Intralogistik Individuelle Logistiklösungen für den Kunden von morgen

Autor / Redakteur: Reinhard Irrgang / Ulrike Gloger

In der Intralogistik kooperieren Hersteller, Systemanbieter, Forschung und Anwender immer intensiver und auf höchst professionellem Niveau. Es gilt, Systeme und Anlagen zu realisieren, die immer individueller und je nach Bedarf hochkomplex, aber wirtschaftlich und sehr flexibel sein müssen.

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Die dynamischen Kommissioniersysteme im neuen Distributionszentrum des Onlinehändlers Mayoral ermöglichen eine Pickleistung von mehr als 1000 Teilen pro Stunde.
Die dynamischen Kommissioniersysteme im neuen Distributionszentrum des Onlinehändlers Mayoral ermöglichen eine Pickleistung von mehr als 1000 Teilen pro Stunde.
(Bild: psb)

Vom Standort Deutschland aus exportieren international führende Anbieter von Logistiksystemen und -services ihr Technik- und IT-Know-how in alle Welt. Komplexe Anforderungsprofile bestimmen den Onlinehandel, so zum Beispiel die global zu bedienenden Märkte und Kunden, eine stark zunehmende Volatilität, ausgeprägte Produkt- und Geschäftssaisonalität bis hin zu „peak-driven“, tagesaktuell stark unterschiedlichen Durchsatzvolumina und Versandanforderungen sowie zur punktgenauen Multikanal-Lieferfähigkeit für die parallele Belieferung von stationären Handelsfilialen und einzelne Artikel ordernden Endkunden. Die geforderte hohe Prozessflexibilität lässt sich zum einen durch flexiblen Personaleinsatz, schnell anpassungsfähige Lager- und Fördertechniken sowie beispielsweise durch manuelle, MDE-geführte Kommissionierprozesse (MDE = mobile Datenerfassung) erreichen. Zum anderen auch durch den strikt produkt- wie prozessbedingt maßgeschneiderten parallelen Einsatz von Hochautomatisierung.

Ausgewählte Megatrends in einem hochdynamischen Markt

So kommen in neuen Hochleistungslogistik- und Distributionszentren schnelle Shuttlesysteme und automatische Behälterlager wie Hochregallagersysteme – etwa für den Kommissioniernachschub und die volumenmäßige Organisation der unterschiedlich schnell drehenden Artikel – ebenso zum Einsatz wie Fachbodenanlagen und Pick-Wagen für die MDE-gesteuerte Kommissionierung von Versandeinheiten.

Flexible Logistikanlagen und adaptive Software für komplexe Prozesse

IT-mäßig ideal sind modulare Softwarepakete, wie sie beispielsweise Dr. Thomas + Partner auf Basis ihrer jahrzehntelangen Realsierungspraxis mit ihrem TUP WMS geschaffen haben: Auf Basis von Standardmodulen für alle zentralen Prozesse der Intralogistik wie auch der externen Logistik lassen sich die Prozesse im Sinne der adaptiven Software an die sich ändernden Anforderungsprofile anpassen. Dieses Procedere sorgt nicht nur für optimierte, schlanke und transparente Prozesse, sondern auch für einen wirtschaftlichen Investitionsrahmen.

Nur so lassen sich Anlagen realisieren, die die im E-Commerce und in der Multi-Channel-Logistik erforderliche Parallelität der jeweils schnellstmöglichen Belieferung des stationären Handels wie der privaten Endkunden optimal erfüllen. Und die sich, je nach Marksituation, saisonal bis tagesaktuell unterschiedlichen Durchsatzanforderungen und wechselnden Produktspezifika schnell und flexibel erweitern und punktuell auch downsizen lassen. Der wichtigste Megatrend sind die Anforderungen, die sich durch den dynamischen Onlinehandel und die Multikanallieferfähigkeit bilden.

E-Commerce erfordert perfekte Multikanal-Strategien

Die 1971 von Walter Winkler gegründete Witron Logistik+Informatik mit Sitz in Parkstein zählt zu den führenden Anbietern von dynamischen Logistiksystemen für das Lagern und Kommissionieren. Das Unternehmen entwickelt und realisiert wirtschaftliche und ergonomische Logistiklösungen für die komplette Lieferkette – vom Lieferanten über das Distributionszentrum und den Transport bis hin zum Endverbraucher.

Zu den aktuellen Projekten des Unternehmens zählt die Erweiterung des Logistikzentrums der zur Dätwyler Holding gehörenden Elektronikfachhändler Nedis und Distrelec. In der neuen Anlage, deren stufenweiser Hochlauf ab Herbst 2014 geplant ist, wird die Logistik für alle europäischen Kunden gebündelt.

