Regalbediengeräte Mit Intelligenz zur Effizienz

Von M. A. Benedikt Hofmann

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Ein geringerer Energieverbrauch von Regalbediengeräten sorgt nicht nur für ein grünes Gewissen, sondern spart dem Anwender bares Geld und kann vor dem Hintergrund strengerer Reglementierungen durch die Politik ein schlagendes Verkaufsargument sein. Wir lassen Stimmen aus Forschung und Industrie zu diesem Thema zu Wort kommen.

Die Energieeffizienz von Regalbediengeräten ist längst ein wichtiges Verkaufsargument geworden.
Die Energieeffizienz von Regalbediengeräten ist längst ein wichtiges Verkaufsargument geworden.
(Bild: TGW Logistics Group)

Energieeffizienz ist schon lange nicht mehr nur ein Buzzword, um einem Produkt einen grünen Anstrich zu verleihen. Steigende Energiekosten und politische Vorgaben sorgen mittlerweile dafür, dass ein niedriger Energieverbrauch zu einem der wichtigsten Verkaufsargumente geworden ist. Das gilt natürlich besonders für die energieintensiven Regalbediengeräte (RBG). Das bestätigen auch Werner Gubesch, Manager Engineering Europe bei Daifuku, Eric Große, Head of Product Management Storage Systems bei TGW, und Notker Steigerwald, Leiter Business Solutions bei Dematic. Steigerwald hat sogar direkt Zahlen parat, die zeigen, dass die Kunden auch gute Gründe dafür haben, die Energieeffizienz auf ihre Anforderungsliste zu setzen: „Gute 2 bis 10 % des Umsatzes eines Industrieunternehmens werden für Energiekosten ausgegeben. Umgerechnet auf ein einzelnes Unternehmen kann man also pro 100 Mio. Euro Umsatz alleine bis zu durchschnittlich 5 Mio. Euro optimieren. Das Einsparpotenzial liegt bei rund 40 bis 50 % davon.“

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Es gibt hier zwar international immer noch Unterschiede, wie Große berichtet, aber dennoch ist eine große Bedeutung des Themas nicht von der Hand zu weisen. Das liegt dem Experten zufolge auch an der Abkehr von einer reinen Installationskostenbetrachtung hin zu den Gesamtkosten, also der Total Cost of Ownership: „Das hat dazu beigetragen, dass dieses Thema direkt auf die Agenda gesetzt wird. Unsere Kunden haben dabei immer höhere Erwartungen, welche wir mit unseren Lösungen bisher stets zur absoluten Zufriedenheit erfüllen konnten.“

Viele Wege führen zum Ziel

Auf die Energieeffizienz von RBG kann Prof. Willi- bald Günthner vom fml - Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik der TU München zufolge grundsätzlich durch „strategische“ oder „konstruktive“ Maßnahmen Einfluss genommen werden: „Als strategische Maßnahmen sind eine energieeffiziente Lagerbetriebsstrategie und eine energieeffiziente Bahnplanung zu nennen. Im Rahmen konstruktiver Maßnahmen kann durch Leichtbaudesign die bewegte Systemmasse reduziert werden, was direkt die Energieeffizienz erhöht. Die Erweiterung der elektrischen Antriebskonfiguration um eine Rückspeiseeinheit steigert ebenfalls die Energieeffizienz. Außerdem können durch konstruktive Optimierungen im Antrieb Wirkungsgrade erhöht und Reibverluste vermindert werden. Nicht zuletzt sollte auch schon bei der Planung der Lagerdimensionen die Energieeffizienz berücksichtigt werden.“

Bei ihren Forschungen am lehrstuhleigenen RBG haben Günthner und seine Kollegen außerdem festgestellt, dass die richtige Lagerbetriebsstrategie die Energieeffizienz deutlich erhöhen kann. So kann eine ABC-Zonierung im Vergleich zu einer chaotischen Lagerordnung beispielsweise für Ersparnisse von circa 20 % sorgen. Auch die Reduktion der maximalen Fahrgeschwindigkeit in Zeitabschnitten mit niedrigen Durchsatzanforderungen kann den Energiebedarf im Kleinteilelager demnach in Größenordnungen von 20 % reduzieren. „Bei Regalbediengeräten im durchsatzorientierten Betrieb ermöglicht hingegen der Einsatz einer Rückspeiseeinheit ähnliche prozentuale Energieersparnisse“, so Günthner weiter.

