Metav-Digital Neue Allianzen stabilisieren Wertschöpfungsketten
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Kommt das „Domestic Sourcing“?, also der Trend zu Lieferanten aus der Nähe, fragt der VDW. Die Antwort darauf, und noch mehr, erörtert die Metav digital vom 23. bis 26. März. Hier ein Einblick...

Seit Beginn der Corona-Pandemie diskutieren viele über die Stabilität von Lieferketten – der Disput ist zu einem wahren Top-Thema geworden. Die einen kämpfen um die Beschaffung von Masken und Impfstoffen, den anderen macht die Kurzarbeit bei Zulieferern oder eine Störung auf dem Rohstoffmarkt zu schaffen. Über allem schweben auch noch Unwägbarkeiten durch Handelskonflikte und politische Fährnisse. Wird deshalb die Deglobalisierung voranschreiten?
Die Lage ist prekär, aber nicht für jeden...
Bereits im Frühjahr 2020 sorgte eine Studie der TU München für Zündstoff. Denn diese kam zu dem Ergebnis, dass sich die Strukturen weltweiter Lieferketten in Zukunft „dramatisch verändern werden“. Deshalb sei es wichtig, hieß es damals, dass man in künftigen Krisensituationen in der Lage zu sein müsse, alternative Lieferanten in einer wenig beeinträchtigten Region in petto zu haben. Doch anders als es etwa die chemische oder pharmazeutische Industrie spürt, sieht der VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken aus Frankfurt am Main) die eigene Branche weit weniger unter Handlungsdruck.
Eine hohe Tiefe in der Wertschöpfung macht stark
Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des VDW, kennt den Grund: die hohen Qualitätsstandards der Branche! Er sagt: „Die Unternehmen besitzen entweder eine sehr hohe Wertschöpfungstiefe oder sie kaufen bereits überwiegend in Deutschland ein.“ Bei Komponenten und Rohmaterial aus China oder dem südlichen Europa seien zwar Ausfälle zu beklagen gewesen, es seien aber durchaus auch Kompensationsmöglichkeiten über andere Lieferanten genutzt worden.
Das sieht auch Benjamin Eichinger vom Unternehmen Scoutbee bei Würzburg so: „Es gibt Schocks, die Unternehmen treffen, aber auch Tools, die Betroffenen helfen.“ Deshalb ist Scoutbee auf die digitale Lieferantensuche spezialisiert und bedient sich dabei auch der Künstlichen Intelligenz (KI) und Big Data, heißt es. Mittels einer SaaS (Software as a Service) kann man dann in Milliarden von Datensätzen nach Produkten und geeigneten Lieferanten zielsicherer fahnden. Durchforstet werden dabei tiefgehende Marktinformationen, wie Finanzzahlen, Expertisen zur Nachhaltigkeit oder aktive Zertifizierungen – und das sprachübergreifend und in Echtzeit, um sämtliche aktuellen und potenziellen Lieferanten weltweit zu identifizieren. Dauert eine manuelle Suche üblicherweise Wochen oder Monate, führt Eichinger weiter aus, so schrumpft der Aufwand durch digitale Tools allenfalls auf Tage, was durchaus eine Zeitersparnis von 85 Prozent bedeuten kann.
Die Corona-Krise ist es nicht wirklich...
Scoutbee verzeichnete 2020 einen sprunghaften Zuwachs an Aufträgen und Kunden, darunter auch Werkzeugmaschinen-Hersteller. Vor rund 6 Jahren gegründet und erst seit zwei Jahren auf dem Markt, beschäftigt das Unternehmen inzwischen über 130 Mitarbeiter. Ein virtueller Stand auf der Fachmesse Metav digital 2021 ist im Übrigen bereits gebucht. Eichinger bestätigt, dass es in letzter Zeit eine Bevorzugung von Lieferanten „in der Nähe“ durchaus gegeben hat. Auch seien globale Strategien zurückgefahren worden. Doch ausgelöst hat die Suche nach neuen Lieferanten nicht unbedingt die Corona-Krise, macht er klar. Auch Qualitätsmängel oder die Reduzierung von Lieferkosten spielten bei den registrierbaren Veränderungen eine Rolle.
Immer auch gleich an die Lieferanten denken!
Sich gegen Überraschungen und mögliche Ausfälle zu wappnen, gehört für Werkzeugmaschinen-Hersteller im Grunde zum Geschäft. „Im Prinzip hat sich an unserer Einkaufsstrategie nichts geändert“, merkt Manfred Maier, Chief Operating Officer (COO) der Heller-Gruppe aus Nürtingen, auf Nachfrage zu möglichen Konsequenzen aus der Corona-Pandemie an. Die Heller-Gruppe ist vielen bekannt durch ihre CNC-Werkzeugmaschinen und Fertigungssysteme für die Zerspanungsbranche. „Wir setzen nach wie vor auf die hohe Qualität und Zuverlässigkeit. Unsere Lieferanten finden sich vornehmlich in Europa“, führt der COO weiter aus. Dass die Lieferanten aber immer öfter Wertschöpfungsanteile in Niedriglohnländer verlagern, um von Kostenvorteilen zu profitieren, muss Maier durchaus einräumen. Deshalb bezieht Heller seinen Eisenguss etwa aus Asien. Ein Problem ist das für ihn nicht, und er erklärt: „Generell gilt das Ziel einer Dual-Sourcing-Strategie, in einigen Warengruppen auch Multiple-Sourcing-Strategie, etwa wegen der Komplexität von Baugruppen, die es abzusichern gilt.“
Nach Maiers Erfahrung ist die Materialversorgung 2020 insgesamt auf einem sehr hohen Niveau geblieben, trotz Kurzarbeit bei den meisten Zulieferern. „Wir haben rechtzeitig kritische Lieferanten in die Forecast-Planung unserer Bedarfe mit aufgenommen, die jeweils monatlich aktualisiert verschickt werden“, erklärt er zu diesem Effekt. So könnten sich Lieferanten rechtzeitig auf Schwankungen im Bedarf einstellen und die Materialversorgung entsprechend gewährleisten. Um kritischen Entwicklungen vorzubeugen, seien auch alle strategischen und operativen Einkäufer angehalten, ihr „Ohr am Lieferanten“ zu haben. Denn dann kann in täglich stattfindenden Gesprächen durchaus „mit Fingerspitzengefühl“ die Lage in Erfahrung gebracht werden, rät Maier. Über die Qualität von Zulieferern gebe die QKZ (Qualitätskennziffer) Auskunft, die die Lieferantenzuverlässigkeit sowie auftretende Reklamationen in einer Quote vereint. Die Daten werden dabei aus dem SAP-System ermittelt.
