Taschensorter Steckt alles andre in die Tasche

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Deckengeführte Fördertechnik wird gerne herangezogen, wenn es beispielsweise darum geht, lackierte Teile hängend durch einen Ofen zu transportieren. Ein klassisches Einsatzgebiet ist auch die industrielle Verarbeitung von Zeitungen oder die Fashion-Logistik, wo teils hochwertige Produkte knitter- und faltenfrei fortbewegt werden müssen. Nicht zuletzt der boomende E-Commerce sorgt dafür, dass sich Transportlösungen in der dritten Dimension andauernder Beliebtheit erfreuen. Wir haben uns umgehört, was die einschlägigen Hersteller in Sachen Taschensorter für Neuerungen zu bieten haben.

Mit dem „EcoPocket“-Taschensortersystem von Knapp lassen sich verschiedenste Produkte transportieren und sortieren.
Mit dem „EcoPocket“-Taschensortersystem von Knapp lassen sich verschiedenste Produkte transportieren und sortieren.
(Bild: Knapp)

Zugegeben: Es ist reichlich ungewohnt, Dinge über seinem Kopf herumschwirren zu wissen. Für den gallischen Häuptling Majestix, der eine Heidenangst davor hat, dass ihm der Himmel auf den Kopf fallen könnte, wären Unternehmen mit Hängeförderern im Einsatz wohl „no-go areas“. Während Skyfall im Filmgeschäft noch ein einsam stehendes Herrenhaus war, in dem James Bond – Sie wissen schon, der Agent mit der „Lizenz zum Töten“ – seine Kindheit verbracht haben soll, hat die Schweizer Ferag AG ihr gleichnamiges, hochflexibles Schwerkraft-Fördersystem ganz irdischen Zwecken gewidmet: dem Geldverdienen. „Skyfall erlaubt Fördern, Puffern, Sortieren und Kommissionieren in einem System“, erklärt Produktmanager Dieter Kuhn. Die übergangslose Kombination solcher Aufgaben spiele bei vielen intralogistischen Prozessen eine zentrale Rolle. Die Förder- und Sortierlösungen von Kuhns Unternehmen für die Intralogistik sind eine Weiterentwicklung der für die Printmedienproduktion entwickelten Verarbeitungssysteme und „für die Distributionslogistik außerhalb der grafischen Industrie bestens geeignet“, wie der Ferag-Website zu entnehmen ist. Die als Taschensorter konzipierte Skyfall-Anwendung kommt vor allem in Bereichen wie Fashion Logistics und E-Commerce/Order Fulfillment zum Einsatz. „Und überall dort, wo Multi-Channeling – also die Kombination von klassischem Warenhaus- und modernem Onlinevertrieb – gefragt ist“, so Kuhn.

Entwicklung in andere Branchen

Ein weiterer Player auf dem Taschensortermarkt, der österreichische Intralogistikriese Knapp AG, bietet diese Systeme mit seinem Tochterunternehmen an: der Dürkopp Fördertechnik GmbH in Bielefeld – ebenfalls vorwiegend für Fashion, E-Commerce und Retail. Bernhard Pürschl, Portfoliomanager, Produktmanager und verantwortlich für das R&D Funding bei Knapp: „Unsere Systeme wurden ursprünglich für den Fashion-Bereich entwickelt und werden dort auch weiterhin hauptsächlich eingesetzt.“ Aber es habe sich gezeigt, dass deckengeführte Systeme auch für andere Branchen sinnvoll seien. Dazu gehörten zum Beispiel die Elektronik- und die Automobilindustrie, wo man durch die Nutzung der Raumhöhe wertvolle Fertigungsfläche sparen könne.

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Volker Welsch, Leitung Vertrieb Deutschland bei PSB Intralogistics aus Pirmasens, dessen Unternehmen die Spezialdisziplin der deckengeführten Fördertechnik seit über 50 Jahren verfolgt, stößt ins gleiche Horn: „Mit Einführung des Taschensorters konnte sich die Hängeförderertechnik in andere Bereich entwickeln, da nun die verschiedensten Güter aus den unterschiedlichsten Branchen in den Taschen Platz nehmen.“ Ein weiteres Anwendungsfeld sei die Produktionsver- und -entsorgung bei engen Platzverhältnissen, zum Beispiel für Stoßfänger oder Armaturenbretter im Automotive-Bereich. „Sogar Blutspendedienste machen sich die Hängeförderertechnik zunutze“, klärt der Vertriebsprofi auf.

