Zeitfenstermanagement Home24 erhöht Transparenz im Warenzulauf
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Der Onlinemöbelhändler Home24 hat in einem Eilprojekt seine Warenanlieferung optimiert. Anstatt per E-Mail buchen über 300 Lieferanten jetzt auf der Cloud-Plattform von Leogistics ihre Zeitfenster. Die Lösung sorgt für Transparenz bei der Lieferung und passgenaue Schätzungen, wie lange Verladeteams an der Rampe für den Wareneingang benötigen.

Es darf gewohnt werden! In der Coronakrise erlebt der Onlinehandel einen zusätzlichen Boom. Das gilt insbesondere auch für Möbel, denn das Zuhause soll neben einem Wohlfühlort derzeit zugleich Büro und Schule sein. Schon 2009 griffen die Home24-Gründer die Idee des Onlineshoppings auch für Produkte rund um Home & Living auf. Heute ist das Unternehmen mit mehr als 1.500 Mitarbeitern einer der größten Onlinemöbelhändler in Europa. 2020 erwirtschaftete der Möbelanbieter 492 Millionen Euro und verzeichnete einen Umsatzanstieg von 32 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Gemeinsam mit kreativen Köpfen aus der ganzen Welt entwickelt man Möbel in zeitgemäßem Design, viele davon mit dem Zertifikat „Made in Germany“. Die digitale Ebene spiegelt sich auch darin wider, dass Home24 bewusst die Bedürfnisse und das Feedback seiner Kunden in die Designvorhaben einfließen lässt. Damit Kunden die Möbel auch in der echten Welt ausprobieren können, sind mittlerweile in vielen Großstädten Showrooms am Start. Die enge Zusammenarbeit mit Partnern beispielsweise aus Europa und Asien, oft mit kleinen Manufakturen, bringt erhebliche Anforderungen an die Logistikplanung mit sich. Im Schnitt liefern allein am Standort Halle 35 bis 40 Lkw pro Tag Ware an. Dabei arbeitet der Onlinemöbelhändler mit rund 300 Partnern zusammen.
Der Schuh drückte in der Zeitfenstervergabe
In den vergangenen Jahren musste man dabei noch vergleichsweise aufwendige manuelle Prozesse bewältigen. Zunächst sandte der Lieferant einen Vorablieferschein per Mail. Daraufhin wurde geprüft, welche Produkte geliefert werden und wie lange die Entladung dauern würde. Anschließend schickte Home24 eine Mail mit einem Zeitfenstervorschlag, die der Supplier dann noch bestätigen oder ablehnen musste. So entstand regelmäßig ein E-Mail-Pingpong, weil vorab offen war, ob der Lieferant dann überhaupt einen Lkw organisieren konnte.
„Unsere gesamte Zulaufsteuerung lief durch E-Mail- und Telefonanfragen ab. Dabei haben wir viel Manpower und Zeit in die Avisierung investiert“, erinnert sich Jens Kraska, Strategic Technical Officer bei Home24. Für die Verwaltung der Termine kam für jedes der sieben bis vierzehn Tore pro Logistikzentrum ein Google-Kalender zum Einsatz. Zugleich fiel bei diesem großen Kommunikationsumfang auch immer mal wieder etwas unter den Tisch oder es herrschte Unklarheit darüber, was bereits fertig geplant war – und was nicht. Hinzu kamen Verständigungsprobleme mit Lieferanten, die weder Englisch noch Deutsch sprechen. Im ERP-Umfeld setzt der Onlinemöbelhändler SAP ERP ECC 1610 ein, in der Lagerverwaltung EWM 9.4. Doch in der Logistik und der Absprache mit den Lieferanten reichten die Systeme nicht aus.
Optimierung und bessere Prognosen gefragt
Es war klar: Eine bessere Lösung musste her. Zudem wollten die Berliner gern aus den Praxisdaten lernen: Per Auswertung sollte ermittelt werden, wie lange das Entladen, aber auch das Beräumen der jeweiligen Lieferung auf der Fläche etwa dauert – denn das gestaltet sich oft deutlich langwieriger als das reine Entladen. In einer neuen Lösung sollte also der Lieferant einen Termin aussuchen, die Zeit für die Entladung und der Zeitaufwand, bis die Fläche für die nächste Anlieferung wieder zur Verfügung steht, sollte ermittelt werden.
