Recycling Logi(sti)sche Lösungen für mehr Kreislaufwirtschaft

Von Matthias Friese

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Kunstoffabfälle sind ein vieldiskutiertes Problem. Solange der Abfall Abfall bleibt, ändert sich daran auch nichts. Die Lösung ist, den Kunststoff nicht nur zu verwenden, sondern zu verwerten.

Granulate wie diese sind das Endprodukt des Kunststoffrecyclings. Sie sind Ausgangsmaterial für neue Kunststoffprodukte.
Granulate wie diese sind das Endprodukt des Kunststoffrecyclings. Sie sind Ausgangsmaterial für neue Kunststoffprodukte.
(Bild: © Gerhard Seybert - stock.adobe.com)

Laut Statistischem Bundesamt fielen im Jahr 2019 416,5 Millionen Tonnen Abfall an. Aus den Zahlen von Destatis geht auch hervor, dass 70 Prozent dieser Abfälle recycelt werden. Das klingt erst einmal gut. Sieht man sich aber beispielsweise die 6,28 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle genauer an, stößt man schnell darauf, dass mehr als die Hälfte davon „energetisch“ verwertet, sprich verbrannt, werden. Die Verbrennung zieht eine Vielzahl an Folgeproblemen nach sich: Nicht zuletzt entstehen dabei Schlacken, Filteraschen, Dioxine, Urane sowie Schwermetalle. Und die kontaminierten Filteranlagen müssen auch entsorgt werden. Die wirklichen Folgen des steigenden Plastikeintrags in unsere Ökosysteme und Nahrungsketten beginnen wir erst zu erahnen. Mehr als ein Drittel des in Deutschland verwendeten Plastik fällt für Verpackungen an. Doch auch, wenn zusehends auf Karton und Papier gesetzt wird, können deren Fasern nicht endlos wiederverwertet werden.

Der beste Müll ist keiner

Plastik oder kein Plastik: So kann die Frage leider nicht lauten. Kunststoffe werden in vielen Bereichen weiterhin eine Rolle spielen. Doch auf die Verwendung von Einwegplastik so weit wie möglich zu verzichten und die Ablagerung von Kunststoffen als Abfälle zu minimieren, sollte weiterhin priorisiert werden. Wer jetzt bioabbaubare Kunststoffe ins Feld führt, dem sei gesagt: Ja, es gibt einen berechtigten Einsatz für sie, zum Beispiel in der Landwirtschaft: Dort kann abbaubare Mulchfolie, die ohnehin eingepflügt wird, zumindest den langfristigen Aufenthalt von Plastik in der Umwelt reduziert.

Doch noch fristen diese Kunststoffe ein Nischendasein und wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, dass sie uns vom Plastikproblem erlösen. Für eine echte Kreislaufwirtschaft braucht es deshalb funktionierende Mehrweg-Pfandsysteme, die auf wiederverwendbare Verpackungen setzen. Drei Komponenten sind dafür wichtig:

  • Eine robuste Verpackung, die möglichst vielen Durchläufen standhält.
  • Ein System zum Aufbereiten und Rückführen der Verpackungen in den Kreislauf.
  • Anreize, die Verpackungen tatsächlich wieder abzugeben.

Die Rückführung der Verpackung kann kostenaufwendig und logistisch komplex sein. Als Vorbild kann hier die standardmäßige Rückführung von Kühlverpackungen dienen. In kleinem Rahmen gibt es bereits Unternehmen, wie das finnische Repack, die ein solches System anbieten. Auch große Carrier wie UPS haben die Reichweite von nachhaltigen Verpackungen erkannt und setzen im Kurier-Express-Paketdienst auf Wiederverwertbarkeit. Wie bei jedem Pfandsystem kommt es allerdings auf eine breite Nutzerbasis an. Denn ansonsten rentiert sich das System nur schwer. Ein Beispiel aus der Logistik ist der Handel und Austausch von Europoolpaletten, von denen sich aktuell 450 bis 500 Millionen Stück im Umlauf befinden. Und dennoch gibt es immer mehr wagnisreiche Versuche, Pfandsysteme für mehr Warenkategorien, wie etwa Kosmetikprodukte, einzuführen. Jemand muss schließlich immer den ersten Schritt tun.