Diese Erkenntnisse sind natürlich auch bei den Herstellern angekommen, die die Energieeffizienz ihrer RBG durch unterschiedlichste Maßnahmen steigern wollen. So bieten alle drei Hersteller ihre Systeme mit einer Energierückspeisung an. Dematic setzt hier auf Ein-/Rückspeiseeinheiten mit Gleichspannungszwischenkreisen. Durch diese Technik kann beispielsweise die Bremsenergie des Fahrantriebes direkt im Gerät dem Hubmotor bereitgestellt werden. Übrig bleibende Energie wird in das Kundennetz zurückgespeist und steht dort für die Antriebe in der Vorzone oder andere Verbraucher zur Verfügung. Auch der angesprochene Leichtbau spielt in vielen Fällen eine Rolle. So hat sich Daifuku mit dem Design leichter Mastkonzepte beschäftigt, wie Gubesch berichtet: „Durch die Kombination von Gittermast und Stahlrohrprofilen haben unsere Entwickler insbesondere bei den Gerätebaureihen für Palettenlager bis zu einer Höhe von 40 m erhebliche Material- und Gewichtseinsparungen und dadurch eine deutliche Reduzierung der erforderlichen Antriebsleistungen erzielt. Diese Erfahrungen sind unter anderem eingeflossen in das Mastkonzept unseres Kleinteile-RBG Quattro mit einer Masthöhe von bis zu 20 m. Dieses Kleinteile-RBG kann Ein- und Auslagervorgänge mit zwei voneinander völlig unabhängigen Lastaufnahmemitteln synchron ausführen.“

Die Experten bei TGW haben sich unter anderem mit den Bereichen System- und Geräteintelligenz auseinandergesetzt. Wichtig dabei ist Große zufolge nicht nur die Betrachtung einer einzelnen Achse oder eines RBGs, sondern auch des RBG-Verbundes. Das „Wie“ des richtigen Einsatzes der Technik wird immer wichtiger und birgt dabei noch viel Potenzial. Aus all diesem Handeln können dann wiederum neue Lösungen, Techniken und Produkte abgeleitet werden, die in Zukunft noch energieeffizienter bei gleichzeitig gesteigerter Leistung sind.

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Darin sind sich alle drei Hersteller einig: Weitere Effizenzpotenziale lassen sich vor allem durch intelligente Systeme heben. Steigerwald drückt das so aus: „Wir sehen das größte Potenzial zur Steigerung der Energieeffizienz weniger in bestimmten Bauteilen als in einer intelligenten Steuerung der Bewegungen, einmal auf Ebene der RBG-Steuerung selbst, aber auch auf der Ebene der überlagerten Materialflussplanung.“ So sollen intelligente Funktionen in der Steuerungssoftware wie folgt die Effizienz erhöhen:

  • flexibler Dynamikparameter für variable Beschleunigung entsprechend der aktuellen Anlagenauslastung;
  • optimierte Positionierfahrten;
  • komplette Gassenabschaltung bei fehlenden Fahraufträgen;
  • Koordinierung Fahren und Heben je Gasse;
  • zeitversetztes Anfahren, koordiniert über mehrere Gassen, zur Vermeidung von Energiespitzen;
  • Doppelspiele fahren, wenn möglich.

Auch die Experten bei TGW sind der Meinung, dass man die Frage nach einer gesteigerten Energieeffizienz nicht allein an Bauteilen festmachen kann, sondern immer das Regalbediengerät als Ganzes und das Gesamtsystem betrachtet werden müssen. „Es spielen dabei immer auch Fragen nach Durchsatzleistung und Lagervolumen eine Rolle. Kann man durch Neu- oder Weiterentwicklungen beispielsweise Geräte einsparen oder noch besser auslasten, so ist dies auch eine Effizienzsteigerung. Bezogen auf das Gerät selber, sind vor allem Maßnahmen, die das Gewicht reduzieren und die Intelligenz steigern, zu nennen“, so Große.

