Verladetechnik Lkw und Jet – immer Ärger mit dem Boarding

Redakteur: Robert Weber

Ob Vielflieger oder Tourist – das Einsteigen ins Flugzeug sorgt für Stress und kostet Zeit. Auch die Industrie hat ein Boardingproblem. Die Lkw kommen ohne Zeitfenster auf das Werksgelände und bewegen sich vor Ort oft selbstständig. Mit einer Software wollen Logistiker die Zulaufsteuerung verbessern.

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Wer schafft es als erster in den Jet? Nicht nur die Airlines haben ein Boardingproblem, auch die Industrie sucht Lösungen, wie die Lkw besser gesteuert werden können.
Wer schafft es als erster in den Jet? Nicht nur die Airlines haben ein Boardingproblem, auch die Industrie sucht Lösungen, wie die Lkw besser gesteuert werden können.
(Bild: Kuba Bozanowski unter CC BY 2.0-Lizenz, wikicommons)

Seit mehreren Jahren suchen Fluggesellschaften nach einer Lösung für das Boarding des Flugzeugs. Wissenschaftler, Generationen von Studenten und sogar Laien sollten und durften sich mit dem Thema schon beschäftigen. Die Frage: Dürfen zuerst die hinteren Reihen eintreten oder doch die Fluggäste mit den geraden Sitzplatznummern? Jede Airline hat ihr eigenes Konzept.

Automation macht an der Verladerampe Halt

Das Ergebnis: Vom Gate bis zum Flieger kommt es zu Staus, Stress und damit Zeitverzögerungen, die Geld kosten. Auch der Handel und die Industrie haben gewissermaßen ein Boardingproblem. Auf den Höfen der Logistikzentren stauen sich Lkw, schimpfen Verlader und Chauffeure aufeinander und wird Geld verbrannt.

Kurios, denn die deutsche Industrie und der Handel gelten weltweit als Vorreiter, wenn es um die Automatisierung im Lager geht. Doch an der Rampe, dem Bindeglied der Wertschöpfungskette, verlässt die Verantwortlichen der Mut zu investieren. Der Logistikweltmeister Deutschland ist ratlos. Zwar entwickeln viele Unternehmen immer neue mechanische Rampensysteme mit Anfahrtsampeln, Rammschutz und RFID-Erkennung, doch das Problem bleibt - es hapert an der Steuerung der Lkw-Verkehre.

Lkw sind selbstständig aufdem Werksgelände unterwegs

Eine Umfrage der Softwareentwickler von Inform kommt zu dem Ergebnis, dass 60 % der Lkw am vereinbarten Liefertag ohne ein definiertes Zeitfenster oder sogar ganz spontan ankommen. Dazu kommt: Bei 50 % der Umfrageteilnehmer bewegen sich die Lkw ungesteuert und selbstständig auf dem Firmengelände. Eine Kalkulation oder sogar Reduzierung der Durchlaufzeiten ist unmöglich – das wissen auch die Airlines.

Das Problem trifft nicht nur kleine oder mittelständische Unternehmen. Auch Konzerne hadern mit ihrer Lkw-Zulaufsteuerung. Das Ziel aller: eine bessere Planbarkeit der Abfahrten und Ankünfte.

Ähnliche Vorstellungen hatte auch Lutz Schulz, Logistikleiter bei der Fuchs Europe Schmierstoffe GmbH. „Früher standen hier morgens 30 Tankwagen und Lkw mit Anlieferungen vor dem Werkstor und wir kamen durch den Stau manchmal nicht in unser eigenes Werk hinein“, blickt der Logistiker zurück. Per Fahrrad und Zuruf lotsten Mitarbeiter die Fahrzeuge über die Waage und das Labor zur Entladestation.

Lkw-Zulaufsteuerungssoftware beseitigt Überlastung an der Laderampe

Das Ergebnis: In dem Unternehmen kam es zu einer morgendlichen Überlastung. Die Fahrer mussten deshalb stundenlang auf ihre Abfertigung warten. Die Speditionen hatten keine Planungssicherheit und wussten nie, wann ihre Tankwagen und Lkw wieder verfügbar waren. Lutz Schulz und seine Mannschaft handelten. Das Lotsenspiel hatten sie satt. Die Mannheimer entschieden sich deshalb für die Lkw-Zulaufsteuerungssoftware Syncrosupply von Inform.

