Luftfracht Unbemannte Flugroboter versorgen Afrika

Autor / Redakteur: Thomas Kuther / Robert Weber

Das US-Unternehmen Matternet will bis 2015 ein Netz von fliegenden Robotern aufbauen, die in abgelegenen Gegenden zum Einsatz kommen sollen. Die unbemannten Elektro-Mikrokopter sollen autonom von einer Basisstation zur anderen fliegen und dabei bis zu 2 kg Fracht befördern.

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Robokopter im Einsatz: So lassen sich beispielsweise Medikamente in kürzester Zeit auch in schwer zugängliche Regionen transportieren.
Robokopter im Einsatz: So lassen sich beispielsweise Medikamente in kürzester Zeit auch in schwer zugängliche Regionen transportieren.
(Bild: Matternet)

„Die meisten Menschen in westlichen Ländern denken, Straßen seien allgegenwärtig“, erklärt Andreas Raptopoulos, CEO von Matternet, Entwickler, Erfinder und Unternehmer. „Eine gute Verkehrsinfrastruktur ist aber vor allem in Entwicklungsländern eine Seltenheit. Mit diesem Problem sind zum Beispiel Hilfswerke konfrontiert, die Medikamente nur mit großem Aufwand in ländliche Gebiete transportieren können.“

Automatische Transporter erreichen Regionen ohne Straßenanbindung

Rund 1 Mrd. Menschen auf der Welt haben keinen ganzjährigen Zugang zu Straßen. Das heißt, ein Siebtel der Erdbevölkerung ist von allen sozialen und ökonomischen Aktivitäten völlig abgeschottet. Bei Matternet haben die Entwickler eine Technik, die eine Straßenaufbauphase quasi überspringen könnte.

„Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: 2014 benötigt in einer Entbindungsstation in Mali ein Neugeborenes dringend ein wichtiges Medikament. Heute würde eine entsprechende Anforderung via Mobiltelefon abgesetzt und die Ärzte würden darauf hoffen, dass die Medizin rechtzeitig ankommt. Manchmal kann es wegen der miserablen Straßenverbindungen Stunden, ja bisweilen sogar Tage dauern. Wir sind davon überzeugt, dass es möglich ist, die Medikamente in wenigen Stunden oder sogar binnen weniger Minuten liefern zu können – und zwar mit einem elektrisch betriebenen, autonomen Medizintransporter“, erklärt der Tüftler weiter.

Ein intelligentes Logistiknetzwerk inmitten der Wüste?

Bei diesem Fluggerät handelt es sich um einen elektrisch angetriebenen Multikopter mit etwa 2 kg Zuladung und einer Reichweite von 10 km. Das Besondere ist allerdings, dass dieser Medizinhelikopter zu einer größeren Flotte gehört, die ein ultraflexibles, automatisiertes Logistiknetzwerk bildet, das eine größere Region überspannt – vielleicht sogar einen ganzen Kontinent. Dieses Netzwerk haben die Erfinder „Matternet“ genannt.

„Matternet ist ein Netzwerk zur Beförderung von Gütern, das auf der Idee des Internets basiert“, erläutert Andreas Raptopoulos weiter. Die erste wichtige Technologie, die das Matternet ermöglichen soll, sind UAV (unmanned aerial vehicles) – also unbemannte Fluggeräte. „Wir wollen die vielen großen akademischen Leistungen der Opens Source Community nutzen, um eine Plattform zu schaffen, mit der Punkt-zu-Punkt-Transporte möglich sind – und zwar dezentral und peer-to-peer – wie im Internet eben“, so Andreas Raptopoulos weiter.

Der zweite wichtige Bestandteil dieses Netzwerks sind die automatischen Bodenstationen, die von den UAV angeflogen werden, um Akkus auszutauschen und Fracht abzuholen oder abzuladen. Der dritte elementare Bestandteil des Netzes ist die zum Betrieb des gesamten Netzwerks notwendige Software. Sie optimiert die Routen, den Verkehrsfluss von UAV und Gütern durch das System. Darüber hinaus berücksichtigt sie Wetterbedingungen und garantiert die Sicherheit des Systems, sodass kein Missbrauch möglich ist.

