Versandlogistik Otto zündet „KEP-Rakete“
Die Hamburger Otto Group hat sich über ihre Investment-Tochter E-Ventures an dem britischen Versandunternehmen Shutl beteiligt, schreibt der Mediendienst „OnetoOne“. E-Ventures gehört zu einer Gruppe von Investoren, die Shutl im Rahmen einer weiteren Finanzierungsrunde Gelder in einer Gesamthöhe von 3,2 Mio. Dollar zur Verfügung stellen, heißt es weiter. Die Briten wollen expandieren. Wie das Logistikkonzept von Shutl funktioniert, erklären wir.
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Nina Franz ist jung, schön und ein echtes Fashion Victim. Sie bestellt immer die neuesten Designerklamotten im Netz. Meistens schreit sie dann vor Glück, wenn der Postbote ihr lang ersehntes Paket an sie ausliefert.
Doch das dauert oft einen oder sogar zwei Tage. Das ärgert die Kundin, denn sie ist ungeduldig und will die neuen Schuhe, Pullover, Jeans oder Röcke am liebsten noch am gleichen Abend der Bestellung zum Date tragen und ihrem Freund präsentieren. Noch ist das Zukunftsmusik.
Abgehobene KEP-Idee oder genialer Schachzug?
In Großbritannien können die Mädels und auch die Jungen allerdings ihre Waren schon 90 Minuten nach der Bestellung im Netz in den Händen halten. Ein neuer KEP-Service macht das möglich – vielleicht auch bald in Deutschland. Die rote Rakete, das Logo des Unternehmen, passt zu Shutl, dem neuen KEP-Schreck auf der britischen Insel. Schnell wie eine Rakete will der Zustelldienst nämlich sein.
Tom Allason, der Erfinder der britischen KEP-Rakete, hat Erfahrung mit Expresszustellungen. Er arbeitete vor der Gründung von Shutl bei dem Start-up Ecourier.co.uk. Damals war die Idee des jungen Teams, am gleichen Tag der Bestellung die Waren auszuliefern.
Allason erkannte jedoch schnell, dass das reale Wachstum und die Chancen für Gewinn innerhalb des KEP-Markts eher in der horizontalen als in der vertikalen Integration liegen. Kurierdienste wie Ecourier.co.uk sind eher lokal als national angesiedelt und besitzen nach Aussagen von Allason nicht die Fähigkeit, der wechselnden Nachfrage des Einzelhandels gerecht zu werden. „Wenn ein nationaler Einzelhändler eine Lieferung am selben Tag anbieten wollte, musste er entweder einen Vertrag mit vielen verschiedenen Unternehmen eingehen oder er konnte nur einen begrenzten Service anbieten“, erklärt Shutl-Marketing-Mann Guy Westlake.
Vor zwei Jahren startete Shutl die erste Auslieferung
Die Konsequenz: Allason zog sich 2008 bei Ecourier.co.uk zurück und konzentrierte sich auf seine Rakete, sein Projekt, Shutl. Im März 2010 startete das Unternehmen in England mit der ersten Auslieferung. Das Ziel von Allason und seiner Mannschaft: das größte und älteste Problem des E-Commerce zu lösen – die Lieferung.
Die Lösung hatte der Jungunternehmer auch parat. Er vereint die Vielzahl aller Kurierdienste auf einer einzigen Plattform. Dazu schließt Shutl Verträge mit lokalen Zustellern. Dazu zählen beispielsweise auch Fahrradkuriere.
Bestellt der Kunde bei einem Einzelhändler im Netz einen Pullover, wählt Shutl automatisch den optimalen Lieferdienst aus, der geografisch und logistisch zum Kunden und seinem Auftrag passt. Dieser holt dann die Ware in der nächsten Filiale für den Kunden ab und stellt sie zu.
Technik sucht lokalen Zusteller in Echtzeit
Die SaaS-(Software-as-a-Service) Plattform verbindet die Kapazitäten von lokalen Kurierdiensten, die am gleichen Tag ausliefern, und stützt sich dabei auf einen kombinierten Fuhrpark mit Tausenden von Fahrzeugen. „Die Technik von Shutl passt sich in Echtzeit an die individuellen Lieferungen an. Wir suchen das bestmögliche Kurierunternehmen, das in puncto Handling, Liefergeschwindigkeit, Preis und Qualität uns und unsere Kunden überzeugt“, erklärt Westlake.
Die Briten erlauben es Lieferanten, auf der Plattform zu konkurrieren und mit freien Kapazitäten Geld zu verdienen. Der Kunde bewertet nach der Auslieferung den Service des Dienstleisters. So filtert Shutl die guten, schnellen von den schlechten und langsamen Zustellern. „Lieferanten, die die Regeln des Service Level Agreement (SLA) einhalten, werden bei künftigen Auslieferungen damit belohnt, dass sie eine höhere Marge verlangen können, als Lieferanten, die weniger gute Leistungen erbringen“; bringt des Westlake auf den Punkt.
Zehn Pfund zusätzlich für einen schnellen Pullover von Aurora Fashion
Gegenwärtig arbeiten die KEP-Revoluzzer mit dem britischen Multichannel-Einzelhändler Argos, mehreren kleineren Einzelhändlern und dem Modehändler Aurora Fashion zusammen. Knapp zehn Pfund kostet der 90-Minuten-Service bei Aurora, berichtet das Branchenmagazin „Der Handel“. In mittlerweile sechs britischen Städten bietet das Fashionhaus seinen Kunden diesen außergewöhnlichen Logistikservice an.
„Wir müssen den Kunden die größtmögliche Flexibilität bieten. Wenn sie nachmittags etwas einkaufen und das schon abends anziehen können, ist das ein Kauferlebnis der besonderen Art“, erklärte Hash Ladha, verantwortlich für das Multichannel-Geschäft bei Aurora, gegenüber dem Magazin.
Zehn Pfund für 90 Minuten? Wer will das bezahlen, fragt sich so mancher. Doch Allason ist von seinem Konzept überzeugt und auch in Deutschland will er seine Shutl-Rakete starten. „Momentan konzentrieren wir uns noch auf unser Geschäft im Vereinigten Königreich, bevor wir weiter expandieren“, unterstreicht der Marketingmanager.
Doch Shutl-Boss Allason macht gegenüber dem Magazin „Der Handel“ auch deutlich: „Die meisten Händler in Deutschland können nicht zeitnah feststellen, welche Ware in welcher Filiale vorhanden ist.“ Auch der Bundesverband Internationaler Express- und Kurierdienste e.V. ist anscheinend noch nicht so weit, denn „das von Ihnen angesprochene Thema ist bei uns im Verband derzeit nicht auf der Agenda“, erklärte eine Sprecherin gegenüber MM Logistik.
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