Das bestehende, von Witron vor Jahren realisierte Logistikzentrum mit 66.000 Behälter- und 28.000 Palettenstellplätzen sowie mit 36 DPS-Kommissionierplätzen wird um das Behälter-Kommissioniersystem OPS (Order Picking System) und um eine zwölfgassige AKL-Lösung (AKL = automatisches Kleinteilelager) erweitert, in denen auf nur 57.000 Stellplätzen mehr als 85.000 Behälter unterschiedlicher Größe platzsparend gelagert werden können. Hinzu kommen 20 ergonomische Kommissionier- und die dazu gehörenden Packplätze.

Intralogistik-Technik und -Know-how für europaweite „Next-Day-Delivery“

Mehr als 1600 Bestellungen pro Stunde werden dann im Logistikzentrum bearbeitet und im Rahmen einer „Next-Day-Delivery“-Strategie europaweit verschickt. Zudem lassen sich pro Stunde noch mehr als 90 Paletten mit Großmengenbestellungen und Sperrigteilen zusammenstellen. Dank ausgereifter Volumenkalkulation erhält jeder Kunde ein ordervolumengerecht und umweltfreundlich dimensioniertes Versandpaket.

Auf Erweiterung konzipiertes Distributionszentrum

Für ein neues Distributionszentrum des Kopp-Verlags in Rotenburg realisierte der Logistikdienstleister psb Intralogistik und IT. In der von vornherein auf Erweiterung konzipierten Anlage, in der zurzeit 3000 bis 6000 Pakete pro Tag versandt werden, ist eine zweite Baustufe für bis zu 2000 Kundenpakete pro Stunde bereits berücksichtigt.

Die ständig wechselnden Artikel sowie hohe saisonbedingte Schwankungen erfordern ein sehr flexibles System. Zudem bedingen unterschiedliche Personalstärken und der Einsatz von Saisonpersonal eine einfach zu bedienende Lösung. Wie psb betont, bildete die Sicherstellung einer Null-Fehler-Quote bei den versendeten Paketen eine besondere Herausforderung, die man durch die intelligente Verknüpfung vorhandener Systembausteine mit angepassten Materialflüssen realisiert habe.

Kommissioniersysteme im Hochleistungsbereich bezüglich Flexibilität, Verfügbarkeit, hohen Durchsätzen, Multi-Channel-Effizienz, Mitarbeiter-Support und möglichst Null-Fehler-Abläufen bieten alle namhaften Systemhersteller, wie beispielsweise Witron, Dematic, Knapp, psb, TGW, SSI Schäfer und Vanderlande Industries.

Ergonomie-Optimierung und „intelligente Arbeitsteilung“

Welche Auswirkungen die demografische Entwicklung auf Montage- und Handhabungstechniken in der Automobilproduktion und in anderen Branchen haben wird, zeigte beispielsweise das von Terex Material Handling veranstaltete Automotive Forum zum Thema „Handhabungstechnik für den demografischen Wandel“. Laut Prof. Dr.-Ing. Willibald Günthner, Leiter des Lehrstuhls Fördertechnik Materialfluss Logistik fml der TU München, der sich intensiv mit Maßnahmen zur Ergonomieverbesserung und Reduzierung der körperlichen Belastung von Mitarbeitern befasst, ist hierbei „intelligente Arbeitsteilung“ gefragt: „Der Mensch bringt seine kognitiven Fähigkeiten und seine unschlagbare Flexibilität ein und die Hebezeuge oder Roboter stellen die Kraft bereit“, so Günthner. „Hier gilt es, die optimale Kombination zu finden, wobei die Mensch-Maschine-Schnittstelle eine ganz entscheidende Rolle spielt.“

So steht zum Beispiel der Demag-E-Balancer für die „Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine“, wie Terex Material Handling mitteilt. Das Handhabungsgerät erleichtere dem Bediener die Arbeit, weil es ein komfortables und sicheres Führen der Last erlaube und damit „wie der verlängerte Arm des Bedieners agiert“.

Ein Beispiel für den in der Intralogistik steigenden Robotereinsatz ist die Übernahme der unter anderem im Logistikbereich als Systemintegrator für Robotik tätigen Fedar Automation Technology durch Vanderlande Industries, das damit sein „Profil als High-Tech-Systemintegrator“ stärken will. So ermögliche die Robotik bei der Logistikautomatisierung – etwa beim Palettieren und Depalettieren, bei der Lagerautomatisierng wie bei der Containerbeladung – höhere Wirtschaftlichkeit, Effizienzsteigerungen, ständige Einsetzbarkeit und ergonomisches Arbeiten.

