Innerbetrieblicher Materialfluss Lagerverwaltungssystem – Optimierung der Lagerverwaltung
Vor zehn Jahren stand bei Lagerverwaltungssystemen (LVS) im Wesentlichen noch die Optimierung von innerbetrieblichen Transportaufträgen im Fokus. Heute ist immer mehr ihre Fähigkeit zur kollaborativen Vernetzung gefragt. Es gilt zum Beispiel, neue Technologien wie Smart Glasses oder Kommissionierroboter in die IT-Strukturen moderner Lager zu integrieren. In Zeiten von Industrie 4.0 sind Warehouse Management Systeme außerdem gefordert, schnelle und intuitive Informationen über den kompletten Lagerbetrieb bereitzustellen.
Anbieter zum Thema

Die Bezeichnung Lagerverwaltung lässt vermuten, dass sich die Aufgaben einer Lagerverwaltungssoftware lediglich auf die digitale Verwaltung der Lagerpositionen von Artikeln im Lager beschränken. Diese Betrachtungsweise spiegelt jedoch nicht unbedingt das Spektrum der auf dem Markt erhältlichen IT-Lösungen wider. Zum einen geht der Funktionsumfang moderner Lagerverwaltungssysteme erheblich über die reine Verwaltung von Lagerbeständen hinaus. Außerdem konzentrieren sich die Funktionalitäten von Lagerverwaltungssystemen heutzutage bei weitem nicht mehr nur auf das Lager selbst, sondern zusätzlich auf die vor- und nachgelagerten Prozesse in den Bereichen Wareneingang und Versand.
Das Lagerverwaltungssystem als digitales Herz eines Lagers
Das Lagerverwaltungssystem ist die wichtigste Schaltstelle, wenn ein Lager hochgradig automatisiert ist oder komplexe sowie zeitkritische Aufgaben zu erfüllen hat. Die Lagerverwaltung ist in der Regel an ein übergeordnetes ERP- oder Warenwirtschaftssystem gekoppelt, von dem es innerbetriebliche Lager- und Transportaufgaben erhält. Das Lagerverwaltungssystem seinerseits optimiert und koordiniert die zu erledigenden Aufgaben und übergibt die Transportaufträge an untergeordnete Materialflusssteuerungssysteme (MFS). Das können die Regalbediengeräte eines Hochregallagers oder die Shuttle-Fahrzeuge eines Leichtgutlagers sein, aber auch Stapler und Fördertechniksysteme. Bildlich gesehen, funktioniert ein Lagerverwaltungssystem wie das digitale Herz eines Lagers: Die Lagerverwaltungssoftware speist Informationen und Aufträge in die Lagertechnik-, in die Kommissionier- und Versandsysteme ein und sorgt für ein optimales Zusammenspiel sämtlicher Lagergewerke.
Warehouse-Management-Systeme und Lagerverwaltungssysteme: Per Definition nicht exakt dasselbe
Auch wenn Fachbegriffe anglizistischer Herkunft zunehmend das Vokabular in Logistik und Supply Chain Management bestimmen: Per Definition ist es eigentlich nicht ganz korrekt, synonym für das Lagerverwaltungssystem den wörtlich übersetzten Begriff Warehouse Management System (WMS) zu verwenden. Die VDI-Richtlinie 3601 von 2015 gibt Aufschluss darüber, wo die genauen Unterschiede zwischen den beiden Begrifflichkeiten liegen.
Im Kern lässt sich festhalten: Neben den elementaren Funktionen einer Lagerverwaltung umfasst der Leistungsumfang eines Warehouse Management Systems zusätzlich auch die Methoden und Mittel zur Kontrolle der Systemzustände sowie eine Auswahl an Betriebs- und Optimierungsstrategien. Aus Gründen der Vereinfachung wird die strenge Begriffsabgrenzung zwischen LVS und WMS in der Praxis gern außer Acht gelassen.
Implementierung einer Lagerverwaltungssoftware
– Die Prozessanalyse als Ausgangspunkt
Wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Implementierung einer LVS- oder WMS-Software gelingt, sind die ersten Planungsschritte, in denen es darum geht, sämtliche innerbetrieblichen Materialflussprozesse genauestens zu erfassen. Die Einführung oder der Austausch einer bestehenden WMS- oder Lagerverwaltungssoftware erfordert ein möglichst exaktes Wissen über alles, was vom Wareneingang über das Lager bis in den Versandbereich im Regelfall geschieht. Experten halten die Einführung einer LVS- oder WMS-Software aus diesem Grund für einen der schwierigsten Prozesse im Rahmen der Materialflussoptimierung.
Unternehmen, die die Einführung oder den Austausch einer bestehenden Software anstreben, müssen sich außerdem mit einem kaum überschaubaren Spektrum an Entscheidungskriterien auseinandersetzen. Hierbei spielt zunächst die vorhandene Systemarchitektur eine wichtige Rolle. Nicht jedes WMS unterstützt zum Beispiel die benötigten Schnittstellen, um problemlos mit jedem beliebigen ERP-System zu harmonieren. Auf der anderen Seite lässt sich auch nicht jeder an die Lagerverwaltung gekoppelte, nachgelagerte Prozess reibungslos in jede WMS-Software integrieren. So kann es vorkommen, dass die WMS-Software und das schon im Einsatz befindliche IT-Subsystem für die Gefahrgutverwaltung nicht richtig miteinander kommunizieren können oder bei einem E-Commerce-Versender Schwierigkeiten bei der Rücklagerung von Retouren entstehen.
