Distribution RFID entdeckt die Schiene
Während die Radiofrequenzidentifikation (RFID) in anderen Industriebereichen heute bereits fast zum Standard gehört, hat sie sich in der Bahnlogistik noch nicht durchgesetzt. Ein Pilotprojekt von SBB Cargo im Saarland zeigt mögliche Einsatzgebiete.
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Wenn flüssiges Eisen per Güterbahn ins Rollen kommt, ist nicht nur Spezialgerät, sondern auch Expertenwissen gefragt. Der bis zu 1400 °C heiße Rohstoff lässt sich nicht lagern, sondern muss punktgenau an seinem Bestimmungsort ankommen. Schon fünf Minuten Verzögerung können sich drastisch auswirken und im Extremfall ganze Produktionsketten lahmlegen. Die korrekte Übermittlung der Transportdaten ist daher überaus wichtig. Fehler, wie sie bei der üblichen telefonischen Ankündigung der Züge in Form von Zahlendrehern schon einmal vorkommen, stören genau diesen reibungslosen Ablauf der Transportkette.
Bessere Datenbasis mit stark reduzierten Fehlerquellen
Um solche Fehlerquellen zu minimieren und den Prozess zu automatisieren, bietet sich die Radiofrequenzidentifikation (RFID) an. Zusammen mit dem Eisenwerk Rogesa, einem Joint Venture der Dillinger Hütte und Saarstahl, hat SBB Cargo die Einsatzmöglichkeiten dieser Technik in einem Pilotprojekt im Saarland erprobt. Täglich befördert dort die Schweizer Güterbahn flüssiges Eisen aus dem Hochofen in Dillingen in den 20 km entfernten Verarbeitungsbetrieb Völklingen.
Da die Transporte mit dem sensiblen Rohstoff rund um die Uhr innerhalb definierter Zeitfenster am Ziel eintreffen müssen, kommt es auf eine exakte Planung an. Bisher wurden die Details zu jedem abgehenden Zug telefonisch übermittelt, um dann am Ziel manuell in das Produktionsplanungssystem eingegeben zu werden. Ziel des Pilotprojektes war es nun, die Wagennummern eines Zuges sequenziell zu erfassen und sie mindestens 20 Minuten vor Abfahrt elektronisch an Saarstahl zu übertragen.
Dazu wurden kreditkartengroße, selbstklebende Funkchips an beiden Seiten der Spezialwaggons für den Flüssigeisentransport installiert. Mit dem Einsatz dieser passiven, batterielosen Transponder, die auf einer Frequenz von 13,56 MHz Daten senden und empfangen, hat sich auch die Voranmeldung der Züge entsprechend geändert. Statt zum Telefon greift ein Mitarbeiter in Dillingen heute zu einem Mobilterminal und liest aus den RFID-Tags die Wagennummern-Daten im stehenden Zug aus. Diese werden dann via GSM-Mobilfunk an einen FTP-Server der SBB Cargo gesendet, auf den Saarstahl zur Erteilung des Transportauftrags zugreift.
Die praktische Erprobung hat gezeigt, dass die Fehlerquellen bei dieser Methode tatsächlich stark reduziert werden konnten. Saarstahl bekommt dadurch frühzeitig die exakten Informationen, wie viele Wagen in welcher Reihenfolge eintreffen werden und kann seine Produktionssteuerung entsprechend einstellen. SBB Cargo kann darüber hinaus, anders als früher, schon vor der Abfahrt beim Empfänger ankündigen, was genau wann befördert wird und diese Aussagen auch belegen. Der Vorteil: Es entsteht eine sichere Datenbasis, auf deren Grundlage Leistung und Qualität des Bahnlogistikers jederzeit beurteilt werden können.
