ERP-Software Lieferantenmanagement: Industrie ist besser als Dienstleister und Handel

Autor / Redakteur: Oswald Wolf / Dipl.-Betriebswirt (FH) Bernd Maienschein

Eine kürzlich vorgelegte Studie zeigt, dass Fertigungsunternehmen in puncto Lieferantenmanagement wesentlich besser abschneiden als Dienstleistungs- und Handelsunternehmen. Die Fertigungsunternehmen erreichten in der Studie von Techconsult den Indexwert 73,2 (von 100) und liegen damit deutlich vor den Sparten Dienstleistung (69,3) und Handel (67,5).

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Die ERP-Berater von Software Lotse unterstützen KMU bei Vergleich und Auswahl von ERP-Systemen.
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(Bild: Amat/Shutterstock)

Der Prozesserfolg ist ein Indikator dafür, welche Prozesse am meisten beziehungsweise wenigsten zum Erfolg des Unternehmens beitragen. Die Studie beruht auf den Angaben von 1400 Firmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz und wurde für das Jahr 2012 erstellt. Das Ergebnis erscheint überraschend. Denn es wäre anzunehmen, dass der Handel aufgrund der geringeren Komplexität in der Wertschöpfungskette einen höheren Prozesserfolg bei Lieferantenmanagement und Einkauf erzielen sollte. Die Studie widerlegt dies jedoch. Generell stellt sich die Frage, wie der Prozesserfolg im Lieferantenmanagement nachhaltig verbessert werden kann. Ein häufig gewählter Ansatz ist, das Lieferantenmanagement stärker in den ERP-Systemen von Kunde und Lieferant zu verankern. Nachfolgend werden mögliche Konzepte dafür vorgestellt.

Rahmenvereinbarungen im ERP-System definieren

Eine Rahmenvereinbarung zwischen Kunde und Lieferant hat für beide Seiten Vorteile. Das Entfallen des Einholens von Angeboten reduziert den beiderseitigen Aufwand und beschleunigt den Prozess. Der Lieferant kann mit einer festen Menge für einen längeren Zeitraum planen und deshalb attraktive Konditionen gewähren und Teile bevorraten. Der Kunde erspart sich permanente Preisvergleiche und kann schneller beliefert werden. Viele ERP-Systeme sind heute imstande, Rahmenaufträge und Abrufe sowohl kunden- als auch lieferantenseitig abzubilden.

Wichtig ist, dass die ERP-Systeme automatisch aus der Kombination von Artikel und Geschäftspartner erkennen, dass eine Rahmenvereinbarung existiert, um nicht daran vorbei zu agieren. Da Rahmenvereinbarungen häufig für einen begrenzten Zeitraum definiert werden, ist eine Funktion mit entsprechender zeitlicher Limitierung im ERP-System hilfreich. Perfekt ist, wenn für die Abrufe zur Rahmenvereinbarung der elektronische Datenaustausch genutzt werden kann, wie er im nächsten Punkt beschrieben ist.

Elektronischen Datenaustausch nutzen

Wird eine Bestellung oder der Abruf zu einer Rahmenvereinbarung aus dem ERP-System des Kunden per E-Mail oder Fax an den Lieferanten geschickt, liegt aus Prozesssicht ein Bruch zwischen den Wertschöpfungsketten der beiden Unternehmen vor. Mit dem damit verbundenen hohen Grad an manuellen Tätigkeiten geht Zeit verloren und eine gewisse Fehleranfälligkeit ist nicht auszuschließen. Um dem entgegen zu wirken, gibt es drei gängige Formen des elektronischen Datenaustausches:

1. Direkter Austausch von Dateien: In der einfachsten Form der elektronischen Übermittlung wird zum Beispiel eine XML-Datei im ERP des Kunden generiert, das die wesentlichen Bestelldaten enthält. Diese Datei kann manuell oder automatisiert zum Beispiel über einen FTP-Server in das ERP des Lieferanten importiert werden. Dazu ist erforderlich, dass sich beide Seiten auf ein Übergabeformat einigen und den Ablauf des Datentransfers definieren. Diese Vorgehensweise lohnt sich umso mehr, je größer Volumen, Bestellfrequenz und die Anzahl verschiedener Artikel ist.

2. Verwendung einer Einkaufsplattform: Bei dieser Variante wird mit dem Dienstleister der Einkaufsplattform ein dritter Partner eingebunden. Im Rechenzentrum der Einkaufsplattform lassen sich die Bestellungen für jeden Lieferanten vom Kunden einstellen. Der Lieferant kann die Daten von dort manuell abtippen oder via Schnittstelle ein File (zum Beispiel XML oder Edifact) abrufen. Ein Beispiel einer Einkaufsplattform ist Supply-On, das unter anderem die Automobil- und Fertigungsindustrie adressiert.

3. EDI-Verfahren: Den höchsten Automatisierungsgrad stellen EDI-Prozesse dar, wobei EDI für Electronic Data Interchange steht. Bei dieser Form des elektronischen Datenaustauschs gibt es vordefinierte Belege für verschiedene Geschäftsvorfälle, wie Lieferabruf, Lieferschein und Rechnung. EDI wird vorwiegend in der Automobilindustrie und im Handelsumfeld (zum Beispiel von Baumärkten) eingesetzt. Das ERP des Lieferanten muss dann die einzelnen EDI-Belege versenden und empfangen können. Dazu werden vielfach Add-on-Module verwendet und spezielle Dienstleister für Einführung und Administration der EDI-Prozesse eingebunden. Die EDI-Belege werden über eigens dafür geschaffene Kommunikationskanäle übermittelt und von sogenannten Konvertern in ein Datenformat übersetzt, damit die beteiligen ERP-Systeme die enthaltenen Werte weiter verarbeiten können. Obwohl EDI eigentlich eine Vereinheitlichung bringen sollte, zeigt die Praxis, dass sich die EDI-Anforderungen von Kunde zu Kunde doch unterscheiden können. Das ist auch einer der Gründe dafür, dass EDI-Projekte eine gewisse Komplexität mit sich bringen und die Investition oft im fünfstelligen Bereich liegt. Somit rechnet sich die Verwendung von EDI definitiv nur bei entsprechendem Volumen.

Lieferantenbewertung

Aus dem strategischen Einkauf ist die Lieferantenbewertung heute nicht mehr wegzudenken. Zu den Kriterien der Lieferantenbewertung gehören quantitativ messbare Größen, wie beispielsweise Liefertermintreue, Lieferfähigkeit, Anzahl der Rücklieferungen und die Qualität. Es können aber auch subjektive Kriterien – wie Innovationsfähigkeit, Preis im Vergleich zum Wettbewerb oder die Servicequalität – herangezogen werden.

Da die quantitativen Daten zumeist im ERP-System verwaltet werden, ist es aus Datensicht sinnvoll, auch die Lieferantenbewertung direkt im ERP-System anzusiedeln. Optimal ist, wenn ein neues ERP-System bereits ein Modul zur Lieferantenbewertung mitbringt, mit dem sich flexibel ein eigenes Bewertungsschema einrichten lässt. Ziel ist, die laufend erfassten Daten transparent darzustellen und eine Bewertung nach dem ABC-Schema oder einem Punktesystem zu ermöglichen.

* Mag. (FH) Oswald Wolf arbeitet bei Software Lotse in A-6850 Dornbirn (Österreich), Tel. (00 43-72 09) 84 81-0, info@software-lotse.com

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