Hubertus Mikliss, Vice President Warehouse & Distribution, und sein Team schauten sich verschiedene Softwaretools an. Meist wäre eine langwierige Greenfield-Entwicklung nötig gewesen: zu zeitaufwendig! Viele Tools basierten rein auf Palettenanlieferung oder die Spediteure hätten pro Buchung zahlen müssen. Das hätte Akzeptanzprobleme aufgeworfen. Dann evaluierte man das Portfolio von Leogistics. „Uns hat zum einen die große SAP-Expertise überzeugt, zum anderen das Angebot, die Cloud-Plattform ,myleo/dsc‘ im Standard so mitzuentwickeln, dass sie zu unseren Aufgaben passt“, berichtet Kraska. Der Logistikexperte war zudem offen für eine Lösung, die nicht on premise angesiedelt ist. „Public Cloud war die günstigere Alternative“, stellt Kraska fest.
Avisierungsprozesse entwirren und automatisieren
Dabei entschied man sich für die Einführung von „myleo/dsc“ mit den Modulen „myleo/supply“, „myleo/slot“ und „myleo/yard“. Die wichtigsten Ziele: Transparenz, digitale Abläufe, wesentlich schlanker werden im Prozess. Die Avisierung war zuvor innerhalb der einzelnen Standorte aufgehängt. Lieferanten meldeten sich also direkt beim Standort, wobei es je nach Niederlassung und Supplier wiederum unterschiedliche Abläufe gab: Es zirkulierten mehr als sechs verschiedene Avisierungsprozesse und vier Untervarianten davon – kaum möglich also, hier noch durchzublicken. Besonders wichtig war dem Unternehmen deshalb, dass der Prozess für alle Anlieferungen gleich funktioniert: egal ob Domestic Partner oder Lieferanten aus anderen Ländern, egal ob ex works, von Home24 organisiert, oder Containerlieferungen aus Übersee.
Die Avisierung landet in der neuen Lösung erst dann im SAP-System, wenn das Zeitfenster fest gebucht ist. Lieferanten können selbstständig ihr Zeitfenster buchen, die endgültige Bestätigung erfolgt im System per Click, ohne Mailverkehr. Vom ERP-System aus werden alle Bestellungen, nachdem sie dort angelegt sind, automatisch in „myleo/dsc“ übertragen. So könnte nach der Anlage ein Lieferant bei Bedarf auch direkt avisieren. Dafür wählt der Supplier im Cloud-System aus der Bestellung das aus, was er mitbringen will, anstatt wie zuvor einen Lieferschein zu schicken. So hat er die Möglichkeit, die Bestellungen so zu bündeln, wie es für ihn am besten ist. Nachdem der Lieferant avisiert und den Slot verbindlich bestätigt gebucht hat, greift das ERP die Meldung ab und erstellt eine Anlieferung. Der Wareneingang läuft im EWM weiter, in „myleo/dsc“ wird verfolgt, wann und wo der Lkw ankommt, einschließlich Zeitverfolgung. „Es ist schön transparent geworden“, so Kraska.
Cloud-System auch für Lieferanten
Die Lieferanten und Logistikpartner in die vorherige Software-Landschaft einzubinden, habe man nie versucht, berichtet der Strategic Technical Officer: „Zum einen bräuchten sie gleich teure SAP-Lizenzen, zum anderen müssten sie auf unser System zugreifen.“ Das hätte deutlich mehr Sicherheitserwägungen bedeutet. Zudem war unklar, ob das bestehende System überhaupt mit vielen unterschiedlichen, parallelen Zugriffen klargekommen oder eine Neuentwicklung nötig geworden wäre. Auch unter diesem Gesichtspunkt erschien eine Cloud-Lösung sinnvoll.
Für die Umsetzung wurden die Partner im Projekt gleich mit ins Boot geholt, denn das erfolgreiche Einbinden der Supplier hatte für Home24 eine hohe Priorität. „Wir haben einigen Pilotlieferanten unsere Ideen vorgestellt und ihr Feedback eingeholt – dabei lag der Fokus bewusst auch auf kleineren Lieferanten, die vielleicht besonders große Schwierigkeiten mit neuer Software haben würden“, erklärt der Strategic Technical Officer. Doch die Lösung bestand den Praxistest: „Alle waren begeistert: Nach drei Klicks haben sie jetzt ihr Zeitfenster“, resümiert Kraska.
Der Lieferant meldet sich heute in der Cloud-Lösung an, sieht die Destinationen, für die er freigeschaltet ist, und kann auswählen, wo er wann hinkommen möchte. Noch gibt es einen manuellen Zwischenschritt, weil Lieferanten beispielsweise oft Zeitfenster um 6.30 Uhr buchen, obwohl es schon um 6 Uhr losgeht. Künftig soll der Kalender automatisiert eine neue Uhrzeit vorschlagen. Die Mail mit der Buchungsnummer bringt der Lkw-Fahrer zur Anmeldung beim Pförtner mit, der ihn dann zum Parkplatz oder zum geplanten Tor schickt. Dort warten in Walsrode sieben und in Halle vierzehn Entladeteams mit jeweils vier oder fünf Mitarbeitern.