Eine zusätzliche Herausforderung ergibt sich aus dem Umstand, dass sich unter der Vielzahl der auf dem Markt angebotenen Softwarelösungen keine exakt miteinander vergleichbaren Standardsysteme befinden. Die WMS-Anbieter folgen teilweise sehr individuellen Schwerpunktsetzungen. Ein Grund dafür ist, dass Lagerverwaltungssysteme oder Warehouse Management Systeme unterschiedlichsten Warenlagern, Lagertypen und -größen gerecht werden müssen.
Anbieter von Lagerverwaltungssoftware setzen auf modulare Lösungen
Damit die angebotenen IT-Systeme eine möglichst große Zahl der von den Unternehmen benötigten Funktionen erfüllen, hat sich bei den WMS-Lösungen in den vergangenen Jahren ein Trend zum modularen Aufbau von WMS-Lösungen etabliert. Neben den wichtigsten Kernfunktionen, wie etwa der Wareneinlagerung, der Umsetzung von nachfragebezogenen Optimierungsstrategien, der Auftragsbearbeitung, der Inventur oder der Verpackung und der Bereitstellung von Frachtpapieren, ist es bei vielen Anbietern möglich, Zusatzfunktionen, wie etwa die Verwaltung von Seriennummern, die IT-gestützte Transportmittelverwaltung oder eine Dock- und Yardmanagement-Funktion für die Optimierung der Rampenverkehre, zu aktivieren. Außerdem treten immer mehr auch Erweiterungsmodule und Subsysteme in Erscheinung.
Dazu zählt zum Beispiel die Anbindung von Pick-by-Voice-Funktionen für die Kommissionierung – oder zunehmend auch die Integration neuer Technologien in die innerbetriebliche Logistik, etwa durch den Einsatz kollaborativer Mensch-Roboter-Kommissionierlösungen oder die Pick-by-Vision-Kommissionierung mit Hilfe von Datenbrillen.
Das folgende Schaubild gibt einen Überblick über einige Kern- und Zusatzfunktionalitäten der Warehouse Management Systeme:
Trend zu Suite-Lösungen
Die vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) betriebene Informationsplattform „warehouse logistics“ analysiert die Veränderungen des WMS-Marktes seit mehr als 15 Jahren – und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Angebot und Nachfrage auf diesem Sektor bedarfsgerecht zusammenzubringen. Im aktuellen WMS-Marktreport 2016 beobachten die Fraunhofer-WMS-Experten eine Verschiebung der Anbietertypen weg von reinen Anbietern fürWarehouse Management Systemehin zu Suite- und Lagertechnikanbietern.
Außerdem benennen die Experten der Informationsplattform fünf Trendthemen, die den WMS-Markt in den kommenden Jahren stark beeinflussen werden:
- Zunehmende Integration mobiler Plattformen und Endgeräte in die Intralogistik;
- Ausbau webbasierter Benutzeroberflächen;
- Verstärkte Konzentration auf ergonomische Effekte bei den Benutzeroberflächen;
- Weiterentwicklung (audio-)visueller Pickverfahren;
- Integration von Industrie-4.0-Technologien in die Intralogistik.
Prof. Michael ten Hompel, geschäftsführender Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik, beobachtet darüber hinaus auch einen Entwicklungsschritt hin zu Cloud-basierten Warehouse Management Systemen. „Über 50 % der Anbieter bietet seine Software derzeit als Cloud-Lösung an“, zitiert der Logistikexperte aus dem aktuellen WMS-Marktreport. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass sich der überwiegende Anteil der Anbieter derzeit noch schwer tut, mit Cloud-basierten Angeboten nennenswerte Umsätze zu erzielen.
Verstärkter Bedarf nach einem flexiblen und wandelbaren Lagerverwaltungssystem
Für den Fraunhofer-Logistikexperten ist der anbieterseitig vorangetriebene Prozess der Datenverlagerung nicht mit selbstlosem Verhalten der Anbieter zu erklären. „Die Beschleunigung schreitet durch die Digitalisierung in allen Bereichen weiter voran – ob im E-Commerce-Bereich oder in der hoch flexiblen Produktion einer Industrie 4.0“, sagt Prof. ten Hompel. „Die WMS-Anbieter sind gefordert, sich allen damit verbundenen Herausforderungen zu stellen. Die immer kürzer werdenden Lieferungs- und Planungszeiträume wecken einen verstärkten Bedarf nach flexiblen und wandelbaren Systemen. Sie haben vor allem aber auch einen steigenden Bedarf nach echtzeitnaher Datenverarbeitung sowie einer echtzeitnahen Simulation von Prozessen zur Folge. Diesen Bedarf zu decken und gleichzeitig auch den sicheren Umgang mit Daten zu gewährleisten: Diese Herausforderungen werden den WMS-Markt in den kommenden Jahren weiter stark beschäftigen.“
* Karin Walter ist Inhaberin des gleichnamigen Medienbüros in 72768 Reutlingen, Tel. (0 71 21) 5 39 49 17, info@wal-medien.de
(ID:44669369)