Pneu-Panik Welle von Neureifen aus Asien bedroht Sicherheit und Klimaschutz
Anbieter zum Thema
Runderneuerte Reifen werden durch Importe aus Fernost verdrängt, klagt Azur. Der europaweite Marktanteil runderneuerter Lkw-Reifen etwa stürzte in 10 Jahren um rund 14 Prozent ab. Das habe Folgen.

Der europaweite Marktanteil runderneuerter Lkw-Reifen fiel in den letzten 10 Jahren von 34,2 Prozent (2012) auf 20,1 Prozent (2022) ab, berichtet Azur (Allianz Zukunft Reifen). Die Runderneuerung von Pkw-Reifen stagniere durch die Marktüberflutung mit Importreifen aus Fernost. Das habe fatale Auswirkungen auf Klima, Umwelt und die europäische Wirtschaft. Denn in Europa runderneuerte Reifen bieten mit derselben Qualität, Sicherheit und Laufleistung wie vergleichbare Neureifen klare ökologische Vorteile, sagt Azur. Damit bedrohe der Import von Billigreifen die ökologische Transformation im Transportwesen.
In Europa runderneuerte Reifen durchlaufen zahlreiche Sicherheits- und Qualitätskontrollen und erfüllen die hohen Anforderungen der ECE R108/109. Die Profilvarianten deckten alle typischen Nfz-Einsatzbereiche und Achspositionen ab. Die Performance, die in Europa runderneuerte Lkw-Reifen auf die Straße bringen, ist absolut konkurrenzfähig, betont Azur. Die Laufleistung derselben übertreffe in vielen Fällen nicht zuletzt die der billigen Asien-Pneus. Für Azur-Netzwerk-Koordinatorin Christina Guth ist die Reifenrunderneuerung ein vielversprechendes, zukunftsweisendes Konzept, das nicht nur ökonomisch aufgeht, sondern auch ökologisch und sozial und deshalb von der Politik dringend unterstützt werden muss. Die Allianz fordert deshalb ein sofortiges Handeln von Seiten der EU-Legislative.
Runderneuerte Reifen sind klimafreundlicher
Moderne Prozesse sorgen bei der Runderneuerung von Reifen dafür, dass die Laufflächen und Seitenwände abgefahrener Markenreifen wieder einsatzfähig werden. Dadurch könnten in Europa Millionen Tonnen Abfälle vermieden und natürliche Ressourcen geschont werden. Die Runderneuerung spare im Vergleich zur Neureifenherstellung nach einer DBU-Studie des Fraunhofer-Instituts Umsicht (Stand 2022) außerdem über 60 Prozent CO2-Emissionen und rund 50 Prozent Energie (Strom und Gas). Und, wie Guth anmerkt: „Premiumreifen für Nutzfahrzeuge mit Qualitätskarkassen können von Fachbetrieben bis zu dreimal runderneuert werden.“ So werde ihre Laufleistung quasi bei anhaltend hoher Qualität, Sicherheit und Haltbarkeit vervielfacht. Das hat entsprechend positive Auswirkungen auf Klima, Umwelt und Betriebskosten, heißt es weiter. Importreifen von Herstellern, die keine ETRMA-Mitglieder (European Tyre and Rubber Manufacturers Association) seien, eigneten sich mangels Karkassenqualität hingegen meist nicht für die Runderneuerung. Sie müssten nach Gebrauch in der Regel kostenpflichtig entsorgt werden und werden dadurch zu Abfall, der, wenn er nicht anderweitig recycelt wird, rund 2.000 Jahre die Umwelt belaste.
Hilfreiche Importbremsen von China ausgehebelt
Gemäß einer Analyse von ETRMA sank die Zahl der in Europa (ohne die Türkei) runderneuerten Lkw-Reifen im Jahr 2022 dennoch um 6,2 Prozent auf rund 4,29 Millionen Stück. In 2007 waren es noch 5,81 Millionen. Damit nimmt die Bedeutung der Runderneuerung in Europa zusehends ab. Dieser Trend bedrohe nicht nur Klima und Umwelt, sondern auch Unternehmen und Arbeitsplätze. Der Marktanteil runderneuerter Lkw-Reifen geht in Europa also kontinuierlich zurück, wie anfangs schon beschrieben. Und der Marktanteil runderneuerter Pkw-Reifen stagniert in Europa seit Jahren bei rund einem Prozent.