Agiles Projekt ganz ohne Stress
Im Januar 2020 begann das Projekt zunächst mit der Spezifikation. Dabei wurden die Grundidee von Leogistics und die Anforderungen von Home24 übereinandergelegt. Tatkräftige Unterstützung kam dabei von Cora Raddau und ihrem Prozessmanagementeam und Danny Eberhardt, dem Standortleiter Home24 in Halle. Die Beteiligten leisteten wertvolle Beiträge, von der Anforderungsdefinition über die Funktions- und Prozesstests bis hin zur Livesetzung. Basis des Projekts war das bereits existente Produkt Slot Management, die Bausteine Yard und Supply entstanden auf der Grundlage von Mock-ups. Ab April begann die Entwicklung und im August erfolgte schon die Liveschaltung mit einem Big Bang an allen Standorten. „Wir konnten das Projekt in Rekordzeit abschließen, alles lief überdurchschnittlich gut – das ist bei IT-Projekten keine Selbstverständlichkeit und verdankt sich vor allem dem sehr guten Projektmanagement von Leogistics“, lobt Kraska.
Natürlich waren auch einige Herausforderungen zu nehmen. Dazu gehörte die technische Kommunikation innerhalb der neu geschaffenen Schnittstelle zu SAP. Doch es waren höchstens „Problemchen“, die sich schnell durch einen engmaschigen Austausch lösen ließen. Kein Thema musste auf den kritischen Pfad verschoben werden. „Das reibungsloseste Projekt in seiner Zeit bei Home24“, sagt Kraska, der auch schon für den Aufbau des 70.000 Quadratmeter großen Logistikzentrums in Halle verantwortlich zeichnete. „Die Zusammenarbeit war immer konstruktiv und lösungsorientiert. Die agile Softwareentwicklung und das agil geführte Projekt waren für uns ungewohnt, haben aber einen großen Benefit gebracht“, so Kraska. Diese Anregung wolle man auch mit in andere Projekte nehmen.
Stark variierende Entladezeiten abschätzen
Die Entladezeit ist die wohl größte Herausforderung, denn sie kann erheblich variieren. „Bei uns zählt die Anzahl von Packstücken auf dem Lkw. Dabei wird in Kolli gerechnet – drei Stühle sind beispielsweise drei Kolli“, erklärt Jens Kraska. Dafür musste das System, das im Standard mit Paletten arbeitet, an die lose Anlieferung angepasst werden, die im Möbelhandel typisch ist. Eine Anlieferung mit Hunderten Schrankteilen, bei der jeder Schrank aus 13 oder mehr Packteilen besteht, kann durchaus auch fünf Stunden dauern. Volle Aufmerksamkeit ist dabei Pflicht. „In einen Lkw können schon mal Sofapolster nach dem Tetris-Prinzip gestapelt sein. Zudem muss man bei Lieferanten, die nicht industriell fertigen, gut aufpassen, welche Teile zu welchen anderen gehören – sonst würden später die Bohrlöcher nicht passen“, beschreibt Kraska den Alltag. Qualitätsvorgaben sorgen dafür, dass so etwas nicht passiert.
Dazwischen kann sich auch palettierte Ware befinden, die sich deutlich schneller mit einem Stapler verbringen lässt. Für unterschiedliche Produktarten, aber auch für einzelne Lieferanten sollen Praxiswerte helfen, eine optimierte Zeiteinschätzung vorzunehmen. Ziel ist, die Zeiten zu tracken, um die Kapazität der Mitarbeiter wesentlich besser auszunutzen. „Das bedeutet auch, dass wir perspektivisch bestimmte Lieferungen für bestimmte Tage ansetzen, weil sich im Gesamtgefüge der Anlieferungen eine bessere Auslastung ergibt“, berichtet Kraska.
Schon jetzt sind die Logistikprozesse um bis zu 15 Prozent effizienter geworden, meint Kraska. Ein deutliches Nutzenpotenzial ergibt sich auch bei Liefertermintreue und Kundenbindung: „Je höher die Anliefertransparenz, desto verlässlicher können wir den Kunden die Lieferzeit im Webshop anzeigen“, sagt der Logistikexperte. Dazu trackt man im Yard die Zeit mit. Typische Punkte sind Lkw an der Pforte, Check-in im Wareneingangsbüro, Start und Ende Entladung sowie „Fläche ist geräumt“ und „Lkw hat den Yard verlassen“. Letztere Info ist vor allem für die Lieferanten wichtig, denn sie wollen natürlich gerne wissen, wann der Lkw wieder losfahren kann. ■
* Daniela Hoffmann ist freie IT-Fachjournalisten in 13147 Berlin. Weitere Informationen: Leogistics GmbH, 22765 Hamburg, Tel. +49 40 298126890, info@leogistics.com
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