Expertenbeitrag

M. A. Benedikt Hofmann

M. A. Benedikt Hofmann

Chefredakteur MM MaschinenMarkt

Logistiksoftware Was ist Big Data? Analytics, Definition, Bedeutung & Beispiele

An Big Data führt kein Weg mehr vorbei. Trotzdem sehen viele Betriebe das Thema noch skeptisch. Hier erfahren Sie, was Big Data bedeutet, welche konkreten Anwendungsszenarien es gibt und welche Trends Experten Big-Data-Technologien prognostizieren – Praxisbeispiele inklusive!

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Big-Data-Systeme sammeln umfangreiche Datenmengen und werten sie aus. Auch für die Logistik halten sie vielfältige Verbesserungen bereit.
Big-Data-Systeme sammeln umfangreiche Datenmengen und werten sie aus. Auch für die Logistik halten sie vielfältige Verbesserungen bereit.
(Bild: ©everythingpossible - stock.adobe.com)

Woher kommt der Begriff Big Data: Als Big Data bezeichnet man große Mengen an Daten, die Konsumenten, Anwender und Unternehmen täglich produzieren. Hierzu zählen – auf Konsumentenebene – beispielsweise Daten zum Online-Suchverhalten, Bewegungsdaten oder Daten zum Kaufverhalten und – auf Unternehmensebene – Produktionsdaten oder Transportdaten. Auf Basis dieser Datenmengen lassen sich mithilfe intelligenter Software, zum Beispiel der Blockchain, Vorhersagen treffen und relevante Sachverhalte herausarbeiten.

Einen etwas anderen Erklärungsansatz für Big Data liefert Chip.de: „Eine große Datenmenge bezeichnet man dann als Big Data, wenn ihr Umfang zu groß oder zu komplex ist, sie händisch zu verarbeiten. Das gilt vor allem für solche Daten, die sich stetig ändern.“

Wohl selten gab es über eine Aussage so große Einigkeit zwischen Politik, Wirtschaft und der privaten Gesellschaft: Daten sind der Rohstoff der Zukunft. Die Digitalisierung macht aus nahezu jedem Unternehmen einen Sammler und Verwerter von Big Data. Besonders gilt das für die Logistik, die sich schon immer zu großen Teilen mit dem Zusammenkommen von Informationen und den daraus resultierenden Schlüssen beschäftigt.

Häufig wird in Sachen Big Data und Logistik zuerst an den Handel und den Transport gedacht, wo E-Commerce-Riesen wie Amazon & Co. mit ihrer eigenen Software schon lange daran arbeiten, die Daten ihrer Nutzer möglichst umfangreich und präzise auszuwerten. Aber es gilt nicht weniger für die Intralogistik. Auch hier fallen enorme Datenmengen an, die – bei richtiger Verwendung – zu einer deutlich gesteigerten Effektivität führen und ganz neue Geschäftsmodelle ermöglichen.

Skepsis gegenüber Big Data

Es sind vielversprechende Aussichten, die Big Data verheißt. Die Unternehmenswelt spielt aber häufig nach anderen Regeln als die Digitalgesellschaft. Der Studie Building Trust in Analytics zufolge, für die Forrester Consulting im Auftrag von KPMG weltweit Entscheider von mehr als 2000 Unternehmen in zehn Ländern befragt hat, fürchten 52 % der Unternehmen in Deutschland, dass Datenanalysen und Nutzung von Big Data dem eigenen Ruf schaden können. Weltweit sind es sogar 70 %.

Mit Blick auf die Studie erklärt Dr. Thomas Erwin, Studienleiter und Experte für Data and Analytics bei KPMG: „Deutsche Unternehmen nutzen Data and Analytics in deutlich geringerem Umfang als die weltweite Konkurrenz. Grund ist das mangelnde Vertrauen in die Datenanalyse. Dieses führt dazu, dass Unternehmen Data and Analytics eher gar nicht oder nur in sehr begrenztem Ausmaß einsetzen. Dadurch bleiben enorme Potenziale auf der Strecke. Alarmierend ist zudem, dass weltweit sieben von zehn Entscheidern angeben, dass die Datenanalyse ein Reputationsrisiko darstellt. Unsere Studie zeigt auch, dass Entscheider hierzulande der Frage skeptisch gegenüberstehen, ob ihr Unternehmen bereit ist, den Datenschatz zu heben, und ob sie dafür die richtigen Kompetenzen für Big Data an Bord haben.“