Steigt die Automatisierung, werden Lieferbeziehungen komplexer
Dass für die bevorzugte Art von Lieferantenbeziehungen die Struktur einer Branche eine Rolle spielt, geht aus einer Studie der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services /SCS) aus Nürnberg hervor. Sie thematisiert dazu Wertschöpfungsketten im Automationssektor. Demnach sind kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) in puncto Beschaffung und Dienstleistungen eher regional aufgestellt. Sie setzen also bevorzugt auf langjährige und vertrauensbasierte Kooperationen. Großunternehmen dagegen holen sich die benötigten Waren tendenziell aus der ganzen Welt. Sie suchen dazu Wege durch komplexe Strukturdschungel, erheben validierbare Kennziffern und planen mit vorausschauenden Steuerungsmechanismen.
Die Studie belegt auch, dass sich mit steigender Automatisierung auch „die Kleineren“ einer wachsenden Komplexität der Lieferbeziehungen kaum entziehen können. So werde aus dem simplen „Order-to-Payment-Prozess“, der heute nur noch innerhalb eines einzelnen Unternehmens abläuft und sich von Unternehmen zu Unternehmen in einer Kette zusammenfügt, ein komplexes Netz. Maschinen, Förderanlagen, Roboter, Steuerungen und Softwarekomponenten werden heute verknüpft und dann auch noch mit Marketing, Vertrieb und Distribution verbunden. Der Unternehmenserfolg hängt auch immer stärker von begleitenden Dienstleistungen über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts ab, einschließlich der Wartung (heute oft aus der Ferne), der Reparatur und der Entsorgung. Auf externe Spezialisten kann im Zuge dessen übrigens kaum verzichtet werden. Das Ganze potenziert sich in der digitalen Welt über Cyberphysische Systeme (CPS), also solche, bei denen informations- und softwaretechnische mit mechanischen Komponenten verbunden werden.
Keine Angst vor den komplexen Wertschöpfungsnetzen!
Der größte Komplexitätstreiber, ist sich Andreas Gützlaff, Leiter der Abteilung Produktionsmanagement im Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen, sicher, seien jedoch oft die Kunden. Deren individuelle Wünsche können zu mehr Produktvarianten beitragen, die automatisch zu komplexeren Produktportfolios führen. Das wirkt sich dann unmittelbar auf Konstruktion, Planung, Lieferkette, Produktion und Vertrieb aus. Die sich so aufbauende Komplexität beherrscht man nur mit der nötigen Transparenz und einem neuartigen Datenmanagement, betont Gützlaff. Am Ende gehe es immer nur darum, wo man sein Geld verdiene und wo man es womöglich zum Fenster hinauswerfe.
In den komplexen Wertschöpfungsnetzen schlummern nach Erkenntnissen des WZL deshalb nicht nur monetäre Risiken, sondern zum Glück auch erzielbare Effizienzgewinnpotenziale. „Durch eine gesteuerte Komplexität lassen sich Einsparungen von bis zu 15 Prozent erzielen“, merkt Gützlaff dazu an. Das belegen Erfahrungen aus den Unternehmen, mit denen das WGP-Institut WZL zusammenarbeitet.
Um der Nachfrage nach geeigneten Innovationen nachzukommen, bietet das WZL in Zusammenarbeit mit der Complexity Management Academy und der Universität St. Gallen ab dem kommenden Jahr übrigens die Fokusgruppe „Plant Complexity“ an, in der sich Unternehmen mit Experten und anderen Unternehmen austauschen und neue Wege zum Erfolg finden können. Das Angebot gelte branchenübergreifend und richte sich an Führungskräfte aus Produktion und Supply Chain.
Schon immer ein wichtiger Teil der Metav...
Die gesamte Prozesskette in der Metallbearbeitung abzubilden, ist traditionell ein zentrales Anliegen der Metav. Wachsende Bedeutung erlangte dabei schon auf den vergangenen Präsenzmessen der Themenkomplex Industrie 4.0 mit Aspekten wie vernetzte Fertigung, Cloud-Anwendungen, Datenmanagement, Cybersecurity oder Plattformökonomie. Die jetzt anstehende Metav digital könnte für diesen Bereich ebenfalls für Schub sorgen, weil sich die Teilnehmer auch untereinander sehr gut vernetzen können.
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