Aber wie funktioniert das Ganze jetzt genau? Wenig verwunderlich: Im Taschensorter wird jeder Artikel einzeln in einer speziellen Tasche transportiert. „Dadurch ergibt sich eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber der Auftragsstruktur der verschiedenen Vertriebskanäle. Außerdem sind die Zielstellen nicht begrenzt, da die Sortierung zentral im Matrix-Sorter erfolgt. So können mehrere Aufträge zu einem Batch zusammengefasst werden, was die Kommissionierung im Allgemeinen und die Bearbeitung von E-Commerce-Aufträgen im Speziellen sehr effizient macht“, erklärt Timothy Lindley, Systems Developer der TGW Logistics Group, die Funktionsweise. Zusätzlich biete der Taschensorter die Möglichkeit, retournierte oder vorkommissionierte Waren sowie präventiven Bestand zwischenzupuffern, – und reduziere damit den logistischen Aufwand.

Jedes Teil als Individuum behandeln

Nachdem jedes Teil beim Taschensorter als Individuum gehandhabt wird, ist der Vertriebskanal für Stefan Schönenberger, Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens aus dem bayerischen Landsberg, zweitrangig. „Eine Filialbelieferung kann über den gleichen Prozess abgewickelt werden wie eine Einzelbestellung für einen Kunden. Auf die Anzahl der Teile und Ziele kann flexibel reagiert werden, ohne den Prozess umstellen zu müssen“, sagt Schönenberger. Selbst Liegeware und hängende Teile könnten über nur ein System sortiert und am Packplatz kundenspezifisch abgegeben werden. Vorteil: „Mitarbeiter müssen sich nicht auf unterschiedliche Prozesse einstellen, der Vorgang ist für unterschiedliche Vertriebskanäle gleich.“

Laut Dr. Michael Zacher, Product Manager Overhead Conveying bei SSI Schäfer, gibt es in den Distributionszentren verschiedenste Möglichkeiten, die benötigte Ware zu kommissionieren: „Ob manueller Lagerbereich oder hochautomatisiertes Shuttle-Lager: Sie alle können an das SSI-Carrier-System angeschlossen werden und die Waren aus den unterschiedlichen Bereichen werden hier synchronisiert und zu Kundenaufträgen zusammengestellt. Insbesondere können so die immer wichtiger werdenden Retouren direkt in den dynamischen Puffer des SSI Carriers gegeben werden, sodass die Artikel schnell wieder verfügbar sind.“ Weil die Sortierung und Sequenzierung der Aufträge sehr prozesssicher und fast unabhängig von der Größe der Kundenaufträge und den Lagerbereichen der Ware möglich sei, könnten im gleichen System verschiedenste Vertriebskanäle, wie B2C, Click and collect oder Store Orders, parallel bearbeitet werden.

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Auch Taschen können „heiraten“

Und woher weiß beispielsweise der Kommissionierer, was in der Tasche drin ist? Darauf hat PSB-Mann Welsch eine einleuchtende Antwort: „Die Sicht auf das Einzelteil ist unwesentlich, da die Information, welches Teil sich in einer Tasche befindet, über die Verheiratung, die datentechnische Kopplung, von Produkt und Tasche sichergestellt wird. Dies erfolgt über einen 2D-Datamatrix-Code.“ Dem Mitarbeiter würden die zu einem Auftrag gehörigen Taschen am Packplatz zur Verfügung gestellt und er habe nun lediglich die Aufgabe, je einen Artikel aus jeder Tasche zu entnehmen und zu verpacken. „Einfacher geht es kaum, da auch Zählfehler des Mitarbeiters ausgeschlossen sind“, sagt Welsch.

Nahezu unbegrenzt skalierbar

Aber wie steht es mit den Transport- und Sortierleistungen? Dazu Bernhard Pürschl von Knapp: „Wir legen die Anlagen so modular aus und verknüpfen Module so intelligent, dass sie nahezu unbegrenzt skaliert werden können. Große Anlagen erreichen eine Packleistung von circa 700.000 Teilen pro Tag. Diese Durchsätze sind mit bodengebundenen Fördersystemen nicht erreichbar.“ Was schnell gehen muss, braucht sicher jede Menge Energie ... Pürschl: „Ganz im Gegenteil: Der Energieverbrauch ist im Vergleich zu konventionellen Systemen sogar sehr gering. In allen unseren Hängeförderanlagen messen wir den Stromverbrauch und stellen diesen auch über den Zeitverlauf für den Nutzer dar.“ Die Energiekosten einer typischen Anlage beliefen sich dabei auf Werte, die pro Tag im dreistelligen Eurobereich lägen, so der Knapp-Manager.