Flugroboter können senkrecht starten und landen

Das UAV ist eine hybride Plattform, die auf der Multikopter-Technologie basiert und senkrecht starten und landen kann. Darüber hinaus hat es eine Flügelarchitektur, die den Auftrieb so weit erhöht, dass eine Nutzlast wie bei einem Helikopter möglich ist. Der Multikopter fliegt mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h und ist bei Gegenwind von bis zu 30 km/h einsetzbar. Er ist elektrisch gesteuert, kann auch bei Regen fliegen und ist für eine Flughöhe von rund 120 m optimiert.

„Er könnte zwar deutlich höher fliegen, aber die 400 Fuß bieten sich aus regulativer Sicht als optimal an“, erläutert der Matternet-CEO. „Wir haben darauf geachtet, dass das Fluggerät sicher ist. So ist beispielsweise ein Fallschirm an Bord, der dafür sorgt, dass das Fluggerät notfalls sicher zu Boden schwebt.“ Das Fluggerät transportiert seinen Akku sowie die Nutzlast. Wenn das Fluggerät in einer Bodenstation andockt, werden Nutzlast und Akku automatisch ausgetauscht. Der Nutzlastbehälter hat ein Volumen von 10 l und eignet sich für Lasten bis 2 kg.

Ein Flugroboter kostet 1000 Dollar und die Bodenstation 15.000 Dollar

Die kritische Stelle des Systems ist die Andockstelle in der Bodenstation, wo Nutzlastcontainer und Akkus getauscht werden. Landen, Austausch von Akku und Nutzlast finden im kugelförmigen Oberteil der Bodenstation statt. Das Fluggerät fliegt dort rein, landet und dockt sicher an. „Die Bodenstation arbeitet wie eine Packstation“, erläutert Raptopoulos. „Jemand kommt zur Bodenstation und steckt sein Paket in den dafür vorgesehenen Paket-Slot. Von dort wird das Paket nach oben transportiert, wo es auf den nächsten Multikopter wartet, der es aufnimmt und zur nächsten Verteilstelle befördert, von der aus es zum Ziel befördert wird.“

Geflogen wird hauptsächlich GPS-gestützt, wobei verschiedene Sensordaten, etwa von Druck- und Magnetfeldsensoren in die Navigation mit eingehen, um sicherzustellen, dass der Multikopter auch bei einem GPS-Ausfall weiterfliegen kann. Die GPS-Wegpunkte werden an der Zielbodenstation hochgeladen. Nähert sich der Multikopter seinem Ziel, übernimmt die Bodenstation die Navigation und steuert das Fluggerät mithilfe von Sensoren und einer Kamera in den Einflugbereich, wo es millimetergenau andockt. Raptopoulos weiter: „Wir sind überzeugt davon, dass dies eine exzellente Idee ist – und wir haben auch die Technologie, diese Idee Realität werden zu lassen. Die nächste Frage liegt auf der Hand: Was soll das Ganze kosten?“ „Es hat sich gezeigt, dass das, was wir eine Mission nennen – das ist der Transport von 2 kg Nutzlast über 10 km –, gerade einmal 0,24 US-Dollar kostet. Unglaublich – nicht wahr?“

Die Kosten im Detail: Ein UAV kostet 1000 US-Dollar. „Wir sind sicher, dass sich das machen lässt, denn es gibt einige Trends, die uns erlauben, die Kosten zu drücken“, erläutert Raptopoulos. „Dazu gehören etwa sinkende Akkukosten. Auch die Wartungskosten sind minimal, da ein UAV je nach Propellerzahl aus nur vier bis sechs Teilen besteht, und zudem wird ein UAV eine Lebensdauer von zehn Jahren erreichen.“ Eine Bodenstation soll rund 15.000 US-Dollar kosten und eine Lebensdauer von zehn Jahren haben. „Je länger wir daran arbeiten, umso weiter werden die Kosten sinken“, sind die Entwickler überzeugt.

* Thomas Kuther ist Redakteur bei dem Fachmagazin Elektronikpraxis von Vogel Business Media in München

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