Begriffsbedeutung von Big Data aufwerten

Wie soll man Unternehmen nun die Sorgen im Hinblick auf diesen neuen Geschäftsbereich nehmen, der laut einhelliger Expertenmeinung zukünftig ein wichtiger Teil des Business sein wird? Und wie kann das gerade in der Logistik gelingen, wo er, wie das von DHL erstellte Logistics Trend Radar 2016 zeigt, eine besonders große Bedeutung haben wird? Ein Anfang könnte sein, dem Thema einen besseren Namen zu geben, der den Kern genauer trifft als der relativ undifferenzierte Begriff „Big Data“.

Dr. Roland Fischer, Geschäftsführer der Fraunhofer Arbeitsgruppe-SCS, schlägt eine Erweiterung des Begriffs „Big Data“ vor.
Dr. Roland Fischer, Geschäftsführer der Fraunhofer Arbeitsgruppe-SCS, schlägt eine Erweiterung des Begriffs „Big Data“ vor.
(Bild: Fraunhofer-IIS)

Auch Dr. Roland Fischer, Geschäftsführer der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services, ist mit der Begrifflichkeit unzufrieden: „Ich würde nicht mehr von Big Data sprechen, sondern von Analytics sprechen, denn darum geht es ja im Endeffekt.“ Diese Begrifflichkeit bringt uns dann auch direkt auf den Punkt, um den es eigentlich geht: nämlich nicht nur die Sammlung von großen Daten, sondern auch deren Auswertung und das Ausloten von Rückschlüssen. „Durch die fortschreitende Digitalisierung werden Daten anfallen, die das Potenzial haben, Mehrwerte zu stiften. Das beginnt in der Erzeugung der Daten an den Maschinen, den Objekten und bei den Werkern. Diese Informationen werden descriptive, also beschreibend, behandelt werden. Das kann beispielsweise in der Cloud passieren“, führt Fischer weiter aus.

Mehrwerte von Big Data für die Logistik

Warum man sich gerade auch in der Intralogistik mit dem Wert der Daten beschäftigen sollte, zeigt ein kurzer Blick auf mögliche Anwendungsszenarien. „Die Analysen auf der Basis von historischen und Echtzeit-Datenmengen helfen dabei, die komplexen, sehr variablen logistischen Zusammenhänge als Grundlage für eine Entscheidung einfach und transparent darzustellen. So werden Entscheidungsfindungen auch für die Lagertechnik beschleunigt und sicherer“, skizziert Prof. Michael Schenk, Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung. „Die automatisierte Erfassung des operativen Zustandes des Lagers ist außerdem eine permanente Datenquelle, die neuartige, moderne Analyseverfahren ermöglicht. Mit ihnen können im dynamischen Tagesgeschäft letztendlich noch sicherere Entscheidungen und eine höhere Verfügbarkeit des Lagers bei gleichzeitiger Verringerung der Lagerbestände und Ressourcen erzielt werden.“ Eines der Ergebnisse dieser Entwicklung könnte dann sein, dass beispielsweise das Bestandsmanagement zukünftig dank innovativer Software vollautomatisiert vonstatten geht. Das wird jedoch wohl nicht von heute auf morgen passieren, wie Fischer betont.

Beispiele für Big-Data-Anwendungen in der Logistik:

  • Verkehrsvorhersagen nutzen: KEP-Dienstleister und andere Transportunternehmen müssen immer schneller liefern, um sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen und den Abnehmerwünschen gerecht zu werden. Eine Echtzeit-Verkehrsanalyse ist da ein Segen – und Big Data macht's möglich: Die Speicherung von Bewegungsdaten unzähliger Verkehrsteilnehmer erlaubt die Erstellung präziser Prognosen, wo sich Staus bilden können und wie lange man für welche Route braucht.
  • Risiko- und Bestandsmanagement revolutionieren: Der Produktionsausfall aufgrund fehlender Rohstoffe ist ein Horrorszenario für Fertigungsbetriebe. Dank Big Data lassen sich Bestände nun aber mithilfe der entsprechenden Software deutlich effizienter managen als bisher. Die Analyse von Verbrauchsdaten erlaubt es, Warnsysteme zu generieren, die im Vorfeld etwaiger Engpässen frühzeitig Bescheid geben.

