Distributionslogistik Microdepots organisieren die Zukunft der Logistik

Von Christian E. Baur

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„Verkehrsinfarkt!“ titeln die Medien immer wieder provokativ, denn die großen deutschen Städte sind voll – unter anderem mit Lieferfahrzeugen. Kunden erwarten eine Paketlieferung bis an die Haustür und das natürlich ohne lange Wartezeiten. Die „letzte Meile“ wird bei steigendem Paketvolumen für die Logistik zu einer immer größeren Herausforderung. Die Frage lautet: Wie können Logistiker Kunden in Ballungszentren schnell und effizient versorgen?

Das Pop-up-Lager der Zukunft: Microdepots an unterschiedlichen Standorten statt großer Hauptdepots innerstädtisch an einer Stelle.
Das Pop-up-Lager der Zukunft: Microdepots an unterschiedlichen Standorten statt großer Hauptdepots innerstädtisch an einer Stelle.
(Bild: Swisslog)

Der E-Commerce-Sektor wächst stetig, im B2C- ebenso wie im B2B-Bereich. Unternehmen stehen deshalb unter dem enormen Druck, eine immer größere Anzahl an Paketen in immer kleineren Lieferzeitfenstern zuzustellen. Besonders problematisch ist die Zwischenlagerung der Paketmassen. Zusätzlicher Platz für Großlager in Stadtgebieten steht kaum zur Verfügung. Darüber hinaus beeinträchtigen sie das Stadtbild viel zu stark. Neben den zumeist industriell anmutenden Bauten sorgen viele Lager verschiedener Unternehmen auch für eine Vielzahl an Paketzustellern. So kommt es, dass Anwohner häufig drei verschiedene Zusteller pro Tag in ihrer Straße sehen. Wie kann dieser Prozess durch moderne Belieferungskonzepte effizienter gestalten werden?

Neue Konzepte für die Logistik von morgen

Die Idee von morgen setzt bereits beim Denken der Unternehmen an: Aktuell arbeiten noch viele Unternehmen nach dem Push-Prinzip. Waren werden auf Vorrat fürs Lager produziert und durchlaufen auf ihrem Weg von der Produktion bis zum Bestimmungsort mehrere Zwischenlager und Distributionszentren. Lieferzeiten verlängern sich dementsprechend. Die Entwicklung geht jedoch immer weiter weg vom Push- hin zum Pull-Prinzip.

Passen nicht zuzsammen: die „letzte Meile“ und riesige Lieferfahrzeuge.
Passen nicht zuzsammen: die „letzte Meile“ und riesige Lieferfahrzeuge.
(Bild: Swisslog)

Beim Pull-Prinzip produzieren Unternehmen Waren nur auf Nachfrage und verschicken sie auf direktem Weg an den Bestimmungsort. Das spart Zeit, weil die Ware nicht mehr viele Zwischenlagerschritte durchläuft, sondern direkt dort ankommt, wo nach ihr gefragt wird. Das bedeutet wiederum auch eine wesentlich kleinere Anzahl an Paketen. Dadurch könnten sich verschiedene Unternehmen große Lagerlogistikzentren teilen, die vor den Toren der Stadt liegen. Das spart nicht nur Lagerungskosten, sondern beeinflusst auch den Transport. Denn der könnte in die Innenstädte effektiv gebündelt werden. So werden einzelne, nur halb beladene Lkw vermieden und der Verkehr allgemein reduziert.

Microdepots als flexible Lösungen

Wenn große Hauptdepots komplett aus den Innenstädten verschwinden, müssen dafür sogenannte Microdepots an verschiedenen Standorten in den Städten errichtet werden. Je nach Größe können diese von Unternehmen allein oder als geteiltes Warenlager genutzt werden. Firmen verfügen über eigene Bereiche im Microdepot, teilen sich allerdings den Standort. Da Microdepots weniger Fläche benötigen als herkömmliche Lager, kommen auch eher ungewöhnliche Plätze wie ungenutzte Parkhäuser oder große Eingangsbereiche von öffentlichen Gebäuden infrage. So lassen sich Lösungen finden, um innerhalb von Stadtgrenzen verkehrsärmer und nachhaltiger zu agieren. Außerdem fügen sich die Microdepots besser in das Stadtbild ein als große Lagerhallen.

