Handhabungstechnik Künstliches Gecko-Greifsystem packt auf ISS auch Weltraumschrott

Redakteur: Peter Königsreuther

Wie Geckos selbst an staubigen Wänden regelrecht kleben, hat man lange nicht gewusst. Feine Härchen an den Zehen sind des Rätsels Lösung. Die gibt es jetzt auch künstlich vom INM hergestellt...

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Blick auf die am INM hergestellten Mikrostrukturen, die dünner als ein Haar sind. Appliziert man diese auf Greifern, so führen sie zum selben Hafteffekt wie die Zehenhärchen (Setae) von Geckos.
Blick auf die am INM hergestellten Mikrostrukturen, die dünner als ein Haar sind. Appliziert man diese auf Greifern, so führen sie zum selben Hafteffekt wie die Zehenhärchen (Setae) von Geckos.
(Bild: INM)

Die vom haftstarken Gecko inspirierten Materialien wurden vom Leibniz-Institut für Neue Materialien (INM) aus Saarbrücken im letzten Jahr der ISS-Besatzung zur Verfügung gestellt. Dort hat man sie an die sogenannten Astrobees, eine Roboterentwicklung der NASA, appliziert, um damit dem bedrohlichen Weltraumschrott offensiv zu begegnen. Denn tausende Tonnen davon umkreisen derzeit mit hoher Geschwindigkeit (und damit sehr hoher kinetischer Energie) die Erde – und es wird immer mehr! Meist sind es die Reste bereits beendeter Weltraummissionen oder von ausgedienten Satelliten.

Das Gefährliche daran: Schon zentimetergroße Exemplare können bei einer Kollision mit Satelliten, Raumfahrzeugen und -stationen immensen Schaden anrichten. Forschende der Technischen Universität Braunschweig haben in Kooperation mit dem INM deshalb einen Mechanismus zum „Einfangen“ von Weltraumschrott entwickelt. Dieser wurde im letzten Jahr an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) unter Weltraumbedingungen erfolgreich getestet, betonen die Beteiligten.

Weltraumschrott lässt sich nicht so einfach fangen...

Will man den Weltraumschrott aber einfach so greifen, ist das nicht ganz so einfach, wie es sich anhört, geben die Wissenschaftler zu bedenken. Denn einerseits seien konventionelle Saug-Greif-Systeme im Vakuum des Weltalls nicht funktionsfähig und andererseits würden sich Objekte im All nicht wirklich „kooperativ“ zeigten. Denn sie taumeln, senden keine Signale für das leichtere Aufspüren und können ihre Lage und Position nicht regeln, heißt es dazu. Das Gecko-Greifsystem bleibe angesichts dieser Probleme unbeeindruckt, weil es auch unter Vakuumbedingungen voll funktionsfähig sei. Und damit auch das Andocken klappt, hat man am Institut für Raumfahrtsysteme der TU Braunschweig einen Mechanismus implementiert, der sich an ein freischwebendes Objekt automatisiert annähern kann.

Vom Handlingroboter zur Weltraummission

Die im Andockmechanismus verwendete Gecko-Innovation, mit der man kontrolliert entweder das Haften oder das Ablösen herbeiführen kann, wird übrigens heute schon in der Robotik für Handlingaufgaben verwendet. Der Einsatz in Raumfahrtanwendungen ist aber neu, betonen die Forscher. Deshalb wurden an Bord der ISS auch verschiedene Gecko-Haftmaterialien an unterschiedlichen Oberflächen getestet, die typischerweise in Raumfahrzeugen oder Satelliten verbaut werden. Dazu zählen Acrylglas für Solarpanels, Multilayer-Isolierung als Wärmedämmmaterial und Aluminium für die Außenhaut.

Ende Dezember 2020 demonstrierten der US-Astronaut Victor Glover und einen Monat später seine Kollegin Shannon Walker den neu entwickelten Andockmechanismus. Die damit modifizierten Astrobees wurden in Sachen „Greifen von Weltraumschrott“ dann mit Erfolg auf die lauernde Gefahr in der Umlaufbahn losgelassen. Die Erkenntnisse flössen nun in weitere ISS-Missionen ein und sollen auch irdischen Anwendungen zugute kommen.

Zum Hintergrund des Projekts:

Das Experiment verantwortete das Institut für Raumfahrtsysteme der TU Braunschweig im Rahmen des Projekts REGGAE (REduced Gravity Gecko Adhesion docking Experiments), das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und dem Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) gefördert wird.

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