Prof. Michael Schenk, Institutsleiter des Fraunhofer-IFF sieht potenzielle Anwendungsszenarien von Big-Data-Technologien unter anderem in der Lagertechnik.
Prof. Michael Schenk, Institutsleiter des Fraunhofer-IFF sieht potenzielle Anwendungsszenarien von Big-Data-Technologien unter anderem in der Lagertechnik.
(Bild: Dirk Mahler)

Laut Expertenmeinung werden auch die Prescriptive Analytics noch viel zu selten thematisiert. Dabei geht es nicht mehr nur darum, Handlungsempfehlungen zu geben, sondern zu bewerten, welche die beste zur Verfügung stehende Option ist. Grundlage hierfür sind mathematische Methoden, die auf Basis von Big Data verschiedene Lösungen vorschlagen können und auch anzeigen, wie weit diese Optionen vom Optimum entfernt sind. „Wir sollten uns in unserer Gedankenwelt nicht zu sehr darauf fixieren, dass irgendwann die Maschinen alles entscheiden. Aber die Entscheidungsvorschläge können von der Maschine kommen und der Mensch kann entscheiden. Wenn wir dann genug Vertrauen aufgebaut haben, kann es aber durchaus auch automatisierte Lösungen geben“, so Dr. Fischer. „Es werden gerade diese Daten sein, aus denen auch in der Intralogistik neue Geschäftsmodelle entstehen werden. Die Prognose ist, wenn Sie so wollen, der Wetterbericht. Aber über Prescriptive Analytics werden wir in der Lage sein, das Wetter zu beeinflussen und zu verändern.“

Aus dieser Gewissheit entsteht dann auch ein weiterer Anreiz, aus dem sich Unternehmen lieber früher als später mit der Software zur Erfassung, Verarbeitung und Auswertung von Big Data befassen sollten: Andere – möglicherweise gänzlich neue – Player werden es tun. Schon jetzt sondieren Onlineriesen wie Amazon und Google die Märkte unablässig nach neuen Möglichkeiten, um ihre Expertise und Fertigkeiten gewinnbringend in neuen Branchen einzusetzen und Start-ups sprießen in den unterschiedlichsten Branchen aus dem Boden, teilweise mit Angeboten, an die die etablierten Unternehmen bislang nicht einmal gedacht haben. Noch sind Anbieter von Produkten aus Stahl und Eisen und stark auf Branchen zugeschnittenen Dienstleistungen von dieser Entwicklung relativ verschont geblieben. Doch so wie intelligente IT-Lösungen den Kunden immer wichtiger werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese Schutzmauer fällt.

Ein vom Fraunhofer IFF entwickeltes RFID-Armband für Prozesse in der Intralogistik zeigt, wie Daten für Big-Data-Systeme gewonnen werden können.
Ein vom Fraunhofer IFF entwickeltes RFID-Armband für Prozesse in der Intralogistik zeigt, wie Daten für Big-Data-Systeme gewonnen werden können.
(Bild: Dirk Mahler, Fraunhofer IFF)

Woher kommen die Daten?

Datenquellen für Big Data gibt es in der Intralogistik genügend und es wird bereits eine große Datenmenge. Man muss nur daran denken, wie viele Daten allein bei einem Gabelstapler im Einsatz entstehen – Bewegungsabläufe, Routen, Warenbezeichnungen und so weiter. Über Leitsysteme kann ein Großteil dieser Daten bereits erfasst werden, allerdings werden sie selten wirklich genutzt, da die dazu nötigen Werkzeuge nicht bekannt sind und häufig das Vertrauen in Big Data fehlt.

Betrachtet man aber die Idee des Internet of Things (oder der cyberphysischen Systeme), wird deutlich, dass innovative Software zum Umgang mit Big Data dringend gebraucht wird. „Wir stehen hier derzeit noch am Anfang der Entwicklung“, so Schenk. „Einerseits sind die notwendigen Technologien vorhanden. Dank der Vernetzung mobiler Objekte durch neue Funkstandards kommen wir aktuell sogar auf ein neues Technologielevel. Zudem sinken die Preise für die Technik bei gleichzeitiger Verbesserung der Leistungsfähigkeit. Was andererseits jedoch fehlt, sind Schnittstellenstandards von der Quelle bis zur Senke. Die Logistik benötigt zwingend eine internationale und standardisierte Verfügbarkeit von Telekommunikationsinfrastrukturen. Das ist es, was in den kommenden Jahren vorrangig angegangen werden muss.“