Energierückspeisung birgt Konflikte

In Bezug auf die Nutzbarmachung der beim Bremsen gewonnenen Antriebsenergie sieht Gubesch allerdings einen grundsätzlichen Konflikt: „Entweder ist die Steuerung optimiert auf möglichst hohen Lagerdurchsatz – dann werden in den meisten Fällen Brems- und Beschleunigungsrampen der Antriebe nicht hinreichend synchronisiert sein, um einen möglichst hohen Anteil davon wieder nutzbar machen zu können. Oder die Antriebe werden in Bezug auf die zeitliche Abfolge dahingehend optimiert, dass Brems- und Beschleunigungsrampen so zur Überlappung gebracht werden, dass möglichst viel Bremsenergie unmittelbar wiederverwertet werden kann. Dies beeinträchtigt zwangsläufig die Leistung des RBGs.“

Daraus zieht er die Lehre, dass in Zukunft Steuerungskonzepte benötigt werden, die beispielsweise in Abhängigkeit von Performanceparametern die genannten Szenarien sinnvoll und vor allem flexibel miteinander kombinieren. Ähnliches gilt dem Experten von Daifuku zufolge für Wartezeiten eines Regalbediengerätes: „Solange es im normalen Betriebsmodus lediglich auf den nächsten Ein- oder Auslagerauftrag wartet, wird allein die wartende Leistungselektronik circa 2 bis 3 % ihrer Nennleistung unproduktiv in Wärme umwandeln.“

Prof. Günthner will aber auch die Möglichkeiten der bewährten Methoden nicht unterschätzt sehen. So gibt es ihm zufolge bereits erste Konzepte, die auf dem Gebiet des Leichtbaus weitere Schritte gehen und weitgehend Faserverbundwerkstoffe als maßgeblichen Konstruktionswerkstoff vorsehen: „Insbesondere CFK-Bauweisen mit ihren hervorragenden Steifigkeits- und Festigkeitseigenschaften stehen hier im Fokus. Inwieweit sich diese Technologien in der Intralogistik etablieren werden, hängt jedoch von der Preisentwicklung dieser Werkstoffe und der Strompreisentwicklung ab.“

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Als andere interessante Konzepte, die bereits in der Erforschung sind, führt er seilbasierte Systeme an, bei denen das Lastaufnahmemittel über Seiltriebe verfahren wird und die übliche Bauweise eines RBG entfällt. Des Weiteren wird auch an Shuttlesystemen geforscht, die Lagerebenenwechsel während der Fahrbewegung und ohne Lift durchführen können. Diese Konzepte haben allerdings mit einem klassischen RBG nicht mehr viel gemein, so Günthner.

Weitere Diversifikation

Auch wenn man den Blick etwas weiter in die Zukunft wendet, sehen die Experten keine großen Revolutionen am RBG-Markt. Hier werden die Fortschritte wohl weiterhin über eine kontinuierliche Optimierung gemacht. Die größten Veränderungen erwarten die Hersteller durch sich verändernde Anforderungen von Branchen und einzelnen Kunden. Diese könnten dann zu einer weiteren Diversifikation zwischen den unterschiedlichen Lösungen führen.

Auch den Träumereien des für den Artikel verantwortlichen Redakteurs, vor dessen innerem Auge die RBG der Zukunft auf einer Magnetbahn durch die Hallen schweben, erteilt Prof. Günthner eine Absage: „Reibung spielt für die Energieeffizienz von Regalbediengeräten in der Tat ebenfalls eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Trotzdem sehe ich mittelfristig keine Etablierung von RBG auf Magnetschwebebahnen. Forschungsanstrengungen in diese Richtung sind mir nicht bekannt. Zum einen sind wohl die hohen Kosten abschreckend. Außerdem eignet sich diese Technologie besonders zum Erreichen sehr hoher Beschleunigungen und Geschwindigkeiten." ■

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