Automatische Erkennung schnell fahrender Züge
Entsprechend positiv war die Reaktion des Kunden: Das RFID-System ist inzwischen in den normalen Produktionsbetrieb überführt worden und läuft rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Im Mittelpunkt der nächsten Projektphase steht die automatisierte Abgangskontrolle. Dazu muss aber das bisher eingesetzte mobile Outdoor-Gerät durch einen Reader ersetzt werden, der die Tags per Laser auslesen kann. Dann könnte beispielsweise vor Abfahrt des Zuges sehr schnell geprüft werden, ob alle Türen und Ventile geschlossen oder die Bremsen einsatzbereit sind.
Ein anderes Thema, mit dem sich SBB Cargo beschäftigt, ist die Nutzung von RFID zur automatischen Erkennung von Zügen oder einzelnen Waggons. In Entwicklung ist daher eine im Gleisbett liegende RFID-Antenne samt Reader, mit deren Hilfe die Daten von an Drehgestellen befestigten Tags während der Zugfahrt übernommen werden können. Eine große technische Herausforderung, denn die Antenne soll mit nur einem Transponder die Richtung der Zugfahrt erkennen – auch bei hoher Geschwindigkeit.
Zudem muss bei den passiven Transpondern die Lese-Antenne den Chip mit Energie versorgen, sobald er in ihrem Magnetfeld erscheint. Im Einsatz, so die Idee, soll der Funkchip an der Unterseite des Waggons stecken, während die Antenne im Gleisbett befestigt ist – umgeben von Schmutz, Wasser, Eis oder dem abgeschliffenen Metallstaub der Schienen. Um die Technik optimal auf diese Herausforderungen vorzubereiten, wurden in einem von SBB Cargo initiierten Forschungsprojekt diese Störeinflüsse gründlich untersucht, ebenso die Auswirkungen der Elektromotoren der Loks in verschiedenen Fahrsituationen.
Funkchips erhöhen Sicherheit bei Gefahrguttransporten
Das Ergebnis: Technisch ist ein solches System bei Geschwindigkeiten bis zu 140 km/h realisierbar. Allerdings gibt es noch Hindernisse auf anderen Ebenen. So existiert noch kein europaweit einheitlicher Standard, welche Daten überhaupt auf dem Tag gespeichert werden sollen. Der Wagentyp wäre dabei ebenso denkbar wie die letzte Wartung, der Eigner, der Betreiber oder die Ladung. Experten plädieren allerdings für eine schlichte Nummer, über die sich dann im IT-System der aktuelle Status des Waggons abfragen lässt.
Auf diese Weise könnte mit Hilfe der Funkchips auch die Sicherheit bei Gefahrguttransporten erhöht werden. Kesselwagen oder im Stückgutverkehr transportierte Gefahrgutverpackungen oder Ladungsträger wie Big-Bags werden dazu mit Transpondern versehen. Auf den beschreibbaren Mikrochips werden die Identifikationsnummer des Gefahrstoffes in Form der vierstelligen UN-Nummer, die jeden Stoff weltweit eindeutig identifiziert, die genauen Stoffmengen, die Absender und andere relevante Daten hinterlegt. Diese Informationen können bereits bei der Auslagerung oder der Kommissionierung der Güter erfasst werden. Bei der Zusammenstellung von Ladeeinheiten für die Beladung im Warenausgang lassen sich diese Daten dann automatisch mit einem Schreib-/Lesegerät lesen und speichern.
Ist eine Ladung komplett zusammengestellt, werden die Daten vor der Beladung elektronisch von einer Software, die alle geltenden Zusammenladungsverbote kennt, ausgewertet. Sollten Gefahrstoffe zusammen geladen worden sein, die nicht zusammen transportiert werden dürfen, erfolgt eine Warnmeldung.
In gleicher Weise können die Informationen an allen Punkten der Lieferkette überprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden. Um Gefahrguttransporte effektiv zu überwachen, ist allerdings die Integration von Ortungssystemen direkt am Transportmittel erforderlich. Dadurch lassen sich die aktuellen Standorte ermitteln und mit einer Tracking and Tracing-Monitoring-Funktion jederzeit nachverfolgen.
Adrian Bögli ist Vertriebsleiter von SBB Cargo Deutschland.
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