Weil in Stadtgebieten meist kein zusätzlicher Platz für Großlager zur Verfügung steht, ist die Zwischenlagerung von Paketmassen problematisch.
Weil in Stadtgebieten meist kein zusätzlicher Platz für Großlager zur Verfügung steht, ist die Zwischenlagerung von Paketmassen problematisch.
(Bild: Swisslog)

Vom Microdepot aus können die Waren zur Endadresse geliefert werden. Das engmaschige Netz kleiner Depots macht es möglich, auf nachhaltige Konzepte wie Lastenfahrräder oder Kuriere zurückzugreifen, da diese sich nur in einem eingeschränkteren Radius bewegen müssen. Ausgehend von den Mikroknotenpunkten werden schnellere Lieferungen, zum Beispiel Same-Hour-Delivery, möglich. Neben der Funktion als Endlager können Unternehmen Microdepots auch als direkte Abhol- oder Abgabestation für Kunden nutzen, die dort ihre bestellte Ware erhalten und zurückgeben können.

Mit dem „QTainer“ zum individuellen Depot

Konzepte wie der sogenannte „QTainer“ zeigen mit automatisierten Lagersystemen die Zukunft von Microdepots und der gesamten Lagerlogistik. „QTainer“ sind Micro-Fulfillment-Center und bestehen aus einer Vielzahl an Modulen, die unterschiedliche Spezialisierungen aufweisen und einzeln oder gekoppelt genutzt werden können:

  • Das Lagermodul ist ein automatisiertes Lagerungssystem mit einem Regalbediengerät und einer Miniload-Technologie, verfügt über eine Kapazität von 300 Lagerplätzen und erreicht bis zu 200 Bewegungen pro Stunde. Das Modul kann sowohl seitlich als auch nach oben erweitert werden, um mehretagige Lagerungen zu ermöglichen. Es eignet sich besonders für die Lagerung und Organisation von Behältern und Kartons. Diese können auf kleinen Zwischenabteilen gelagert und durch Maschinen innerhalb des QTainers sortiert und transportiert werden.
  • Das bewegliche Verbindungsmodul basiert auf einer Standardfördertechnik an den Seiten sowie vorn. Um gestapelte Module zu verbinden, können Fahrstühle für den vertikalen Transport angekoppelt werden.
  • Im „ItemPiQ-Modul“ kommt Robotertechnologie und Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz. Jedes Modul kann bis zu zwei „ItemPiQ“-Roboterzellen fassen. Diese können 1000 Picks in der Stunde ausführen, verfügen über verbesserte Produkterkennung und multiple Greifmechanismen. Eine cloudbasierte Machine-Learning-Technologie verbessert ihre Leistung kontinuierlich. Die Module unterstützen das Kommissionieren von Produkten sowohl aus kleineren Behältern als auch aus größeren Kartons.
  • Karton Handling-Module sind auf das automatische Aufrichten oder Verschließen von Kartons spezialisiert. Die integrierte Maschine schafft es, dabei je nach Größe und Umfang bis zu 900 Kartons pro Stunde eigenständig zu verschließen und aufzurichten.
  • Am „Last-Mile Delivery Module“ können Privatkunden oder Dienstleister ihr Paket direkt an der Pick-up-Station des Moduls abholen. Vorab erhalten sie dafür einen persönlichen Code auf ihr Mobile Device. Mithilfe einer verknüpften IoT-Technologie weiß das Modul, wann ein Kunde seine Bestellung abholt, und kann sie durch die Miniload-Technologie vorab an den vorgesehenen Ort im Container legen. Die Module sind darüber hinaus auch in der Lage, Pakete nach bestimmten Lieferungsrouten und Bestellabfolgen vorzusortieren. Pakete können dort nicht nur abgeholt, sondern auch jederzeit zurückgesendet werden. ■

Recycling statt Neubau

Sein Ursprung unterscheidet den „QTainer“ von klassischen Lösungen: Bei den Modulen handelt es sich um intelligent genutzte Schiffscontainer, die zweckentfremdet werden, um sich städtischen Bedürfnissen der Logistik anzupassen. Die alte Stahlhülle bekommt ein neues, hochmodernes Innenleben. Die verschiedenen Arten von Modulen ermöglichen es Unternehmen, ein auf individuelle Bedürfnisse abgestimmtes Lager zu konzipieren. Neben verschiedenen Spezialisierungen und Größen bieten die Microdepots auch besondere Flexibilität, denn sie können unkompliziert von Standort zu Standort bewegt werden. Durch den zügigen Auf- und Abbau können Unternehmen sich besonders schnell an Kundenbedürfnisse anpassen – indem das Depot dort steht, wo die Kundendichte am höchsten ist. Noch schnellere Lieferungen werden dadurch Wirklichkeit.

* Dr. Christian E. Baur ist Geschäftsführer der Swisslog Logistics Automation AG in 5033 Buchs (Schweiz), Tel. (00 41-62) 8 37 41 41, info@swisslog.com

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