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 Andreas Seidel

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Digitale Transformation Logistik 4.0 und die digitale Zukunft – Logistik ohne Menschen geht nicht!

Autor / Redakteur: Andreas Seidel / Jonas Scherf

Braucht die Logistik der Zukunft noch Menschen? Die Verunsicherung geht in Anbetracht vieler vorgestellter Zukunftsvisionen um. In dieser Beitragsreihe soll diese Frage sachlich genauer beleuchtet werden.

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Der Mensch bleibt in der Logistik erhalten
Der Mensch bleibt in der Logistik erhalten
(Bild: Seidel)

In Ruhrgebiet lautet ein alter Spruch: Im Durchschnitt sind der Chef von Krupp und sein Fahrer beide Millionäre – nur der eine ist es wirklich. In der Logistik verhält es sich ähnlich. Durchschnittsmengen sind in der Auslegung logistischer Systeme keine validen Größen. Sie können lediglich Indikatoren dafür sein, auf welchem Grad eine technisch automatisierte Infrastruktur noch wirtschaftlich ist. Wohl den wenigen Unternehmen, für die der Durchschnitt eine verlässliche Arbeitsgröße ist.

Wann ist Logistik »normal«?

Viele Lieferketten leben mit extremen Schwankungen, die saisonal oder eben auch ohne jeglichen »Plan« in Zickzack-Linien durch das Jahr verlaufen. Große Teile der Süßwarenbranche leben von Ostern und vor allem Weihnachten. Zwar hat man verstanden, dass man Weihnachtsartikel schon ab Anfang September in die Märkte ausliefert, um den größten Peak abzufangen, anderseits könnte der neue Trend zum Onlinehandel im Lebensmittelbereich hier auch zu einer Umkehr führen. Was, wenn der Kunde in Zukunft wieder Osterhasen erst wirklich zu Ostern und Lebkuchen erst wirklich zu Weihnachten bestellt?

Signifikante Mengenschwankungen sind nicht nur ein Problem der Konsumgüterbranche. Die täglichen Ausgangsmengen eines großen Unternehmen im technischen Handel können zwischen 350 und 1.400 vollgeladenen LKW verteilt auf mehrere Standorte schwanken, ohne dass es hier einen planbaren Bezug gibt. Bei 24 Stunden Lieferzusage, bzw. projektbezogenen Terminen und Baustellenbelieferung ist auch keine Glättung möglich. Die Spitzen müssen so abgearbeitet werden, wie sie kommen.

Digitalisierung wird unterstützen, nicht ersetzen

Fakt ist, Digitalisierung wird in Zukunft all diese Prozesse noch effizienter unterstützen. Unrealistisch ist es aber, dass wir auch die möglichen Maximalauslastungen maschinell unterstützen. Allein aus wirtschaftlichen Gründen, wird man Material-, Kommissioniersysteme, etc. in vielen Fällen unterhalb der Maximallast konfigurieren müssen. Technische Infrastruktur vorzuhalten, die nur wenige Tage im Jahr genutzt wird, kann sich kein Unternehmen leisten. Selbst Amazon muss zu Saisonspitzen befristet Mitarbeiter einstellen – und die lassen sich nicht von Maschinen anleiten.

Logistik bedeutet Flexibilität

Das Unvorhergesehene ist in der Logistik immer wieder Realität. Dann müssen Abwicklungslösungen gefunden werden, die außerhalb der digitalen Prozesse und Maschinenparks effizient funktionieren. Wer Logistikalltag kennt, weiß dies nur zu genau. Produktionsschwierigkeiten beim neuen Tesla-Modell 3 zeigen, dass allein digitalisierte Abläufe noch kein Garant für reibungsloses Funktionieren sind uns es ohne Menschen, die die Prozesse auch noch analog beherrschen, nicht geht.

Dazu müssen die digitalen Prozesse so offen sein, dass sie manuelle Abwicklungen weiter zulassen. Der zentrale Punkt ist hierbei: Für solche Fälle muss auch ein solider Bestand an operativen und leitendem Personal zur Verfügung stehen, die in solchen Ausnahmesituationen weiterhin manuelle Logistik in dem neuen digitalen Umfeld sowohl prozesssicher wie handwerklich kompetent abwickeln können.

Logistik ist dynamischer als automatisierte Großsysteme

Große Wertschöpfungsanteile der Logistik sind heute an Logistikdienstleister ausgegliedert, dies oft mit kurzen Vertragslaufzeiten. Wir wissen alle, dass technologische und digital aufwendige Prozesse nicht einfach durch plug & do bei einem Dienstleisterwechsel ausgetauscht werden können, dazu ist die Individualität der logistischen Ketten einfach zu groß.

Persönliche Kompetenz ist Wettbewerbsvorteil

Für die Logistik in Deutschland ist diese Form der Flexibilität weltweit ein Prädikatsmerkmal. Es gibt daher keinen Grund, dies leichtfertig aufzugeben. Wir sind in den letzten Jahren mehrfach auf Platz 1 im globalen Ranking der Logistikkompetenz bewertet worden, ein Resultat von Spitzenmanagement bis zum Facharbeiter. In Summe macht es den Unterschied zwischen Durchschnitt und Top-Performance aus. IT-Lösungen kann man global kopieren. Persönliche Kompetenz eben nicht. Wo Logistik heute schon auf dem Stand der Technik ist, wird es eher inkrementelle Verbesserungen geben.

Eine andere Frage ist, wie sich Industrie und Handel in Folge der Digitalisierung neu aufstellen, was Lieferketten grundsätzlich verändern könnte. Dies wird Thema des dritten Teils dieser Reihe sein.

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