Fahrerlose Transportsysteme Hightech trifft auf Hightech

Redakteur: M. A. Benedikt Hofmann

Flugzeuge sind wahre Hightechprodukte, deren Instandhaltung freilich einigen Aufwand mit sich bringt. Im Überholungs-, Entwicklungs- und Logistikzentrum der Lufthansa Technik AG in Hamburg bedient man sich daher eines Fahrerlosen Transportsystems von MLR.

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Ein Gabelhubfahrzeug Phoenix lagert selbstständig eine beladene Rollpalette aus.
Ein Gabelhubfahrzeug Phoenix lagert selbstständig eine beladene Rollpalette aus.
(Bild: MLR)

Das Flugzeug gilt als sicherstes Verkehrsmittel. Mehr als drei Milliarden Mal im Jahr landen Flugpassagiere sicher an ihren Zielorten. Damit das so bleibt, werden Verkehrsflugzeuge regelmäßig intensiv auf ihre Sicherheit überprüft, gewartet und überholt. Grundlage hierfür sind gesetzliche Bestimmungen, Vorschriften der Behörden für Flugsicherheit, Garantiebedingungen der Flugzeughersteller und interne Regelungen der Airlines selbst. Zu den Unternehmen, die solche Wartungen, Reparaturen und Überholungen (Maintenance, Repair & Overhaul – MRO) durchführen, gehört die Lufthansa Technik AG (LHT). Sie ist der weltweit führende Anbieter dieser Leistungen für zivile, kommerzielle Flugzeuge.

Im Oktober 1994 als hundertprozentige Tochtergesellschaft der Deutschen Lufthansa AG gegründet, ist die LHT die Obergesellschaft des Lufthansa-Geschäftsfeldes Technik und der weltweiten Technikgruppe mit insgesamt 53 Gesellschaften. Anders als der Name vermuten lässt, arbeitet man aber nicht nur für die Lufthansa: Fast 800 weitere Fluggesellschaften und sonstige Betreiber von Verkehrsflugzeugen zählen zu den Kunden. Im Geschäftsjahr 2014 – im 100. Jahr der kommerziellen Luftfahrt – erzielte die Lufthansa Technik AG einen Umsatz von 4,3 Mrd. Euro.

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LHT erledigt fast jede Arbeit am Flugzeug

Herzstück des Unternehmens ist das Überholungs-, Entwicklungs- und Logistikzentrum in Hamburg am Flughafen, wo 1955 die technische Arbeit der nach dem Krieg wieder gegründeten Lufthansa begann. Heute arbeiten hier mehr als 7500 Menschen. Die Instandhaltung von Motoren, Geräten und Komponenten sowie die Ausstattung von großen Geschäftsflugzeugen, vor allem aber auch der Bereich Forschung und Entwicklung stehen im Vordergrund. Als einer der ganz wenigen Unternehmen hat die Lufthansa Technik als internationaler Konzern die gleichzeitige Lizenz als Herstellungs- und Entwicklungsbetrieb. So bietet LHT beispielsweise umfassende Maßnahmen zur Senkung des Kerosinverbrauchs oder zur Reduktion von Liegezeiten. „So gerüstet machen wir so ziemlich alles am Flugzeug – sogar die aufwendigen Ausrüstungen von VIP-Flugzeugen mit Live-TV, Internetzugang, speziellen Ausstattungen und anderen Sonderwünschen“, fasst Thomas Erich von der LHT-Unternehmenskommunikation zusammen.

Aufwendige Überholung

In Hamburg sind es vor allem die größeren Langstreckenflugzeuge wie die Baureihen A330 und A340 von Airbus und Boeings 747, die überholt werden. Während der A-Check, eine Wartung mit routinemäßiger Überprüfung von technischen Systemen, die für den sicheren Flugbetrieb wichtig sind, über Nacht im Hangar durchgeführt werden kann, dauern Überholungen wesentlich länger. Sie sind – je nach Flugzeugtyp – alle fünf bis sechs Jahre fällig. Dazu wird das Flugzeug entsprechend dem Arbeitsaufwand zwischen 23 und 30 Tagen aus dem Verkehr gezogen. In dieser Zeit werden in Hamburg in einem Dock, dem Dock 10, alle Kabinenteile wie Sitze, Küchen, Toiletten, Gepäckfächer, innere Wandverkleidungen und das Ladesystem im unteren Deck ausgebaut, auf Rollpaletten (LHT-Paletten) verladen und auf diesen unter tatkräftiger Mithilfe eines Fahrerlosen Transportsystems (FTS) von MLR in ein Zwischenlager, das bei LHT Hochregallager heißt, mit 260 Plätzen gebracht. Hier lagern auch Ersatzteile, Vorrichtungen und Werkzeuge.

