Hafenlogistik Mit vollen Segeln in die Zukunft des Hafens

Autor / Redakteur: Kristian Weiß / M. A. Benedikt Hofmann

Mit steigendem Containerumschlag nimmt im Hamburger Hafen auch das Verkehrsaufkommen weiter zu. Ein Ausbau des Geländes ist aufwendig. Das Management hat sich für eine Alternative entschieden: ein weltweit einzigartiges Logistiksystem.

Anbieter zum Thema

Lkw-Fahrer erfahren, wenn eine Abladestelle überlastet ist, und können andere Aufträge vorziehen.
Lkw-Fahrer erfahren, wenn eine Abladestelle überlastet ist, und können andere Aufträge vorziehen.
(Bild: T-Systems)

Ein Blick aus der Luft offenbart, warum der Hamburger Hafen mit Hochdruck an seiner Logistik arbeitet. Durch die Straßen auf dem Gelände schlängelt sich eine stattliche Blechlawine. Täglich sind laut Hamburg Port Authority (HPA) alleine auf der Haupthafenroute rund 33.000 Fahrzeuge unterwegs, gut ein Drittel davon Lkw. Ein Ausbau der Infrastruktur wäre dringend notwendig. Doch beim genaueren Hinsehen von oben fällt noch etwas auf: Im Herzen der Stadt gelegen, bleibt für eine Erweiterung des 72 km² großen Areals nicht viel Raum. „Durch die Erhöhung des Containerumschlags und den massiven Anstieg des Verkehrs stößt die Verkehrsinfrastruktur allmählich an ihre Grenzen“, erklärt Hafenchef Jens Meier.

Wachstum ohne Ausbau

Ein Blick in die Zukunft zeigt jedoch, dass der Verkehr auf dem Hafengelände nochmals drastisch zunehmen wird. Das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) erwartet, dass sich die Anzahl der Container von knapp 10 Mio. im Jahr 2014 um etwa 50 % bis auf 14,5 Mio. im Jahr 2025 erhöhen wird. Bis 2030 kann der Hafen laut der ISL-Untersuchung „Prognose des Umschlagpotenzials des Hamburger Hafens für die Jahre 2020, 2025 und 2030“ sogar mit bis zu 20,5 Mio. Containern rechnen. Das üppige Wachstum von Europas zweitgrößtem Containerhafen wird nun aber ohne Ausbau bewältigt. Zu aufwendig wären die Alternativen: Flächen innerhalb des Hafens müssten restrukturiert werden, etwa durch den Rückbau alter Kaianlagen und Schuppen oder die Verfüllung ungenutzter Hafenbecken.

„Die Hafenfläche ist begrenzt. Deswegen können und wollen wir Straßen, Schienen und Wasserwege nicht unbegrenzt ausbauen“, sagt Meier. Stattdessen soll der Hamburger Hafenverkehr mit dem weltweit einzigartigen Logistiksystem Smart Port Logistics (SPL) optimiert werden. „So können wir vorhandene Infrastrukturen intelligent und effizient nutzen“, erklärt Meier.

Hafenverkehr wird optimiert

Das System hat das Hafenmanagement in einem Testlauf überzeugt. Im Pilotprojekt zeigte sich, dass Smart Port Logistics die Effizienz der Hafenlogistik um etwa 10 % steigert. Das heißt, jeder Lkw schafft pro Tag eine Fahrt mehr als zuvor. Anfang 2015 wurde die Lösung in den regulären Betrieb integriert. Die Private-Cloud-Anwendung basiert auf der SAP-Connected-Logistics-Software und der Connected-Car-Plattform der Telekom, auf deren IT-Infrastruktur Telematikdienste rund um das Auto entwickelt und betrieben werden.

Die Anwendung vereint Frachtdaten mit Informationen aus den Telematiksystemen verschiedener Anbieter sowie die Verkehrs- und Infrastrukturdaten der HPA, darunter Lkw-Positionen, Containerdaten, Brückenöffnungen und Baustellen. Früher konnten die Verkehrsbeteiligten lediglich auf ihre eigenen Informationen zugreifen. Smart Port Logistics führt jedoch alle relevanten Informationen in Echtzeit zusammen und stellt sie den Nutzern in einem Onlineportal zur Verfügung. Damit ermöglicht die Anwendung eine ganz neue Ebene der Prozessoptimierung.

