Prozessautomatisierung Zuverlässige Funktechnik macht Anlagen kostengünstiger und flexibler
Verfahrenstechnische Anlagen sind oft historisch gewachsen. Eine Umstellung auf teure Prozessleitsysteme ist oft nicht wirtschaftlich. Trotz Ethernet- und Feldbus-Technik in der Automatisierung dominieren in prozesstechnischen Anlagen nach wie vor digitale und analoge Schaltsignale, die per Zweidrahtleitung mit der Sensorik und Aktorik verkabelt sind. Hier bieten Funklösungen zahlreiche Vorteile.
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Charakteristisch für Applikationen der Prozessindustrie ist die große territoriale Ausdehnung – Sensoren und Stellglieder sind oft über mehrere Kilometer verteilt. Lange und beschwerliche Distanzen bei der Kabelverlegung – insbesondere bei späteren Anpassungen – sind keine Seltenheit.
Auch die Umgebungsbedingungen spielen eine wichtige Rolle. Beim Außeneinsatz fordern außerdem Kälte, Staub und Schmutz ihren Tribut, was nicht selten zu schadhaften Kabeln führt.
W-LAN und Bluetooth auch für Prozesssautomatisierung interessant
Im Büro-, Heim- und Freizeit-Bereich haben Funktechniken wie W-Lan oder Bluetooth die Kommunikation längst revolutioniert. Auch im industriellen Umfeld können Funkanwendungen für neu zu errichtende, aber auch für bestehende Kommunikationswege zum Einsatz kommen.
Das bringt nicht nur erhebliche Kostenvorteile durch den Wegfall der Kabelverlegung mit sich, durch Funk erhöht sich auch die Flexibilität. Mobile oder rotierende Anlagenteile können mit einem Minimum des bisherigen Aufwands eingebunden werden. Auch dem Trend zu immer kürzeren Produktzyklen und Time-to-Market kommen Funklösungen mit ihrer hohen Flexibilität und ihren kurzen Umrüstzeiten entgegen.
Zur Zeit drängen Standards wie W-Lan und Bluetooth aus Gründen der Investitionssicherheit massiv in die industrielle Produktion. Allerdings sind diese Technologien eher für die engmaschige Echtzeit-Kommunikation ausgelegt, wie sie in der Fertigungsindustrie existiert. Trotz zahlreicher Verbesserungen und Erweiterungen decken sie nicht alle Anforderungen der Prozessindustrie ab. Phoenix Contact hat eine spezielle Industrie-Funktechnik entwickelt, die für Prozessanwendungen optimiert wurde: Trusted Wireless.
Territoriale Erschließung mit Trusted Wireless
Funk muss unter den rauen Bedingungen der prozesstechnischen Anwendungen genauso robust und zuverlässig arbeiten wie ein Kabel. Die von Phoenix Contact vorgestellten Trusted Wireless-Funksysteme arbeiten im lizenzfreien 2,4-GHz-ISM(Industrial Scientific Medical)-Band, das mit einer Bandbreite von 83 MHz über 40 mal so breit ist wie die beiden anderen ISM-Bänder mit 433 und 868 MHz. Diese werden oft im Consumer-Bereich genutzt und arbeiten nicht immer störungsfrei.
Bei der Funkkommunikation in der Prozessindustrie spielt die Koexistenz eine wichtige Rolle. In Anlagen, in denen bereits eine Funk-Infrastruktur existiert, gibt es nur wenige freie Kanäle. Gerade W-Lan belegt mit seiner hohen Bandbreite einen großen Teil des Frequenzbandes. Trusted Wireless hingegen ist aufgrund seines effizienten Protokolls schmalbandig und findet immer eine Kommunikationslücke.
Störsicher und verträglich mit anderen Funksystemen
Die Übertragung basiert auf dem Frequenzsprung-Verfahren. Die Sendefrequenz, die in Auswahl und Reihenfolge für jedes System einmalig ist, wird alle 27 ms innerhalb der über 800 Kanäle im 2,4-GHz-Band gewechselt. Zudem können bestimmte Frequenzbereiche für W-Lan-Systeme ausgespart werden. So wird Trusted Wireless störsicher und zugleich „freundlich“ im Vergleich zu anderen Funksystemen (Bild 1).