Arbeits-und Betriebssicherheit von Staplern werden ständig verbessert

Auch bei Flurförderzeugen machen die Innovationen nicht halt. Kontinuierliche Optimierungen sind bei Energieeffizienz und Ergonomie, Bedienungsoptimierung und Sicherheit zu erwarten. Ferner wird an einer nachhaltigen Staplerproduktion, an Kostenoptimierungen über den Lebenszyklus hinweg sowie an der Steuerung und Einsatzoptimierung einzelner Geräte und kompletter Flotten gearbeitet.

Als Beispiel für Arbeits- und Betriebssicherheitsoptimierung und damit im weiteren Sinne auch Ergonomie sei das Fahrerassistenzsystem von Linde Material Handling, der „Linde Safety Pilot“, genannt: Ein Display am Fahrerarbeitsplatz informiert mit Daten wie aktuellem Lastgewicht, Neigungswinkel, maximaler Hubhöhe sowie aktuell erreichter Hubhöhe. Das hilft, gefährliche Situationen zu vermeiden. Arbeitet der Fahrer in kritischen Bereichen oder kommt es zu Fehlbedienungen, wird er optisch und akustisch gewarnt, die Gerätesteuerung greift dann aktiv und regulierend ein. Der Fahrer kann folgende Funktionen aufrufen: Hubhöhenvorwahl zur exakten Hubhöhen-Ansteuerung per Knopfdruck, Hub- und Senkbegrenzung, eine Lastwaage mit Addierfunktion, Fahrdynamikeinstellungen, Tempolimit und den jeweils aktuellen Energieverbrauch. Das System wird zunächst in E-Staplern mit 2 bis 5 t Tragfähigkeit angeboten.

Tools für die Flotten-Optimierung

Für hohe Transparenz in der Flurförderzeugflotte sorgt das System „Toyota I-Site“, das sämtliche Leistungsdaten der eingesetzten Stapler abbildet: Eine On-Board-Telematik überträgt die Daten über ein gängiges GPRS- beziehungsweise 3G-Netzwerk an die Toyota-Datenbank. Neu ist eine mobile App für die Fernüberwachung der Flotte via Smartphone. Für die erhöhte Sicherheit sorgt der „Pre-Operational-Check, bei dem der Bediener über ein Display am Gerät eine Standardüberprüfung durchführt und bei Mängeln den Flottenbeauftragten über das Web-Portal oder die App informieren kann.

Robuste Geräte für schwierige Einsatzumgebungen

Trotz aller möglichen Hightechausstattungen bei Staplern sind bei extremem Klima und sehr rauen Einsatzbedingungen einfacher ausgestattete, aber sehr robuste und hochleistungsfähige Geräte gefragt: So bietet beispielsweise Jungheinrich eine neue Staplergeneration von hydrodynamisch angetriebenen Fahrzeugen (Wandler) für bis zu 3,5 t Tragkraft an. Die Stapler sind durchgängig mit robusten Kubota-Motoren und widerstandsfähigen Nasslamellenbremsen ausgestattet. Das neue Hubmastkonzept garantiert eine sehr gute Sicht auf Last, Gabeln und Arbeitsumfeld und ermöglicht konzentriertes und sicheres Arbeiten auch bei hohen Umschlagleistungen.

Auch Gebrauchtstapler sind zunehmend hoch im Kurs: So verließ am 16. Juli 2014 der 25.000. Stapler das Gebrauchtgerätezentrum von Jungheinrich. Bis zum Jahr 2018 wird die Kapazität von derzeit 4500 auf 8000 aufgearbeitete Fahrzeuge pro Jahr erhöht.

Starker Boom bei Logistikimmobilien

Last not least sind Logistikimmobilien beliebt wie nie: So war das zweite Quartal 2014 mit rund 920.000 m² Neubaufläche, überwiegend in den Top-20-Logistikregionen, der aktivste Zeitraum der vergangenen zwei Jahre. Das ist ein starkes Indiz für den steigenden Bedarf an professionell realisierten Logistikhallen und „dedicated warehouses“. Denn nur so können sich die Produkthersteller verstärkt auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren: möglichst perfekte Waren und Dienstleistungen für ihre lokalen und globalen Kunden anzubieten – denn exakt für diese wird ja all der immense Logistikaufwand betrieben.

* Reinhard Irrgang ist freier Journalist in München

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