Der EU-Zolleffekt von 2017, der runderneuerten Lkw-Reifen in Europa ein kurzes Zwischenhoch verschaffte, konnte den Abwärtstrend folglich nicht stoppen. Noch 2017 hatten in Europa neu eingeführte Antidumping- und Antikorruptionszölle auf Reifenimporte aus China zu einem drastischen Importeinbruch geführt. Die Einfuhr von Lkw-Reifen aus China in die Staaten der EU brach damals innerhalb von zwei Jahren um rund 75 Prozent auf unter eine Million Stück ein. Die Zahl der Reifenimporte aus China blieb in der Folge in etwa auf diesem Niveau, so Azur. Dennoch erreichte die Gesamtzahl der Lkw-Importreifen in Europa 2022 mit 5,59 Millionen Stück einen neuen Höchststand. Sie lag damit deutlich vor der Zahl runderneuerter Lkw-Reifen (4,29 Millionen). Das lag aus Expertensicht daran, dass die Strafzölle der EU und der Nachteil zollerhöhter Markteintrittskosten durch eine massive Verlagerung von Produktionskapazitäten aus China in benachbarte asiatische Staaten umgangen worden ist. Auf der nächsten Seite gibt es noch mehr Zahlen, Vergleiche und vor allem Tipps, wie man die Importschwemme von zweifelhaften Reifen aus Asien stoppen könnte.
Mit einer Reifen-Kreislaufwirtschaft die Ziele des Green Deal erreichen
Noch deutlicher werde die Misere durch folgenden Vergleich: Im Jahr 2012 kamen auf 100 von Nicht-ETRMA-Mitgliedern importierten Lkw-Neureifen noch 360 in Europa runderneuerte Reifen. Im Jahr 2022 verschlechterte sich das Verhältnis so, dass auf 77 runderneuerte Lkw-Reifen rund 100 Reifen aus Asien kamen. Eine zukunftsweisende Kreislaufwirtschaft sollte aber die längstmögliche Nutzung von Produkten und Rohstoffen anstreben, so die Meinung von Azur. Abfälle und Umweltbelastungen sollten vielmehr durch Reparatur, Aufbereitung oder Wiederverwertung recycelter Rohstoffe vermieden werden. Und auch die Reifenbranche kann per Circular Economy ressourcenschonend die maximale Wertschöpfung aus dem Wertstoffkreislauf Gummi herausholen.
Der Königsweg einer nachhaltigen Reifenkreislaufwirtschaft sei also die Runderneuerung gebrauchter Reifen. Die deutliche Steigerung der Marktanteile runderneuerter Reifen in Europa kann einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele des europäischen Green Deal leisten, meint Azur. Hinzu komme der Vorteil, dass die Runderneuerung eine KMU-geprägte Branche mit kurzen Lieferketten und hoher regionaler Wertschöpfung sei. Jeder runderneuerte Lkw-Reifen verursacht nach einer Studie des Fraunhofer-Instituts Umsicht außerdem rund 135 Kilogramm weniger CO2als die Produktion eines Neureifens. Eine Verdoppelung des Marktanteils runderneuerter Lkw-Reifen in Europa (auf rund 8,5 Millionen Stück) würde die Emissionen Europas um über eine Million Tonnen senken. Angesichts der weltweiten Klimakrise ist also sofortiges Handeln von Seiten der Politik gefordert. Es müssten schnellstmöglich Maßnahmen zur Unterstützung der nachhaltigen Runderneuerung ergriffen werden. Folgendes sei nun dringend geboten:
- Alle in der EU zugelassenen Neureifen müssen runderneuerungsfähig werden;
- Die öffentliche Hand muss runderneuerte Reifen bevorzugt einsetzen;
- Runderneuerte Reifen dürfen nicht mehr von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden;
- Fuhrpark- und Flottenbetreibern sollte der Einsatz von runderneuerten Reifen über eine staatliche Subventionierung erleichtert werden.
(ID:49668034)