Branchenausblick 2023 Lieferkette, Nachhaltigkeit und Arbeitskräfte sind Chance und Herausforderung zugleich

Ein Gastbeitrag von Dale Tutt* Lesedauer: 11 min |

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Die Industrie steht 2023 weltweit vor einem Jahr der Unsicherheit und des Potenzials. Beides lässt sich in drei großen Entwicklungen zusammenfassen. Wie Unternehmen mit ihnen umgehen können, verrät Dale Tutt, Vizepräsident für Branchenstrategie bei Siemens Digital Industries Software.

Unterbrechung der Lieferkette, Nachhaltigkeit und Fluktuation der Arbeitskräfte: All das hängt zusammen und bietet eine Chance für Innovation und Wandel, insbesondere in Anbetracht der Fortschritte bei den digitalen Technologien.
Unterbrechung der Lieferkette, Nachhaltigkeit und Fluktuation der Arbeitskräfte: All das hängt zusammen und bietet eine Chance für Innovation und Wandel, insbesondere in Anbetracht der Fortschritte bei den digitalen Technologien.
(Bild: frei lizenziert / Pixabay)

Die Digitalisierung bietet Unternehmen heute einen Weg in die Zukunft, indem sie die Fähigkeit verschiedener Abteilungen zur Zusammenarbeit und zur Gewinnung wertvoller Informationen verbessert, die Möglichkeiten zur Datenerfassung und -analyse erweitert und Unternehmen in die Lage versetzt, diverse globale Lieferketten zu verwalten. Die Einführung einer Digitalisierungsstrategie bietet zudem eine Grundlage, auf der Unternehmen einige der aufregendsten Technologien einsetzen können: additive Fertigung, Künstliche Intelligenz beziehungsweise Maschinelles Lernen (KI/ML), erweiterte und virtuelle Realität (AR/VR), cloud- und servicebasierte Software und deren technologische Bündelung zum industriellen Metaverse.

Unterbrechungen verursachen Unsicherheit in der Lieferkette

Unterbrechungen in der Lieferkette stellten im Jahr 2022 weiterhin ein Problem für die Unternehmen dar, da sie die Materialbeschaffung und den Betrieb effizienter Produktions- und Logistiksysteme erschwerten. Die anhaltenden Schwierigkeiten vieler Unternehmen, Materialien oder Komponenten in ausreichenden Mengen zu beschaffen, verdeutlicht die Brüchigkeit vieler globaler Lieferketten. Während die Unternehmen kurzfristig an der Stärkung dieser Supply Chains arbeiten, müssen sie auch die Zukunft im Auge behalten und sicherstellen, dass sie die erforderlichen Materialien und Komponenten für die nächste Produktgeneration beschaffen können.

Die Automobilindustrie beispielsweise hat mit einem anhaltenden Mangel an elektrischen und elektronischen Schlüsselkomponenten zu kämpfen. Diese sind aber für die fortschrittlichen Merkmale und Funktionen entscheidend, die die heutigen Fahrzeugkäufer verlangen (Abbildung 1). Obwohl der Mangel an diesen Komponenten in den letzten Monaten des Jahres 2022 etwas zurückgegangen ist, ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach fortschrittlichen Fahrzeugfunktionen weiter steigt. Das setzt die Versorgung mit diesen Komponenten zusätzlich unter Druck.


Darüber hinaus sind neue Unterbrechungen kritischer Lieferketten fast unausweichlich. Die Beschaffung von Rohstoffen für die Batterieherstellung könnte zum Beispiel das nächste große Lieferproblem werden, da die Automobilhersteller im Jahr 2023 in großem Stil auf die Elektrifizierung setzen werden.

