Logistikketten Supply-Chain-Strategien für die Ärmsten der Armen
Wissenschaftler der Universität Würzburg arbeiten zusammen mit amerikanischen Kollegen an neuen Einkaufsstrategien für Hilfsorganisation. Das Ziel: Günstige Medikamente, sichere Auslieferungs- und Logistikprozesse sowie stabile und zukunftsfähige Beschaffungsmärkte.
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Verantwortlich für das Projekt sind Prof. Richard Pibernik und Dr. Alexander Rothkopf. Die Unterfranken wollen den zahlreichen Hilfsorganisationen einen Werkzeugkasten für Einkauf an die Hand geben. „Wir wollen Modelle entwickeln, die einer Organisation in bestimmten Situationen dabei helfen, eine Entscheidung zu treffen“, fasst es Rothkopf zusammen. Dabei lernen die Wissenschaftler auch aus der Vergangenheit. Vor einigen Jahren wurde, beispielsweise von der Weltgesundheitsorganisation WHO, Geld an Entwicklungsländer vergeben, damit diese Programme zur Bekämpfung diverser Krankheiten finanzieren konnten. Die Länder traten dann selbst in Verhandlungen mit den Herstellern der jeweiligen Medikamente und Impfstoffe, kümmerten sich um die Verteilung und die Vergabe. „Das hat sich in vielen Fällen allerdings als recht ineffektiv erwiesen“, erklärt Richard Pibernik.
Der Medikamentenmarkt reagiert schnell
Heute läuft das Verfahren deshalb meistens anders ab: Hilfsorganisationen wie Unicef oder die Stop-TB-Initiative sammeln und bündeln für eine Vielzahl von Ländern den Bedarf an den jeweils benötigten pharmazeutischen Produkten. Anschließend verhandeln sie mit den Herstellern und kümmern sich auch um Lieferung und Verteilung. „Auf diese Weise bekommen sie aufgrund der größeren Bestellmenge einen besseren Preis und können somit bei einer feststehenden Summe, die ihnen zur Verfügung steht, mehr Menschen medizinisch versorgen“, schildert Pibernik einen der Vorteile dieser Vorgehensweise.
Allerdings ist dieser Weg auch mit einer Reihe von Nachteilen behaftet, die nicht zu vernachlässigen sind: „Die Hilfsorganisationen werden damit zum monopolistischen Abnehmer für Entwicklungsländer und erhalten eine gewaltige Marktmacht, die negative Folgen für aktuelle und zukünftige Hilfsprojekt haben kann, wenn Entscheidungen falsch getroffen werden“, sagt Alexander Rothkopf.
Vergibt beispielsweise eine Hilfsorganisation einen Auftrag für einen Impfstoff an einen einzigen Hersteller, weil der ihr den besten Preis garantiert, scheint das auf den ersten Blick sinnvoll zu sein. „Das könnte allerdings zur Folge haben, dass sich andere Anbieter aus diesem Markt zurückziehen“, so Pibernik. Dann bestünde die Gefahr, dass der eine Hersteller zum Monopolist wird und in Zukunft die Preise nach Belieben diktieren kann.
Anderes Beispiel: Entscheidet der Einkäufer alleine nach dem Preis, müssten häufig die Hersteller von Nachahmerprodukten – sogenannten Generika – zum Zuge kommen. Die können ein Medikament, dessen Patentschutz abgelaufen ist, günstig produzieren, weil sie kein Geld in Forschung und Entwicklung stecken mussten. „Das allerdings gefährdet zukünftige Innovationen, weil es für Firmen keinen Anreiz gibt, Geld in Forschung für Produkte zu investieren, deren Erfolg zudem ungewiss ist“, erklärt Pibernik.
Und ganz kompliziert wird es, wenn Produkte benötigt werden, die es für Entwicklungsländer bislang noch gar nicht gibt – in der Regel, weil diese Länder nicht dazu in der Lage sind, die jeweiligen Preise zu bezahlen. „In solchen Fällen müssen die Einkäufer darauf achten, dass sich nicht reine Spendengeldmärkte entwickeln, sondern Märkte, die auch von alleine funktionieren“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler.
In dem Projekt arbeiten die beiden Würzburger mit Kollegen des William-Davidson-Instituts an der Universität Michigan (USA) zusammen – einer der weltweit führenden Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der Logistik, wie Richard Pibernik sagt. Finanziert unter anderem von der Bill & Melinda Gates-Stiftung, suchen dort Wissenschaftler um Professor Prashant Yadav nach neuen Wegen, die dazu beitragen „gut funktionierende globale Märkte für Medikamente, Impfstoffe und andere Medizinprodukte zu entwickeln“, wie es auf der Homepage der Einrichtung heißt.
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