Die drei fahrerlosen Fahrzeuge (FTF) sind es auch, die das Material an sieben Tagen in der Woche in drei Schichten in die richtigen Werkstätten auf Anforderung der dort tätigen Mitarbeiter transportieren. In den Werkstätten wird jedes einzelne Teil gründlich untersucht, gegebenenfalls repariert und wenn nötig ausgetauscht. Sind diese Arbeiten erfolgreich abgeschlossen, kehren die Komponenten auf den Rollpaletten auf Geheiß der Werker im Arbeitsbereich mittels FTS zurück in das Zwischenlager und stehen dort mit dem Status „serviceable“ so lange bereit, bis sie von einem Dock 10-Mitarbeiter zum Einbau in das Flugzeug abgerufen werden.

Bei den batterie-elektrisch angetriebenen Transportfahrzeugen vom Typ Phoenix R-0,3 MR handelt es sich um Gabelhubfahrzeuge in Dreirad-Ausführung, die automatisch mit einer Geschwindigkeit von maximal 1,5 m/s vorwärts- und rückwärtsfahren können. Sie haben eine Hubplattform als Lastaufnahmemittel mit 0,3 t Tragfähigkeit. Die Lastaufnahme und -abgabe erfolgt bodeneben und – im Zwischenlager – bis zu einer Höhe von 5400 mm. Die Fahrzeuge navigieren frei, das heißt, sie finden ihren Weg ohne Leitdraht im Boden. Anhand der Informationen aus dem Magnetnavigationssystem bestimmt der Fahrzeugrechner die aktuelle Position und steuert die Fahrzeuge entlang der per CAD-System generierten Fahrstrecken.

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Die Länge des gesamten FTS-Fahrkurses beträgt rund 500 m. Jedes Fahrzeug ist komplett mit allen Sicherheitseinrichtungen, je ein Laserscanner vorn und hinten sowie seitliche Schaltleisten ausgestattet. Für die Energieversorgung der Fahrzeuge sorgen Panzerplatten-Blei-Batterien PzS 48 Volt / 270 Ah. Die Batteriekapazität ist auf das geforderte Transportaufkommen während einer Betriebszeit von 16 Stunden ausgelegt. Dadurch ist innerhalb der Hauptbetriebszeit keine Batterieladung vonnöten. Nach Ende der Spätschicht fahren die FTF selbsttätig eine automatische Batterieladestation an. Das Nachladen der Batterien dauert weniger als acht Stunden, so das Unternehmen. Um die Transportleistung im LHT-Zentrum zu 100 % zu erreichen, hätten auch zwei automatische Gabelhubfahrzeuge ausgereicht. Daher betrachtet man das dritte Gerät als Reservefahrzeug, das aber immer in den täglichen Ablauf mit eingebunden ist.

Multifunktionales Betriebssystem

Intelligenter Kern des Systems ist das multifunktionale Logistic Operating System ‚Log-OS‘, die MLR-eigene Software für die Steuerung komplexer Materialflussströme. Die konsequente Client-Server-Struktur erlaubt, in kürzester Zeit einzelne Funktionen als Softwarebausteine zu implementieren und auf die konkrete Kundenapplikation hin zu konfigurieren. Das Leitsystem Log-OS ist in einer virtuellen Umgebung auf Basis der Virtualisierungssoftware ‚VMware’ installiert. Zu den Aufgaben von Log-OS gehören die Benutzerverwaltung, die Lagerverwaltung, die Transportauftragsverwaltung sowie die Fahrzeugverwaltung und -disposition. Hierzu ist das Bauteilspektrum, bezogen auf verschiedene Flugzeugmuster und ihr Kabinenlayout, in einer Datenbank im System hinterlegt. Die Mitarbeiter fordern die gewünschten Komponenten auf den Rollpaletten oder auch Leerpaletten über Terminals an. Auch das Versenden von beladenen und unbeladenen Rollpaletten zum vorgegebenen Ziel geschieht hier.

Sehr hohe Verfügbarkeit des FTS

Neben den Transportaufträgen steuert der Leitrechner auch die FTF. Die selbstständig fahrenden Fahrzeuge müssen auf dem Fahrkurs vier Rolltore durchfahren. Sobald sich ein Fahrzeug den Toren nähert, sorgt Log-OS dafür, dass sich die Tore automatisch öffnen. Zudem gibt es auf dem für die Fahrzeuge eingerichteten Fahrkurs einen Kreuzungsverkehr mit bemannten Staplern und Fußgängern. Hier haben die FTF in allen Fahrkursbereichen gegenüber den Staplern Vorrang.

Das Fahrerlose Transportsystem von MLR wird von den Mitarbeitern bei Lufthansa Technik mittlerweile rund vier Jahre genutzt. Während dieser Zeit führt man regelmäßig Buch über die Verfügbarkeit der Anlage. Dazu Joachim Beck, der das System ‚wie seine Westentasche’ kennt: „Die Verfügbarkeit des FTS erreicht pro Woche nicht selten Werte von 99,6 %.“ Ein sehr guter Wert, wie der Fachmann bekräftigt.

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