Dieter Kuhn von Ferag spricht von bis zu 10.500 Einheiten, die sein Skyfall-System pro Stunde fördern, sortieren und sequenzieren könne. Die Performance bei einer fördertechnischen Anlage hänge von zahlreichen Faktoren und Parametern ab, sodass sich pauschale Vergleiche erübrigten. „Nichtsdestotrotz bringt Hängefördertechnik gegenüber bodengestützten Systemen viele Vorteile mit sich. Diese äußern sich unter anderem in der Verringerung des Bodenverkehrs und der daraus resultierenden Erhöhung der Betriebssicherheit“, macht Kuhn einem bewusst.

Die Energieeffizienz seiner Anlagen stellt auch Dr. Michael Zacher besonders heraus. „Ich freue mich sehr, dass wir dieses Thema bei SSI Schäfer nach vorne bringen – auch im Rahmen der ,50 Sustainability and Climate Leaders Initiative‘, der SSI Schäfer beigetreten ist.“ Ein genereller Vorteil von Hängefördertechnik sei, dass es sich um eine relativ leichte Fördertechnik handle, da die zu bewegenden Massen recht klein seien, insbesondere der Ladungsträger Tasche selbst. Außerdem gebe es in allen Carrier-Anlagen von SSI Mechanismen, um Energie einzusparen, wie etwa intelligente Bedarfsabschaltungen von Teilbereichen, die gerade nicht genutzt würden. Zacher: „Der eigentliche Schlüssel zum Energiesparen ist aber die Effizienz der Prozesse.“

Schönenberger nutzt bei der Anlagenkonfiguration Gefälle, wo es möglich ist: Der Lagerbereich der Anlagen ist also meistens mit Gefälle ausgelegt. Hier spielt auch die Minimierung der zu transportierenden Massen mit rein: Die der Transportmittel sei im Vergleich zum zu transportierenden Gut relativ gering. Es komme auf die Reduzierung aufs Wesentliche an, nicht benötigte Bereiche würden abgeschaltet.

Projekte mit hohem Spaßfaktor

Die bei TGW eingesetzte Fördertechnik unterstütze hohe Projektierungslängen und ermögliche den Transport von mehr als tausend Taschen mit nur einem Antrieb. „Einzelne Bereiche sind als schwerkraftbasierte Pufferstrecken ausgeführt, was sich ebenfalls positiv auf den Energieverbrauch auswirkt“, sagt TGW-Mann Lindley.

Projekte, die Spaß gemacht haben? Knapp-Manager Pürschl nennt an erster Stelle Zalando, mit dem sein Haus eine langjährige Freundschaft verbinde und in drei Taschensorter-Großprojekten zusammengearbeitet habe. „Derzeit entsteht ein neues Logistikzentrum mit einer Kombination aus Shuttle-System und Taschensortertechnologie in der Nähe von Rotterdam“, so Pürschl. Schönenberger nennt ein Retrofit-Projekt eines alten Lagers bei Bugatti. Durch Konzipierung eines intelligenten Materialflusses und den Einsatz neuer Technologie hätte das alte Lager der VW-Marke so umgestaltet werden können, dass ein geplanter Neubau hinfällig geworden sei.

PSB durfte für einen E-Commerce-Anbieter in England ein Gesamtsystem entwickeln, das über 30.000 Teile pro Stunde abwickeln kann. „Dabei war ,Keep it simple‘ die Maxime – eine Kombination aus manuellem Fachbodenlager für über 200.000 SKUs, kombiniert mit einer leistungsfähigen Stückgut-Fördertechnik zur Versorgung des Taschensorters.“

Mit Skyfall von Ferag hat dieses Feature begonnen und damit soll der Text auch enden. Die Schweizer nennen als besonderes Highlight ihre Skyfall-Anlage für das neue Verteilzentrum der spanischen Mayoral-Gruppe in Malaga, die zu den europäischen Marktführern im Bereich Kindermode zählt. Ein Projekt der Superlative: Mit über 58.000 Skyfall-Gehängen und einem Durchsatz von bis zu 12.000 Einheiten pro Stunde die bis dahin leistungsfähigste Anlage, die man im Bereich der Warendistribution realisiert hat. ■

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