Ein weiterer Vorteil des 2,4-GHz-Bands ist die Unempfindlichkeit gegenüber typischen industriellen Störquellen. Schweißanlagen, Umrichter oder Erodieranlagen arbeiten in wesentlich niedrigeren Frequenzen, so dass selbst die Harmonischen nicht in diesen Bereich gelangen.
Auf die Reichweite der Signale kommt es an
In Prozessanlagen, wo größtenteils analoge und digitale Signale übertragen werden, spielen umfangreiche Protokolle und hohe Datenraten keine Rolle. In solchen Anwendungen, bei denen sich beispielsweise Temperatur und Druck nur langsam ändern, ist eine Übertragungszeit von 27 ms als „Echtzeit“ ausreichend. Dort steht mehr der Wunsch nach großer Reichweite im Vordergrund.
Die Kombination aus niedriger Bruttodatenmenge und applikationsorientierter Übertragungszeit führt zu einer geringeren Baudrate. Dadurch erzielt Trusted Wireless bei einer reglementierten Sendeleistung eine hohe Energie pro Bit, was zu einer erheblich höheren Reichweite führt als bei anderen Funkstandards im selben Frequenzband.
Reichweite der Funktechnik über Empfänger-Empfindlichkeit erhöhen
Zur Reichweite trägt auch die Empfänger-Empfindlichkeit entscheidend bei. Sie ist – im Gegensatz zur abgestrahlten Sendeleistung - nicht gesetzlich limitiert und hängt stark von der Qualität der verwendeten Bauteile ab. Aufgrund der stark reduzierten Produktionsprozesse liegen Standard-Single-Chip-Lösungen, wie sie bei Bluetooth eingesetzt werden, deutlich unter der Empfänger-Empfindlichkeit eines diskret hergestellten Trusted Wireless-Funkboards.
Durch den Einsatz zahlreicher Spezialkomponenten kann – je nach Produkt – ein Unterschied von bis zu 30 dB erzielt werden. Dies entspricht einem Faktor 1000 – das Trusted Wireless-Board ist also 1000 mal empfindlicher als ein Bluetooth-Produkt für den Massenmarkt.
Im Umfeld der Prozesstechnik beschäftigen sich die Experten primär mit Verfahrenstechnik – nicht mit dem Aufbau elektrotechnischer Systeme. Daher müssen Funksysteme einfach zu installieren und zu bedienen sein. Die Trusted-Wireless-Systeme von Phoenix Contact müssen weder programmiert noch parametriert werden. Der Zustand der Funkverbindung sowie der digitalen Signale kann vor Ort per LED am Modul überwacht werden. Zudem ermöglichen ein potenzialfreier Kontakt und eine Messbuchse zur Erfassung des RSSI(Empfangene Signalstärke)-Signals eine Fernüberwachung.
Gaz de France überträgt Messwerte per Funk
Für schwer erschließbare Applikationen, bei denen Messwerte fernab des Stromnetzes per Funk übertragen werden sollen, hat Phoenix Contact eine industrielle Solarstrom-Versorgung entwickelt. Funk- und Solartechnik ermöglichen dann den Aufbau autarker Inseln. Ein Beispiel dafür ist die Überwachung des Drucks an den Salzwassereinpressbohrungen beim Unternehmen „Gaz de France Produktion und Exploration Deutschland GmbH“ in Lingen an der Ems.
Mit der Erschließung von Erdölvorkommen im Emsland trägt Gaz de France zur Rohstoff- und Enregieversorgung Deutschlands bei. Um das Problem der zunehmenden Verwässerung der Erdölfelder in der Griff zu bekommen, muss der Einpressdruck an den Bohrungen als wichtiger Prozessparameter kontinuierlich überwacht werden. Vor der Umstellung auf Funk wurden die Stationen an den Bohrungen zur Erfassung der Messwerte einmal täglich begangen.
Jetzt wird der Messwert für den Druck über eine industrielle Funklösung kontinuierlich übertragen - abseits vom Stromnetz. Weil die Messwerte jetzt permanent aufgezeichnet werden, können eventuelle Leckagen frühzeitig erkannt und Gegenmaßnahmen rechtzeitig ergriffen werden (Bild 2). MM
Dipl.-Wirt.-Ing. Stephanie Chaintoutis ist Mitarbeiterin im Produktmarketing Interface bei der Phoenix Contact GmbH & Co. KG, 32823 Blomberg
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