Mehr Transparenz für End-of-Life-Märkte

Wer sich schon einmal gefragt hat, was aus den wenigen tatsächlich recycelbaren Kunststoffen, wie PET-Flaschen, Plastiktüten oder Joghurtbechern, wird: ein „Rohstoff“ namens Rezyklat. Nach der mechanischen Trennung in sortenreine Kunststoffe werden diese zu sogenannten Flakes geschreddert und zu Pellets eingeschmolzen. Eine wenig bekannte Tatsache lautet leider: Der Markt für Rezyklate funktioniert aktuell kaum. Angebot und Nachfrage kommen nicht überein, Anbieter klagen über zu kleine Absatzmärkte und Industrie und Verarbeiter kritisieren die Qualität und verfügbare Menge der Rezyklate.

Einerseits gibt es durch den aktuell niedrigen Rohölpreis einen Überhang bei sogenannten „Downcycling“-Rezyklaten, aus denen beispielsweise Parkbänke gepresst werden oder neue Verpackungen entstehen. Außerdem gibt es einen Mangel bei „Upcycling“- oder „Closed-Loop“-Rezyklaten, die unter anderem für Verpackungen im Kosmetikbereich zum Einsatz kommen.

Neben den Herausforderungen beim Preis und der Qualität fehlt es vor allem an Transparenz in der gesamten Abfall- und im Speziellen der Recyclingwirtschaft. Helfen kann hier eine stärkere Digitalisierung der Wertschöpfungskette, insbesondere der Logistik. Plattformen wie Cirplus, eine digitale Handelsplattform für Rezyklate, verbinden Erzeuger mit Verbrauchern. Das unübersichtliche Netzwerk aus Zwischenhändlern, über welches Recycling-Märkte oft organisiert wurden, lässt sich so vermeiden. Gleichzeitig schafft man Anreize, auf einfachere Stoffe zu setzen, sodass auf kaum recycelbare Materialien aus mehreren Kunststoffsorten verzichtet wird. Auch hier kann die Digitalisierung einen wichtigen Beitrag zum Closed Loop haben: Beispielsweise kann ein Match-Making von Inhaltsstoffen und Abfallprodukten als Datenbank digitalisiert werden. So eine Datenbank betreibt das Start-up CircularIq.

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Wertstoffströme mit der Blockchain verfolgen

Die Blockchain-Technologie findet in immer mehr Kontexten Anwendung. Der Vorteil der Technologie, unabhängig von einer zentralen Autorität, Transaktionen und Besitzverhältnisse sehr fälschungssicher zu dokumentieren, hat das Potenzial, die Logistik von Wertstoffströmen transparenter zu gestalten. Daran arbeitet zum Beispiel das Start-up Circularise. Eine Blockchain ist, ganz grundlegend gesagt, eine Kette von Datensätzen, bei der jeder Datensatz die Validität der vorhergehenden Datensätze bestätigt. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, kann man sich die Anwendung der Blockchain in diesem Fall wie ein auf beliebig viele Rechner verteilbares Grundbuch vorstellen, in dem jede Transaktion von allen Knoten des Netzwerks dokumentiert und legitimiert wird. Damit ließen sich Kunststoffkreisläufe aufbauen, in denen zu jedem Zeitpunkt nachvollziehbar ist, um welches Material es sich handelt, welchen Ursprung es hat und wo es sich aktuell befindet. Die Produkte werden dafür mit einem digitalen Siegel versehen, das ausgelesen werden kann und die Informationen aus der Blockchain darstellt.

Natürlich gibt es bei den unterschiedlichen Strategien, Abfall zu vermeiden, eine Hierarchie: von der unmittelbaren Wiederverwendung von Endprodukten bis zur abwertenden Nutzung der enthaltenen Rohstoffe. Doch je mehr Aspekte unserer Wirtschaft kreisförmig organisiert sind, die Logistik eingeschlossen, desto weniger muss schädlich in Ökosysteme eingegriffen werden. Denn auch, wenn die nominellen Kosten durch Kreislaufwirtschaft steigen können, ist das nichts im Vergleich zu den externalisierten Kosten, die wir letztlich alle durch ein „weiter so“ tragen müssen.

* Matthias Friese ist Managing Partner bei dem Start-up Builder Xpress Ventures in 10119 Berlin, Tel. +49 25 71 99 90, hello@xpress.ventures

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