Dank Lkw-Zulaufsteuerungssoftware werden alle Tankwagen pünktlich abgefertigt

Heute stehen keine Tankwagen mehr vor dem Tor. Syncrosupply steuert den Zulauf bereits vor der Ankunft. Speditionen haben durch das System die Möglichkeit, ihre Anlieferungen auf der Onlineplattform anzumelden. Sie können eine Wunschzeit für die Anlieferung angeben und erhalten diese auch, wenn sie frei ist. Ist dies nicht der Fall, gibt Syncrosupply eine Alternativzeit aus, die sich an der Wunschzeit, den Ladestellenkapazitäten, den verfügbaren Entladeressourcen und – sofern gewünscht – an den Anlieferprioritäten orientiert.

Die Entwicklung sorgt dafür, dass alle angemeldeten und pünktlichen Tankwagen oder Lkw innerhalb der vertraglich vereinbarten Entladezeit abgefertigt werden. Für Syncrosupply steht dabei das Gesamtoptimum im Vordergrund – zur Erreichung einer möglichst kurzen Gesamtdurchlaufzeit. Sollte in Einzelfällen dennoch entschieden werden, dass ein Tankwagen oder Lkw länger warten muss, werden diese Zeiten von Fuchs über entsprechende Standgebühren ausgeglichen.

Spediteure buchen für 90 % der Tankwagen ein Zeitfenster

Fahrzeuge ohne Ankündigung müssen warten, bis Syncrosupply ihnen in der laufenden Echtzeitoptimierung der Entladeprozesse ein Zeitfenster zuweist. Die Speditionen haben keinen Anspruch auf Standgelder und erhalten zudem Minuspunkte bei der Lieferantenbewertung. Dieser Ablauf, verbunden mit dem Anreiz einer kalkulierbareren und kurzen Durchlaufzeit, hat die anliefernden Speditionen dazu gebracht, heute für 90 % der Tankwagen ein Zeitfenster zu buchen. In den ersten Monaten betrug die Rate 73 %.

Hat die Spedition gut gearbeitet, kommt der Tankwagen oder Lkw mit einem Laufzettel an der Pforte an. Den Laufzettel sendet die Zeitfenster-Buchungsplattform mit einer Anmelde-ID und den Lieferdaten an die Spedition. An der Pforte genügt ein Scan des Dokuments und alle Formalitäten sind erledigt. Ohne Laufzettel müssen die Inhalte der Lieferpapiere ins System eingegeben werden.

Nach dem Eingangsprozess erhält der Fahrer ein Handy, das ihn per SMS über das Werksgelände steuert. In seinem Leitstand überblickt Logistiker Schulz den gesamten Entladeverkehr. In Echtzeit zeigt Syncrosupply, welches Fahrzeug sich wo in welchem Status befindet. Von dort kann er das System auch steuern, wenn etwa ein Tankwagen mit einer priorisierten Ladung ankommt. Auch das Entladepersonal ist über Monitore im Bild, wann welcher Lkw zu erwarten ist, und kann sich vorbereiten und die Entladeressourcen vorhalten.

Lkw-Zulaufsteuerungssoftware steuert Tankwagen selbstständig über das Werksgelände

Die Steuerung der Tankwagen und Lkw über das Werksgelände übernimmt die Software selbstständig. Das System entscheidet, wann welches Fahrzeug wohin gesteuert wird. Dazu nutzt es Entscheidungsverfahren. Gleichzeitig betrachtet die Entwicklung in Echtzeit die Verkehrssituation im Werk und die zu erwartenden Anlieferungszuläufe. Sind Fahrzeuge früher eingetroffen oder verspäten sie sich, errechnet Syncrosupply eine neue Entladereihenfolge, die alle Stationen im Werk optimiert auslastet und Staus auf dem Gelände möglichst vermeidet.

Zurzeit schleust Schulz 20 Tankwagen an einem Standardtag durch das Werk. Dabei rechnet er mit einer Durchlaufzeit von drei Stunden pro Entladeprozess. „Ich kann sehen, wie lange die Entladung für einen Grundstoff genau dauert. Oft sind das weniger als zwei Stunden, manchmal mehr, wenn die Laboruntersuchungen sehr lange dauern.“ Mit diesem Wissen kann Schulz die Zeitfenster individuell auf die angelieferte Ladung zuschneiden und insgesamt einen engeren Takt mit mehr täglichen Fenstern realisieren. Der Fahrradlotse ist entgültig Vergangenheit.

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