Auch die Lkw-Fahrer können auf die Informationen zugreifen: entweder über eine vorhandene Telematikeinheit im Fahrzeug oder alternativ über eine Android-App der Telekom für Tablets und Smartphones. Über diese Einheiten senden die Lkw auch ihren Standort im Hafen. So ist es möglich, eine Vielzahl an Fahrzeugen im Hamburger Hafen zu vernetzen. „Je mehr Beteiligte das System aktiv nutzen, desto besser können wir das Potenzial ausschöpfen“, sagt Meier.

„Smart Port Logistics“ führt alle relevanten Verkehrs- und Infrastrukturdaten des Hafengeländes in Echtzeit zusammen.
„Smart Port Logistics“ führt alle relevanten Verkehrs- und Infrastrukturdaten des Hafengeländes in Echtzeit zusammen.
(Bild: T-Systems)

Weniger Wartezeiten

Logistikdienstleister sehen über das Onlineportal zum Beispiel auf einer übersichtlichen Karte, dass einer ihrer Lkw gerade auf einen Stau zusteuert. Bisher mussten die Lkw im Hafen oft Wartezeiten hinnehmen, zum Beispiel wenn eine Hubbrücke für ein Schiff geöffnet wurde oder eine Abladestelle überlastet war. Diese Zeit wird nun genutzt. Und der Umschlag der Frachtgüter erhöht. So kann der Dienstleister den Lkw-Fahrer über die Telematikeinheit oder die SPL-App um den Stau herumführen. Alternativ ziehen die Fahrer ihre Pausen oder spätere Aufträge vor. Wartezeiten werden auf diese Weise vermieden. Zudem sinkt der Schadstoffausstoß, wenn die Lkw weniger im Stau stehen.

Die Lkw-Fahrer können sich dank Smart Port Logistics zu ihrem Ziel navigieren lassen und auch selbst eine Karte mit der aktuellen Verkehrs- und Infrastruktursituation abrufen: Staus, gesperrte Brücken und überlastete Abladestellen.

Auch Parkraumbetreiber profitieren

Per Geofencing stellt Smart Port Logistics zudem sicher, dass der Lkw-Fahrer nicht mit Daten überschwemmt wird, sondern nur Meldungen erhält, die für ihn relevant sind. Geofencing-Systeme stecken Gebiete elektronisch ab. Dringt der Lkw in ein Gebiet mit einem frei wählbaren Radius ein, werden Informationsschwellen ausgelöst. Darüber kann das System wichtige Daten von irrelevanten trennen.

Bleiben Fahrzeuge mit einem Defekt liegen und verursachen einen Stau, kann der Manager der Hafenstraße den Lkw-Fahrer direkt ansprechen und umgehend Hilfe leisten. Sucht der Fahrer eine Parkmöglichkeit, kann er sich freie Plätze über die Telematik-einheit anzeigen lassen. Die Parkraumbetreiber profitieren dabei von einer höheren Auslastung der Parkflächen. Gleichzeitig fällt die Überlastung zu Stoßzeiten geringer aus. Alle Verkehrsteilnehmer wissen zudem künftig rechtzeitig über Tagesbaustellen Bescheid. In der Regel vergibt die HPA solche Baustellen an Dienstleister, die den Auftrag in einem bestimmten Zeitraum flexibel ausführen. Wo und wann sich eine Baustelle befindet, war in der Vergangenheit oftmals nicht ersichtlich. Nun werden alle Beteiligten im Logistikprozess über Smart Port Logistics am Tag der Ausführung in Echtzeit über bestehende Baustellen informiert.

Anwendung auch in anderen Gebieten möglich

Flughäfen, Paketverteilungszentren oder Güterbahnhöfe stehen derweil vor einer ganz ähnlichen Herausforderung wie der Hamburger Hafen: Auch hier muss die Logistik optimiert werden. Mit einer Vereinbarung für „connected logistics“ haben die Telekom und SAP die Grundlage dafür gelegt, dass künftig auch andere Logistikzentren ihre Warenflüsse in Echtzeit steuern können. Mit Smart Port Logistics könnten sie eingeschränkten Raum optimal nutzen. ■

* Kristian Weiß ist Projektleiter und Partnermanager Smart Port Logistics bei T-Systems in 80995 München. Tel. (0 89) 5 45 50 86 30, kristian.weiss@t-systems.com

*

(ID:43531772)