Hafenlogistik Per Simulation auf ein steigendes Umschlagsvolumen vorbereiten
Durch das wachsende Seeweg- und Verkehrsaufkommen in deutschen Häfen gehen Prognosen davon aus, dass das Umschlagsvolumen bis 2030 von derzeit rund 269 auf 468 Mio. t ansteigen wird. Forscher bewerten die Sicherheit per Simulation, um so auch bei steigendem Verkehrsaufkommen eine reibungslose Schifffahrt zu gewährleisten.
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Hafenbetreiber stehen vor der Herausforderung, einen sicheren und reibungslosen Schiffsverkehr zu gewährleisten: Wie müssen Hafenbecken oder Fahrrinnen ausgelegt sein, damit auch große Schiffe sicher navigieren können? Was ist bei widrigen Wetter- oder komplizierten Verkehrsbedingungen zu beachten? Wie lassen sich unnötige Wartezeiten vermeiden? Antworten auf solche Fragen liefern Forscher des Fraunhofer-Centers für maritime Logistik und Dienstleistungen CML, einer Einrichtung des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund: Die Hamburger Experten simulieren in Echtzeit konkrete Szenarien und bewerten anhand der Ergebnisse die nautische Sicherheit. Dazu werden die simulierten Schiffe jeweils hydrodynamisch modelliert und bestmöglich an die Werftdaten angepasst. Die Hydrodynamik ist die Lehre von der Bewegung strömender Flüssigkeiten. Mit dieser Dienstleistung bietet das CML strategische Unterstützung bei Hafenumbauten, Erweiterungen oder Neubauten.
Simulation mit realen Daten
Als erstes nehmen die Forscher die realen Umgebungsbedingungen unter die Lupe – zum Beispiel Hafenpläne, Zufahrten oder Stromdaten, also signifikante Wasserbewegungen vor Ort. Auf Basis dieser Informationen führen die Forscher eine Vorbewertung durch, in der sich schon mögliche „Knackpunkte“ identifizieren lassen: „Eine Einfahrt quer zur Hauptstromrichtung ist beispielsweise ungünstig. In dem Fall suchen wir schon im Vorfeld nach Alternativen“, erklärt Hans-Christoph Burmeister, Projektleiter am CML. Für die Simulation wird die Hafenumgebung anschließend gemäß den realen Eckdaten digital visualisiert.
3D-Modell eines Referenzschiffs und ein hydrodynamisches Rechenmodell
Zudem erstellen die Forscher ein 3D-Modell eines Referenzschiffs sowie ein hydrodynamisches Rechenmodell. „Darunter versteht man verschiedene hydrodynamische Koeffizienten, welche es erlauben, aus der Kraft des Propellers oder des Bugstrahlruders die Schiffsbahn zu bestimmen. Das ist wichtig, um etwa das Kreisfahr- oder Stoppverhalten des jeweiligen Schiffs realistisch abzubilden“, erläutert Burmeister. Abschließend müssen konkrete Szenarien für die Simulation ausgearbeitet werden. Standardsituationen lassen sich dabei genauso nachstellen wie extreme Bedingungen. Aufbau und Ablauf der Simulation kann man sich ähnlich wie bei Flugsimulationen vorstellen.
Herzstück ist der Simulator, in dem ausgebildete Nautiker das Schiff führen. Wie auf einer echten Schiffsbrücke stehen reale Instrumente, ein Radar sowie ein elektronisches Seekartensystem zur Verfügung. Drei Monitore sorgen für eine 120-Grad-Sicht auf die virtuelle Hafenumgebung. Die Steuerungsbefehle fließen dann in Echtzeit in das Berechnungsmodell mit ein.
Anhand der Ergebnisse lassen sich beispielsweise Aussagen darüber treffen, unter welchen Wind- und Tidebedingungen das Referenzschiff gefahrlos in den Hafen einlaufen kann und welche Zufahrtsroute optimal ist. „In manchen Fällen erreicht man schon durch modifizierte Zufahrtswege eine deutlich längere Reaktionszeit – dann können Schiffe auch bei schlechten Witterungsbedingungen noch anlegen“, so Burmeister. Auch Schleppermanöver können in der Simulation durchgespielt werden, um etwa herauszufinden, wie viele Schlepper mindestens nötig sind, um ein Schiff sicher zur Anlegestelle zu bringen. „Die Ergebnisse beziehen sich jedoch immer nur auf eine spezifische Situation – wenn sich nur ein Parameter ändert, kann das zu einer anderen Bewertung führen“, gibt Burmeister zu bedenken. So manövriert sich etwa ein voll beladenes Schiff anders als eines, das nur zur Hälfe beladen ist. Dies muss im hydrodynamischen Modell berücksichtigt werden. Testläufe von der Stange gibt es nicht. Die Daten werden in Absprache mit dem Kunden – das sind in der Regel Hafenverwaltungen, Terminalbetreiber oder Ingenieurbüros – situationsspezifisch angepasst.
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