Lagerlogistik im Mittelstand – WM vs. EWM und S/4HANA
SAP bringt mit S/4HANA Schwung in die Logistik. Das Extended Warehouse Management (EWM) ist in den Kern der neuesten Business-Suite integriert. Welche Vorteile das der Lagerwirtschaft bietet und welche Warehouse-Management-Tools je nach Anforderung infrage kommen, schildert der nachfolgende Beitrag.
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SAP und die Lagerwirtschaft gehen bereits seit Jahrzehnten Hand in Hand. Ob Enterprise Ressource Planning (ERP), Supply Chain Management (SCM), Transport- oder Warehouse Management (TM/WM): SAP liefert die Lösung, die alle Welten miteinander vereint. Wer logistische Bewegungen mit SAP abbildet, profitiert von durchgängig digitalen Informationsflüssen und optimiert Abläufe. Jederzeit wissen, wie viel, wo, wann und wie unterwegs, eingelagert, bestellt oder verkauft ist – mit SAP kein Problem. Darum hat die Bundesvereinigung Logistik die Waldorfer Software 2016 und 2017 als „Beste Logistik-Marke“ ausgezeichnet.
Reduzierter Pflegeaufwand
Das SAP LES Warehouse Management, kurz WM, galt lange Zeit als der Standard für Logistik und Lager. Das 1993 erstmals unter diesem Namen eingeführte Modul ist direkt an den Kern des ERP-Systems angedockt. Es bietet einen über die Jahre stetig gewachsenen Funktionsumfang, den Anwender über eine große Anzahl an verfügbaren Partnern mittels Add-ons erweitern können. So lassen sich Funktionen realisieren, die das im Jahr 2005 von SAP vorgestellte Extended Warehouse Management, kurz EWM, ab dann standardmäßig an Bord hat. Wer beispielsweise Maschinensteuerungen anbinden möchte, greift beim EWM auf ein vordefiniertes Set an Bausteinen zu. Fast auf Knopfdruck lassen sich Kleinteilelager oder Flurfördertechnologien integrieren. Die funktionalen und prozessualen Vorlagen reduzieren zudem den Pflegeaufwand, den stärker individuell ausgeprägte Systeme erfordern.
Das EWM ist, im Gegensatz zum WM, kein Modul im ERP, sondern ein eigenständiges System. Anwender installieren ERP und EWM auf zwei unterschiedlichen Instanzen. Das heißt: Kaufmännische und logistische Transaktionen sind nicht nur operativ, sondern können auch physisch voneinander getrennt betrieben werden. Über Schnittstellen müssen beide Systeme kontinuierlich etwa Stamm- und Bewegungsdaten abgleichen oder Belege austauschen und duplizieren. Ein fehleranfälliges, aber unvermeidbares Verfahren, um das Last- und Latenzverhalten des Gesamtsystems nicht zu beeinträchtigen: Fährt das ERP-System umfangreiche Reportings, bleibt die Performance des Lagers davon unberührt – und umgekehrt.
Standardisierte Schnittstellen
Das EWM ist Bestandteil der Supply- Chain-Execution-Platform von SAP (SAP SCE), einer Plattform für die Logistik. Branchenspezifische Applikationen und ein eigenes Event Management für Track-&-Trace- Anwendungen lassen sich sehr bequem in die kaufmännischen Kernprozesse des ERP-Systems integrieren. Standardisierte Schnittstellen stehen bereit, um beispielsweise Zölle über SAP Global Trade Services abzufertigen oder Informationen in das SAP Customer Relationship Management zurückzuspielen.
Das WM-Modul setzen kleinere Lager und Mittelständler besonders häufig ein. Im Vergleich mit dem EWM bietet es das günstigere Lizenzmodell und einen abgespeckten Funktionsumfang, was für Anwender aus diesem Nutzerkreis den Ausschlag gibt. Allerdings schläft die Entwicklung nicht: Der Nachfolger der neuesten SAP-Suite S/4HANA kommt und damit auch das Ende der regulären Wartung für viele SAP-Altsysteme. 2025 läuft der Support für das WM aus. Zeit also, um über das EWM nachzudenken. Und das nicht, weil es die Unternehmen müssen, sondern weil das EWM viele Vorteile bietet.
Vorteile des EWM
Das SAP EWM bietet mehr Möglichkeiten, um Prozesse zu automatisieren: Komplette Wegstrecken lassen sich abbilden und Stufen einbauen, um Waren- und Materialflüsse optimal zu steuern. Lieferungen gehen im Lager ein, erreichen Qualitäts- und Dekonsolidierungszonen und schließlich ihren Lagerplatz – vollautomatisch. Weiterer Vorteil des EWM: Es bietet einen größeren Nummernkreis. Logistiker können ihr Lager feiner clustern und unbegrenzt Lagertypen definieren – im WM-Modul waren nur 30 Typen vorgesehen. Außerdem lassen sich Klarnamen in die Bezeichnungen integrieren, was dem Personal die Arbeit erleichtert.
Der Quellcode des EWM ist offen. So sind Kunden in der Lage, auch das EWM gemäß ihren Anforderungen weiter anzupassen. Im Unterschied zu proprietären Systemen, die Nutzer an einen Anbieter binden, sorgt das offene EWM von SAP für ein florierendes Partnernetzwerk: Anwender greifen auf ein riesiges Ökosystem aus Beratungshäusern mit unterschiedlichen Schwerpunkten zu. Ein schier unerschöpflicher Ressourcenpool, der für Agilität und hohe Zukunftssicherheit sorgt. Auch in Jahren finden Logistiker einen Partner, der gewünschte Anpassungen realisieren kann. Und wenn Anwender selbst über das Know-how verfügen, entwickeln sie das offene EWM einfach weiter.
S/4HANA integriert EWM
Jetzt rückt die neueste SAP-Suite auf den Markt: S/4HANA kommt und integriert das EWM in den digitalen Kern des Systems. Als „embedded EWM“ bietet das Vorteile: Schnittstellen und Duplizierungen entfallen. Statt Stamm- und Bewegungsdaten zwischen ERP und EWM auszutauschen, arbeiten kaufmännische und logistische Anwender bei S/4HANA parallel und gleichzeitig mit ein- und demselben Stamm- und Bewegungsdatensatz. Statt Daten zu replizieren oder zu aggregieren, stellt S/4HANA Informationen in Echtzeit bereit. Dafür sorgen das komprimierte Datenbankmodell von SAP und die In-Memory-Technologie. Die gesamte Datenbank des ERP-Systems hält S/4HANA im Arbeitsspeicher vor. Zeitaufwendige Lese- und Schreibprozesse entfallen. Ergebnisse stehen immer genau in dem Moment bereit, in dem sie gefragt sind. Zudem erlaubt S/4HANA parallele Buchungen. Waren bei vorangehenden SAP-Suites Buchungen kurzzeitig gesperrt, können heute mehrere Mitarbeiter gleichzeitig an einer Aufgabe arbeiten. So lassen sich Abläufe übergreifend beschleunigen. ■
* Meik Brand ist SAP-Experte bei der QSC AG in 50829 Köln, Tel. (02 21) 66 98-0 00, info@qsc.de
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