Kommissionieren

Werkers neue Helfer?

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Es ist kein Widerspruch, dass die dem Menschen attestierte Flexibilität auch ein Argument für die Automatisierung sein kann. So sollen produzierende Unternehmen durch diese Versorgungssysteme in die Lage versetzt werden, auch Spitzenlasten problemlos abzudecken. „Dabei spielt die Automatisierung der Kommissionierung eine wichtige Rolle“, so Dr. Max Winkler, Vice President Solutions & Technology bei SSI Schäfer. „Eine 100-prozentige Automatisierung ist allerdings auch hierfür in den seltensten Fällen die optimale Lösung. Vielmehr muss bei der Automatisierung eine sinnvolle Integration des Menschen in das System vorgenommen werden.“

Ein wichtiger Vorteil, den das produzierende Gewerbe im Vergleich zum Handel hat und den es ausnutzen muss, ist die Möglichkeit zur weitgehenden Standardisierung der Ladungsträger. Ist dieser Standard dann etabliert, wird es beispielsweise möglich, den Transport weitgehend zu automatisieren. Weitere Erfolg versprechende Ansätze sind Winkler zufolge die automatische Beladung und Entladung von Transporteinheiten sowie das automatisierte Zusammenstellen von sogenannten Kits, zum Beispiel im Bereich der Montage.

So wird es dann auch möglich, diese Bereiche des Materialflusses mit dem Produktionssystem zu vernetzen, wie Meurer zu bedenken gibt. Das wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Industrie 4.0, der auch an die Bedürfnisse der unterschiedlichen Kunden angepasst umsetzbar wäre.

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Die selbstfahrende Versorgung

Wie eine automatisierte Belieferung der Produktion im bereits angesprochenen Zusammenspiel von Roboter und Mensch aussehen kann, wenn das Kanban-System zum Einsatz kommt, zeigen Trilogiq und Identytec mit ihrem gemeinsamen Projekt „add“ (automated driverless delivery), das in einem Leuchtenwerk der Zumtobel Group zum Einsatz kommt. Hier werden die Kanban-Regale von einem FTS automatisch mit Kleinteilen für die Endmontage beliefert. Bedarfsmeldungen für Kleinteile werden im Kanban-Supermarkt des Lagers auf einem separaten Display inklusive eines Barcodes angezeigt. Der Scan des Barcodes stößt die automatische Auslagerung aus dem Automatiklager an.

Der Logistikmitarbeiter belädt den fahrerlosen Routenzug dann gemäß der vom IT-System am Display und am Fahrzeug mit einer Put-to-Light-visualisierten dynamischen Platzzuweisung. Entlang eines Magnetstreifens fährt das FTS seine Route. Am jeweiligen Regal angekommen, rutschen die einzeln entsperrten Kleinladungsträger vom FTS in die jeweiligen Kanban-Regale an den Montageplätzen. Gleichzeitig werden Leerbehälter vom FTS aufgenommen. 40 bis 60 Lieferungen erfolgen so täglich zu den Arbeitsplätzen in der im Dreischichtbetrieb arbeitenden Montage im Leuchtenwerk Dornbirn.

Ein weiteres Beispiel für selbstfahrende Systeme zur Belieferung von Arbeitsplätzen bietet Magazino. Die Toru genannten Regalroboter zeigen in einem Buchlager bereits, dass Pick-by-Robot möglich ist. Für den Bereich der Produktionsversorgung ist eine modifizierte und vereinfachte Version des jetzigen Prototypen geplant. Statt eines Greifers für die verschiedenen Anwendungen im Fulfillment/Versandbereich soll der mobile Kommissionierroboter dann ein Greifsystem für Kleinteile-(KLT-)Behälter bekommen. Der Roboter wird dann benötigte Teile für die Produktion im KLT-Behälter direkt an die Montageplätze liefern und dort die leeren Behälter wieder einsammeln. Damit könnten nach Meinung des Unternehmens aufwendige, von Menschen gesteuerte Routenzüge ersetzt werden.

Da die Roboter in diesem System mit dem Menschen im selben Raum agieren, wird großes Augenmerk auf der sicheren Zusammenarbeit liegen. Die Roboter müssen in diesem Bereich ein hohes Maß an Selbstständigkeit in der Navigation und lokaler Entscheidungsautonomie mitbringen – insbesondere wenn in der Produktionshalle, gleichzeitig mit den mobilen Robotern, viele Menschen auf denselben Wegen unterwegs sind. Einen ersten Prototypen für diesen Bereich will Magazino im Frühjahr 2016 präsentieren.

Gute Vorzeichen

Zwar gibt es bei der Umsetzung durchaus Unterschiede in der Herangehensweise der verschiedenen an diesem Beitrag beteiligten Unternehmen, doch sind sie sich in einer Sache weitestgehend einig: Die Vorzeichen für eine zumindest teilweise Automatisierung der Kommissionierung in der Industrie sind sehr gut. Dafür spricht nicht nur die Möglichkeit zur Standardisierung der Ladungsträger, sondern beispielsweise auch die häufig bereits vorhandene ausgeprägte Automatisierungskompetenz in den Unternehmen. „Das bedeutet, in verschiedenen Funktionsbereichen des Unternehmens ist die Fachkompetenz bereits gegeben“, so Winkler. „Daher liegt es auch nahe, diese für die Automatisierung der internen Logistik heranzuziehen.“

Im Endeffekt ist die Frage der Automatisierung in der Kommissionierung auch immer eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Über diese entscheiden aber nicht nur die nötigen Investitionen, sondern beispielsweise die bei der konventionellen Kommissionierung auftretenden Fehler. Diese häufen sich aufgrund der sinkenden Losgrößen und steigenden Teilezahlen aber immer mehr, erklärt Schnabl: „Man kann manuelle Lager beispielsweise auch mit einer Einstiegslösung ausstatten, die dabei hilft, diese Fehler zu vermeiden. Auch das ist ein erster Schritt in die Automatisierung, der sich eben genau an den Bedürfnissen des Unternehmens orientiert.“

Und hier kommt er dann wieder zum Tragen, der individuelle Ansatz, den alle Interviewpartner gefordert haben und der sich als Quintessenz dieses Beitrags festhalten lässt. Es entscheidet sich also alles an dem einem Satz, der bei der Frage nach der Sinnhaftigkeit der Automatisierung immer wieder fiel: „Es kommt darauf an.“ MM

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