Regalroboter „In 15 Jahren wird es nur noch Pick-by-robot geben“

Von M. A. Benedikt Hofmann

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Magazino, ein Start-up mit Sitz in München, will mit innovativen Lager- und Kommissionierautomaten den Intralogistikmarkt erobern. Das neueste Projekt des Unternehmens ist Toru, ein zellularer Regalroboter für Stückgutlager, der in Zukunft Seite an Seite mit dem Menschen arbeiten soll.

Es wird möglich sein, mit einem einzigen Toru zu beginnen und dann schrittweise weitere hinzuzufügen.
Es wird möglich sein, mit einem einzigen Toru zu beginnen und dann schrittweise weitere hinzuzufügen.
(Bild: Magazino)

Egal in welchen Bereich, sei es E-Commerce oder auch die Intralogistik in der Automobilbranche, überall braucht man am Ende ein einzelnes Objekt und keine ganze Palette, da ist sich Frederick Brantner, kaufmännischer Geschäftsführer bei Magazino, sicher. „Wenn Sie aber über die Logimat laufen, dann gibt es lauter Shuttlelösungen oder es wird mit Pick-by-voice oder -vision versucht, den Menschen zu unterstützen“, ergänzt er. „In unserer Sicht sind das Übergangstechnologien, wir sind zu 100 % überzeugt, in 15 Jahren wird es nur noch Pick-by-robot geben.“ Um dieses forsche Ziel zu erreichen, arbeitet das Team des Unternehmens, das ursprünglich als Projekt der Technischen Universität München gestartet ist, mit Hochdruck an neuen Technologien für den Bereich der Kommissionierung.

Erste Schritte auf den Markt

Die ersten Entwicklungen von Magazino waren Maru, ein Kommissionierautomat für Apotheken, und Kado, eine Pick-and-place-Station. Gerade durch seine runde Form soll Maru extrem kompakt sein und mithilfe einer innovativen Konstruktion sehr schnell arbeiten. Das System kann Packungen direkt aus der vom Großhändler angelieferten Kiste einlagern und erkennt dabei Barcodes und Verfallsdaten selbstständig. Kado wiederum kann viele Produkte selbst ohne Barcode mittels moderner 2D/3D-Bilderkennung identifizieren. Angebunden an einen bestehenden Paternoster oder ein AKL kommissioniert das System die angelieferten Produkte dann automatisch und schickt sie beispielsweise weiter zum Transport zur Packstation. „Wir haben schon weniger als ein Jahr nach der Unternehmensgründung drei Roboter verkauft. Der erste Maru wird an Ostern installiert. Wir unterscheiden uns auch hier in der Technologie fundamental vom bisherigen Markt: Statt auf Hardware-SPS und große Schaltschränken setzen wir auf ROS und Plug-and-drive-Motoren mit CAN-Open“, so Brantner weiter.

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Greifen auf 1,75 m

Das neueste Projekt, an dem Brantner und seine Kollegen arbeiten, ist noch ein ganzes Stück weitergedacht. Toru – der Name kommt aus dem Japanischen und bedeutet „greifen“ – ist ein zellularer Regalroboter für Stückgutlager, der die Arbeit des Pickers übernehmen soll. In der Praxis wird der Roboter später nah an das Regal heranfahren, die offenen Kartons oder Pakete im Stückgutlager heranziehen und mithilfe der eingebauten 3D Kamera das gesuchte Produkt finden. Im ausgefahrenen Zustand kommt der dafür zuständige Teller auf eine Höhe von 175 cm.

Der Roboter-Leiharbeiter

„Derzeit kranken die Ware-zu-Mensch-Systeme daran, dass Sie hohe Anfangsinvestitionen haben und trotzdem wieder Menschen für den Pickvorgang brauchen“, führt Brantner aus. „Wir reduzieren die Lohnkosten, weil es für den Pickvorgang mit Toru gar keine Menschen mehr braucht. Probleme mit den immer strikter werdenden gesetzlichen Anforderungen an den Arbeitsschutz lösen sich dadurch auch. Zudem müssen Sie kein Rieseninvest mit unbekannter Zukunft stemmen, sondern können mit einem einzigen Toru beginnen und dann schrittweise weitere hinzufügen. Wir verstehen unser System eher als Roboter-Leiharbeiter statt als Investitionsobjekt. Damit sind wir einerseits einfach skalierbar, aber auch viel flexibler als Ware-zu-Mensch-Systeme heute. Wenn sich das Lager ändert oder andere Objekte hinzukommen, dann lernen die Roboter hinzu und passen sich an.“

Die Münchner wollen sich mit dieser Technologie unter anderem von Behältern, wie sie in einem AKL eingesetzt werden, lösen und die Artikel direkt greifen. Dabei sind sie sich durchaus bewusst, dass sie nicht direkt 100 % aller Artikel eines Versandhändlers greifen können. „Wenn wir im Parallelbetrieb zum Menschen arbeiten, dann müssen wir das auch nicht“, führt Brantner aus. „Es reicht, wenn wir 20 bis 30 % der Pick-Aufträge abarbeiten, und mit zunehmender technischer Entwicklung wird sich diese Prozentzahl verschieben.“ Derzeit kommt das Start-up mit allen kubischen Formen und allen saugbaren Oberflächen gut zurecht, ein loses „biegeschlaffes“ T-Shirt kann das Projekt aber noch nicht greifen.

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Große Anforderungen im Bereich MRK

Gerade bei der angesprochenen Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK), die ein wichtiger Baustein des Systems ist, müssen natürlich immense Anforderungen erfüllt werden. Die Experten aus München geben allerdings zu bedenken, dass in der Praxis bereits FTS und Roboterarme im Einsatz mit Menschen sind. Genau die gleichen Technologien, wie zum Beispiel Sicherheitsscanner, doppelte Verdrahtung und Kraftsensoren, setzen sie auch in Toru ein. Weiter soll das System mit den Menschen kommunizieren können und hat unter anderem LEDs eingebaut, die je nach Fahrtrichtung ihre Farbe ändern. So weiß der Mensch immer, was Toru gerade vorhat, und Unfälle sollen so vermieden werden.

Aufruf zur gemeinsamen Entwicklung

„Einige technologische Komponenten wie Objekterkennung, Objektpositionierung, viele Robotikkomponenten (ROS; CAN Open-Integration), Platzierungsalgorithmus und so weiter, haben wir bereits entwickelt. Einige Punkte, wie FTS (Fahrzeug und Orientierung im Raum), WMS-Anbindung und auch Logistikspezifika, sind noch offene Baustellen“, fasst Brantner zusammen. „Für die Gesamtentwicklung sammeln wir gerade die nächste Finanzierungsrunde ein und bauen Forschungskooperationen und Projektpartnerschaften auf. Genau deswegen rufen wir auch früh in den Markt – wir wollen das gemeinsam entwickeln.“ ■

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