Palettenlogistik Möbelriese Ikea schwört der Holzpalette ab
Der Möbelriese Ikea setzt in Zukunft Paletten aus Pappe ein. Die Skandinavier versprechen sich effizientere Transporte und geringere Kosten. Für die Kunden ändert sich wohl wenig. Die Zulieferer der Nordeuropäer müssen allerdings auch ihre Fördertechnikanlagen an das neue Packmittel anpassen.
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Die spannendsten Geschichten schreibt bekanntlich das Leben. Die interessantesten davon liest man meistens versteckt in der Meldungsleiste der Wirtschaftsblätter und Zeitschriften oder mittlerweile in Blogs und Tweets. So wie im Spätherbst 2011 bei Bloomberg: Die US-Amerikaner berichteten, dass der schwedische Möbelriese Ikea sich von seinen Holzpaletten verabschiedet und in Zukunft nur noch Papppaletten einsetzen will.
Die Meldung schlug auch in Deutschland ein und die Branche fragt sich seitdem: Was versprechen sich die Skandinavier von dem Schritt und wer folgt dem Beispiel aus dem Norden? So ganz wissen die Ikea-Verantwortlichen das anscheinend selber auch noch nicht.
Papppaletten sollen Transportkosten sparen und die Umwelt entlasten
„Wir wissen nicht, ob die Papplösung die ultimative Lösung ist, aber sie ist besser als Holz“, erklärte Jeanette Skjelmose, Nachhaltigkeitsmanagerin bei Ikea, die 140 Mio. Euro pro Jahr sparen will. Das Möbelhaus nutzt jährlich rund 10 Mio. Paletten und mit den neuen Papppaletten wollen die Verantwortlichen ab diesem Januar 10% der Transportkosten sparen und die Umwelt entlasten. „Aus Umweltgesichtspunkten sind Papppaletten besser als Holzpaletten“, bestätigt Prof. Dipl.-Ing. Wolfgang Bode von der Hochschule Osnabrück die Strategie der Schweden.
Und auch Martin Nether vom Poolinganbieter Chep kann einen ökologischen Vorteil erkennen: „Produkte aus natürlichen Materialien stellen eine sehr umweltfreundliche Lösung dar. Auf der einen Seite können sie recycelt werden. Auf der anderen Seite macht die Entsorgung kaum Probleme, weil das Material immens schnell verrottet.“ Außerdem sei die Entsorgung der Papppalette leichter, weiß der Pooling-Experte.
Experten uneins: einfache oder aufwendige Entsorgung?
Das Material könne man beispielsweise einfacher verbrennen als Holz, so Nether. Trotzdem: Von seiner Holzpalette will er sich nicht abbringen lassen. „Holz- und Plastikpaletten weisen eine längere Haltbarkeit auf und sind somit sehr viel öfter einsetzbar.“ Den Vorteil der schnelle Entsorgung der Papppaletten kann Reiner Niklasch nicht erkennen. „Die Entsorgung ist sehr zeitaufwendig“, berichtet der erfahrene Industriemeister Lagerwirtschaft.
Gleichzeitig vermisst der Logistiker bei den Papppaletten die Stabilität. In diesem Punkt sind sich Niklasch und Nether wieder einig. „Das Hauptrisiko bei der Papppalette sehe ich in ihrer Stabilität. Insbesondere wenn es darum geht, Produkte in Hochregalen zu lagern. In diesem Fall stellen Papppaletten im Gegensatz zu Holz- oder Plastikprodukten ein höheres Sicherheitsrisiko dar“, ist Nether überzeugt.
Ganz unrecht scheint er damit nicht zu haben, denn wenn im Lager versehentlich eine Sprinkleranlage auslöst, dann ist die Papppalette klar im Nachteil, weil sie schneller aufweicht, kaputt geht und sich nicht mehr stabil im Regal halten kann, mahnen Experten. Deshalb gebe es wohl auch keinen generellen Trend zur Papplösung, heißt es.
ist die Papppalette nur eine Insellösung?
