. Man nehme das sehr ernst, heißt es in Berlin und verweist auf ein Gerichtsurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main, das im offiziellen Wortlaut noch nicht vorliegt, aber wohl entscheidenden Einfluss auf die weitere Ausgestaltung der Tariflandschaft im Logistikgewerbe im Automotiveumfeld haben wird.

IG Metall versucht, Haustarifvertrag durchzusetzen

Kläger war die Rudolph Automotive Logistik, die im BMW-Werk Leipzig in die Produktionsversorgung eingebunden ist. Verdi war zwar in dem Unternehmen nicht organisiert, aber der Logistikdienstleister ist Mitglied im Arbeitgeberverband Logistik geworden und fiel damit unter den Flächentarifvertrag der Dienstleistungsgewerkschaft. Die Metaller hatten unterdessen weiter Mitglieder angeworben und mit Streiks versucht, einen Haustarifvertrag durchzusetzen, bestätigt Verdi. Dagegen klagte das Unternehmen und verlor.

Wenige Wochen später ging man in Form einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit. „Am Dienstagvormittag hat sich die Geschäftsleitung der Rudolph Automotive Logistik mit der IG Metall in Berlin auf eine Zusammenarbeit für die rund 120 Beschäftigten in Leipzig verständigt. Die bestehenden betrieblichen Regelungen werden zwischen der IG Metall und Rudolph Automotive Logistik zeitnah in einem Tarifvertrag festgelegt.

Beide Seiten erklärten als weiteres Ziel, in den kommenden Monaten einen Tarifvertrag zu erarbeiten, der perspektivisch in ein weitergehendes Tarifmodell einmündet.“ Sieg auf ganzer Linie. Die Metaller haben sich durchgesetzt.

Die Autobauer und Verbandsmanager schweigen, nur BMW liefert Antworten

Der zweite spektakuläre Fall innerhalb weniger Wochen. Das sorgt für Unruhe bei den Logistikdienstleistern. Gegenüber MM Logistik wollte sich allerdings kein Unternehmen äußern. Bloß nicht auffallen, scheint die Devise einiger zu sein. Doch die Arbeitgeber, die Logistikdienstleister, sind nur eine Seite der Medaille.

Höhere Löhne und damit Kosten bei den Dienstleistern, könnten auch bei den Kunden, den Autobauern, Mehraufwendungen verursachen. Opel und Daimler nehmen grundsätzlich keine Stellung zu Tarifverhandlungen anderer Branchen. Man bekommt den Eindruck, die OEM würde das alles nichts angehen. Volkswagen verweist in einem Telefongespräch auf den Verband der Deutschen Automobilindustrie.

Auch hier gibt man sich zugeknöpft. Man sei kein Arbeitgeberverband, heißt es lapidar. Selbst auf Fragen nach den Auswirkungen möglicher Preiserhöhungen auf die Mitgliedsunternehmen will man keine Antworten geben. Ausnahme BMW. Man will zwar nicht die Strategie der IG Metall bewerten, das Unternehmen hält „aber grundsätzlich das Eindringen mit einem Branchentarifvertrag in eine andere Branche nicht für sinnvoll“.

Wie viele Dienstleister der Münchener betroffen sind, bleibt unklar. Das könne man pauschal nicht sagen, da unklar sei, ab welchem Automobilanteil ein Logistikdienstleister als einer in der Automobilindustrie gelte, heißt es.

Können Logistikdienstleister höhere Kosten weitergeben?

Man arbeite auch mit Logistikdienstleistern zusammen, die auch große Kunden aus anderen Branchen hätten, so BMW. Auf die Frage, ob die Logistikdienstleister ihre möglicherweise höheren Kosten weitergeben können, antworten die Bayern: „Lohnkosten fließen natürlich in die Kalkulation eines Dienstleistungspreises ein, somit haben Veränderungen der Lohnkosten in der Regel auch einen Einfluss auf den Preis. Logistikdienstleister, die nur einen geringen Anteil ihrer Kunden in der Automobilindustrie haben, hätten dadurch vermutlich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber auf Automotive spezialisierte Logistikdienstleister. Ganz zu schweigen von den Wettbewerbsvorteilen ausländischer Dienstleister.“

Ob BMW schon Kontakt zu seinen Logistikdienstleistern aufgenommen hat, kann die Pressestelle nicht mitteilen. „Meines Wissens nicht, aber das kann ich nicht mit Sicherheit sagen, da unterschiedliche Abteilungen mit unterschiedlichen Logistikdienstleistern zusammenarbeiten“, erklärt Pressesprecher Jochen Frey.

Dienstleister im Maschinenbau rücken auch in den Fokus der IG Metall

Stößt das Outsourcingmodell der Automobilindustrie also an seine Grenzen? Die Meinungen sind geteilt. Für die Metaller steht fest: „Die Automobilindustrie ist der gravierendste Ansatzpunkt“. Die Autobauer sind nur der erste Schritt in der Strategie der IG Metall, glauben Dienstleister. Mittelfristig werden auch Logistikdienstleister im Anlagen- und Maschinenbau oder in der Elektroindustrie in den Fokus der Gewerkschaft rücken. Hat die Gewerkschaft in der Autobranche Erfolg, werden andere Branchen wohl folgen, auch die Zeitarbeit, prophezeien Vertreter von Logistikdienstleistern. Dann muss man sich wohl wieder am Rande einer anderen Veranstaltung zusammensetzen.

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