Sicherheitslogistik Logistikforscher wollenLawinenopfer schneller retten
Der Horror eines Skitags. Eine Lawine begräbt eine Gruppe unter sich. Jetzt zählt jede Minute, der Hubschrauber ist schon unterwegs. Moderne LVS-Geräte können helfen, aber nur wenige Skifahrer nutzen sie. Deshalb arbeiten Wissenschaftler an einer Lösung für das Smartphone.
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Hätten wir doch bloß nicht so eine große Klappe gehabt, damals in der Kneipe nach dem Skifahren. Der örtliche Skischullehrer lauschte unseren Erzählungen und dachte sich wohl schon, dass da einiges auch geflunkert war. Gut, wir fahren schon seit dem dritten Lebensjahr Ski, aber Profis sind wir deshalb noch lange nicht. Trotzdem: der heimische Lehrer wollte es wissen und lud uns für den nächsten Tag ein – eine schöne Skitour für die großmäuligen Piefkes.
Das Smartphone soll zum Lebensretter in den Bergen werden
Am nächsten Tag wartete unser Skiroutenführer schon am Lift, übergab uns das Lawinensuchgerät, Schaufeln, einen Rettungsrucksack und den guten Ratschlag, immer nah bei ihm zu bleiben. Es geht ins Gelände, Burschen! Darauf war ich nicht vorbereitet und der Check des LVS (Lawinenverschüttetensuchgerät) dauerte, die Einweisung war intensiv, forderte Konzentration und meine Knie wurden weich. Den Piefkes stand die Panik im Gesicht, denn die Bergung eines Verschütteten aus der Lawine zu simulieren, sorgte für Unruhe in der Gruppe. Im Nachgang erinnere ich mich vor allem an die fehlende Benutzerfreundlichkeit des LVS, das monotone Piepen des Geräts und dass planlos durch die Schneewelt irrte.
Das Smartphone soll zum Lebensretter in den Bergen werden
Das soll jetzt anders werden, heißt es im Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik in Dortmund. Die Forscher arbeiten gemeinsam mit Partnern aus der Wissenschaft, Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung an einem System für Smartphones, das um die Such- und Sendefunktion eines LVS-Gerätes ergänzt ist. Der Name für das Projekt leitet sich von der wohl wichtigsten Komponente ab – Galileo, dem europäischen Satellitennavigationsprojekt. Die Idee der Wissenschaftler: Durch das Galileo-Lawinen-Fon-System wird das handelsübliche Smartphone zum LVS. Dabei unterscheiden die Forscher zwei Bereiche. Das Galileo-Lawinen Fon dient zur
Auch das russische Navigationssystem ist Teil der Lösung
Lokalisierung verschütteter LVS-Geräte mittels Smartphones. Es ist eine Weiterentwicklung des erfolgreichen Forschungsprojektes „Galileo-SAR-Lawine“, das eines der ersten Galileo-Anwendungsprojekte weltweit war und eine 3D-Lokalisierungsgenauigkeit von verschütteten LVS-Geräten von 10 cm erreichte. Die Lawinen Fon-Zusatzeinheit ergänzt Smartphones mit allen nötigen Komponenten zur Lawinenrettung: Eine 3D-Magnetfeldantenne zur Erfassung der LVS-Signale,eine A/D-Wandlereinheit sowie einen Sat Nav-Empfänger, ergänzt mit INS-Sensorik und einer Reservebatterie. Zur Verbesserung der Ortung können neben GPS auch bereits die Signale vom russischen Glonass und Galileo genutzt werden. Die Lawinen Fon App errechnet aus den Informationen der Lawinen Fon-Zusatzeinheit die Lage des Verschütteten. Dazu werden die nötigen Ortungsalgorithmen auf Smartphones portiert und optimiert. Die Lage des Verschütteten wird über eine einfache Oberfläche dem Suchenden angezeigt. Auch die Bedienung ist minimiert, um unter Extrembedingungen nutzbar zu sein, schreiben die Ingenieure. Holger Schulz, Projektleiter: „Mit Smartphones sind Skifahrer und Tourengeher vertraut“ Die App hält dazu noch weitere nützliche Zusatzfunktionen bereit, die in heutigen LVS-Geräten nicht zu finden sind. So können Add-ons, wie beispielsweise aktuelle Wetterdaten, Alarmfunktionen, Einbindung der Potenziale der Satellitennavigation oder Korrekturdaten zur Erhöhung der Positionsgenauigkeit in die Galileo-Lawinen Fon-Applikation mit einbezogen werden.
Forscher haben keine Sorgen wegen Kälteschäden
Die Wissenschaftler sind sich sicher: Durch Nutzung von Smartphones ist das Lawinen Fon günstiger und vielseitiger als ein heutiges LVS. Durch eine dadurch mögliche höhere Verbreitung und einer einfachen Nutzung unterstützt das Lawinen Fon somit die Sicherheit beim Wintersport und hilft, die Überlebenswahrscheinlichkeit Verschütteter zu erhöhen. Die Projektpartner sind überzeugt davon, dass die Lösung auf den Markt kommt und Menschen retten wird. Der Berchtesgadener Bergwacht und der Bundes- und Landespolizei wurde das System bereits erfolgreich präsentiert.
Forscher haben keine Sorgen wegen Kälteschäden
Bleibt wohl nur ein Problem: Smartphones mögen keine Kälte. Laut Apple sollte der Benutzer ein I-Phone nur zwischen 0 und 35 Grad verwenden. Problematisch kann bei Kälte auch Kondenswasser werden, das sich unter dem Display sammelt. Ein Test einer finnischen Zeitschrift kam zu dem Ergebnis, dass von 15 Handys, die in eine Kältekammer verfrachtet wurden, Apples I-Phone 4S und Nokias N9 schon bei minus 5 Grad Celsius Sim-Kartenfehler und Akkuprobleme meldeten, schreibt der „Spiegel“.Das sieht Schulz anders. Tests des Projektteams auf der Zugspitze ergaben, dass sowohl Android als auch IOS-Geräte der Kälte standhalten können. Der Rettung am Berg steht demnach nichts im Wege.
Wir starteten unterdessen noch mit herkömmlichen LVS ins Gelände – zahlreiche Stürze inklusive. Doch zum Ernstfall kam es glücklicherweise nicht. Am Ende wartete ein lachender Skilehrer im Tal und munterte uns durchnässte Semiprofis auf: „Ach Burschen, bleibt lieber in der Rhön.“ ■
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