Aus Sicht von Chep ist die Papppalette nur eine Insellösung, die sich für Unternehmen einer bestimmten Größe mit den entsprechenden Produkten lohnt. „Andere Großunternehmen werden auch weiterhin Paletten aus Holz oder Plastik einsetzen, schon alleine deshalb, weil sich diese unternehmensübergreifend als Standards durchgesetzt haben“, prophezeit Nether.
Ähnlich sieht es Walter Ahn von Wasto-Pac, einem Servicedienstleister rund um die Kunststoffpalette. „Wenn man bedenkt, dass in Europa mehr als 500 Millionen Europaletten kreisen, dann muss die Ikea-Entscheidung zugunsten von Papppaletten nicht überbewertet werden. Genauso verhält es sich mit den anderen Marktbegleitern der Europalette, nämlich Pressspanpaletten, Einwegpaletten, Aluminiumpaletten, Styroporpaletten, Ziehpaletten und Kunststoffpaletten. Sie alle haben ihre Daseinsverechtigung und finden ihre jeweilige Nischenanwendung, wobei insbesondere die Kunststoffpaletten seit einigen Jahren überproportional hinzugewinnen, im direkten Mengenvergleich aber keine andere Palette der Europalette das Wasser reichen kann“, meint der Düsseldorfer.
Die neue Ästehtikkomponente beim Paletteneinsatz
Kein Wunder, dass der Rheinländer die Kunststoffpalette favorisiert, schließlich verdient er mit der Reinigung dieser sein Geld. Trotzdem kann er die Entscheidung der Nordeuropäer durchaus nachvollziehen. „Ikea hat sich für Papppaletten entschieden, weil man bei einer geringeren Höhe und geringerem Gewicht das Ladevolumen eines Lkw besser nutzen kann. Zudem sind die klassischen Ikea-Märkte keine Wiederverwender von Paletten, so wie viele B2B-Betriebe, die Halbzeuge auf Europaletten beziehen und dann die Holzpackmittel auch für den Versand der Fertigware benutzen. Dies ist beim klassischen Abholmarkt nicht der Fall“, erklärt Ahn.
Der Unternehmer streift mit seiner Aussage einen durchaus wichtigen Aspekt, denn die Billy-Spezialisten setzten in ihren Filialen immer neue Paletten ein. „Ikea ist es wichtig, dass die Kunden nicht mit verschmutzten oder abgenutzten Paletten in Kontakt kommen. Allein aus diesem ästhetischen Grund gibt das Unternehmen viel mehr Geld aus als andere“, weiß der Pooling-Manager Nether. Er und sein Unternehmen investieren aber gegenwärtig nicht in eine Papppalette für den Markt.
Möbelindustrie muss Geld in die Hand nehmen
Geld in die Hand nehmen muss dafür die Möbelindustrie. Die Zulieferer von Ikea sind von der Entscheidung weitaus mehr betroffen als die Kunden. Die Ikea-Partner müssen ihre Logistik- und Lagerprozesse auf die Papppaletten umstellen. Das erfordert Investitionen in die Intralogistiklandschaft, denn die bisherigen Fördertechnikstrecken oder Hochregallager sind nicht immer auf die neuen Ladungsträger ausgelegt. Martin Kiesbye vom Verpackungstechnikhersteller ETT aus Moringen-Fredelsloh wusste schon früher von der Ikea-Strategie, denn sein Kunde forderte neue Roboterzellen. „Wir haben für einen Lieferanten zwei Roboteranlagen für die Produktion der Papppaletten hergestellt und vergangenes Jahr geliefert“, erklärt der Verpackungsexperte.
Ikea beteiligte sich an den Kosten für die Umbauten
Der Roboter, ein Yaskawa Motoman, ist dabei ein Serienprodukt. Die Zelle ist speziell für die Ikea-Anforderungen konzipiert worden. „Unser System kann Paletten mit Verstärkungen, unterschiedlichen Grundflächen und Füßen zusammenbauen“, berichtet Kiesbye. Sein Kunde musste einen erheblichen Umbauaufwand leisten, weiß der Niedersachse.
Doch die Schweden hätten sich bei den Investitionen beteiligt, heißt es in der Branche. Ikea weiß, was die Umstellung kostet, denn der Möbelriese will selber 90 Mio. Euro in neue Gabelstapler und in den Papierkauf investieren.
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