Sind diese Schritte aber einmal gemacht, steht den Unternehmen eine Datenflut bevor, die auf konventionellem Weg gar nicht mehr gehandelt werden kann. Hier erkennen nur noch maschinelle Systeme die Muster, aus denen dann ein Mehrwert gewonnen werden kann. Das wird in diesem Umfeld auch dezentral geschehen, indem Objekte direkt miteinander kommunizieren, lokal die besten Lösungen für bestehende Probleme finden und diese dann in einen Gesamtkontext einbringen. Die Daten, die hier anfallen, wird man im Sinne von Big Data zukünftig nutzen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen.

In diesem kurzen Video präsentiert Great Learning fünf spannende Trendprognosen zum Thema Big Data.

Big-Data-Trends der kommenden Jahre

Aus all diesen neuen Möglichkeiten entstehen durch Big Data natürlich auch neue Anforderungen, die auch von den Management- und Mitarbeiterebenen eines Unternehmens neue Fähigkeiten fordern. Die Felder, mit denen sie sich in den kommenden Jahren auseinandersetzen müssen, lassen sich Fischer zufolge in vier Säulen unterteilen:

  • Wie werden Daten erzeugt und gespeichert?
  • Wie werden Daten analysiert und Prognosen getroffen?
  • Wie werden die Daten genutzt?
  • Wie werden die Daten verwertet und wie wird daraus ein Geschäft generiert?

Das impliziert die Frage, wie das eigene Unternehmen so transformiert werden kann, dass es auch unter diesen neuen durch Big Data gestellten Voraussetzungen wettbewerbsfähig bleibt. Den Experten zufolge gibt es keine Alternative. Man muss sich Big Data stellen. Es heißt also: ran an die Technologien, wie es Fischer beschreibt: „Die Unternehmen müssen sich überlegen, wo sie diese Technologie in ihre Angebote einbinden und welche neuen Services sie schaffen können.“ Ziel muss es hierbei sein, den Kunden durch die deutlichen Mehrwerte, die eine Kooperation mit dem eigenen Unternehmen bietet, fester an sich zu binden.

Nur wenn Unternehmen sich jetzt intensiv mit den Chancen und Risiken von Big Data auseinandersetzen, haben sie eine Chance, langfristig erfolgreich zu sein und Kunden auf lange Sicht an sich zu binden.
Nur wenn Unternehmen sich jetzt intensiv mit den Chancen und Risiken von Big Data auseinandersetzen, haben sie eine Chance, langfristig erfolgreich zu sein und Kunden auf lange Sicht an sich zu binden.
(Bild: ©s_l - stock.adobe.com)

Durch diese Entwicklungen wird ohne Zweifel eine neue Arbeitswirklichkeit entstehen, unter anderem da sie die Entwicklung hin zu einer umfangreichen Automatisierung weiter vorantreiben. „Gerade in der Intralogistik kann und wird weiter automatisiert werden. Fahrerlose Transportsysteme und Roboter werden Transport, Lagerung und Umschlag verändern. Da aber Gebäude und Materialflussstrukturen nur langfristig verändert werden können, wird dies wahrscheinlich nur bei Neubauten berücksichtigt“, erklärt Schenk. „Insbesondere bei der Auflösung starrer Bandstrukturen bei den Orginialausrüstungsherstellern sind bei der Fertigung neuer Fahrzeugkonzepte relativ schnell innovative Ansätze zu erwarten. Die Rolle des Menschen steht deshalb nicht grundsätzlich zur Disposition. Wie in allen Branchen wird es aber auch in der Logistik Neuausrichtungen geben.“

Weitere Quellen zum Thema Big Data

  • 1. Mit unserem Themenkanal IT sind Sie immer perfekt informiert über die wichtigsten Meldungen, Trends und Produkte zum Thema Logistiksoftware und Big Data.
  • 2. Auf unserem Schwesterportal BigData Insider gibt es Wissenswertes rund ums Thema – alle Inhalte zu Big-Data-Infrastrukturen, Data Sourcing, Management, Analytics, Best Practices, Recht & Sicherheit, künstliche Intelligenz und Industrie 4.0.

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Hier gibt's weitere Beiträge zu KPMG, DHL, zur Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services und zum Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung!

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