Abbildung 1: Ein weit verbreiteter Mangel an Halbleitern und anderen wichtigen elektrischen und elektronischen Komponenten führte 2022 in vielen Branchen zu Unterbrechungen der Lieferketten.
Abbildung 1: Ein weit verbreiteter Mangel an Halbleitern und anderen wichtigen elektrischen und elektronischen Komponenten führte 2022 in vielen Branchen zu Unterbrechungen der Lieferketten.
(Bild: iStock)

Die Automobilindustrie ist nicht der einzige Wirtschaftszweig, der mit erheblichen Versorgungsengpässen und Unsicherheiten zu kämpfen hat. Die Energiewirtschaft erlebt große Turbulenzen, die durch geopolitische Konflikte verursacht werden. Diese Konflikte schränken die Verfügbarkeit fossiler Brennstoffe für die Energieerzeugung ein. Hinzu kommt eine steigende Nachfrage nach grüner, nachhaltiger Energieerzeugung, die die aktuellen Fertigungskapazitäten für Schlüsselkomponenten für grüne Energieanlagen übersteigt. Zudem haben scheinbar alle Branchen mit Produktionsverzögerungen, Transportunterbrechungen und dem Wettbewerb um begrenzte Lieferanten für wichtige Materialien oder Komponenten zu kämpfen.

Sicher scheint, dass viele dieser Herausforderungen über das Jahr 2023 hinaus anhalten werden. Als Reaktion darauf investieren die Unternehmen in die Behebung der anhaltenden Engpässe. Sie verlagern bestehende Produktionskapazitäten, bauen Partnerschaften mit neuen Zulieferern auf und holen die Produktion bestimmter Schlüsselkomponenten ins Haus. Viele Automobilhersteller verfolgen eine solche Strategie bei der Entwicklung und Produktion von Halbleiterbauteilen, die die Rechenleistung für die modernen Fahrzeuge von morgen bereitstellen. Gleichzeitig arbeiten die Unternehmen auch daran, flexibler und widerstandsfähiger gegen die nächste große Störung zu werden. Zu diesen Strategien gehört die Verbesserung der Fähigkeit eines Unternehmens, Lieferengpässe, Konjunkturabschwünge und verschiedene andere Faktoren, die sich auf die Geschäftstätigkeit auswirken können, vorherzusagen.

Der digitale Zwilling bietet Lösungen für die Lieferkette

Die Schwierigkeiten der letzten Jahre haben die Grenzen dessen aufgezeigt, wie Unternehmen derzeit ihre Lieferketten verstehen und verwalten. Trotz der zunehmenden Komplexität und des Umfangs von Lieferketten auf der ganzen Welt verlassen sich viele Unternehmen weiterhin auf relativ einfache Mittel zur Verfolgung und Verwaltung dieser Prozesse. Obwohl wir beim digitalen Zwilling oft an Produktdesign und -entwicklung denken, kann er auch Lieferketten und Geschäftsprozesse modellieren. Er hilft Unternehmen dabei, die Dimensionen ihrer eigenen Wertschöpfungsketten besser zu verstehen und deren Komplexität zu durchschauen, um Probleme zu erkennen und Lösungen vorzugeben. Diese Methode hängt von der Verfügbarkeit erheblicher Datenmengen aus der gesamten Lieferkette eines Unternehmens ab. Die Digitalisierung ist notwendig, um eine solche Perspektive zu gewinnen.

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Das Hosting des digitalen Zwillings von Lieferketten und Geschäftsprozessen im industriellen Metaverse ermöglicht es Unternehmen, die Leistung von Großrechnern und komplexen Visualisierungen zu nutzen, um diese digitalen Zwillinge zu analysieren und abzufragen. Ein Hauptmangel der heute gebräuchlichen Lösungen für das Lieferkettenmanagement besteht darin, dass sie der Unternehmensleitung keinen Kontext und kein Situationsbewusstsein auf der Ebene der gesamten Lieferkette bieten.


Ein umfassender digitaler Zwilling der Lieferkette, der im industriellen Metaverse gehostet wird und bestehende Technologien wie AR/VR nutzt, kann jedoch verwendet werden, um intuitive Visualisierungen zu erstellen. Diese wiederum sind für viele einfacher zu verstehen als Zahlen in einem Diagramm oder Punkte in einer Tabelle. Für Unternehmensleiter kann das zu einem höheren Maß an Situationsbewusstsein auf globaler Ebene beitragen, was wiederum von der Verfügbarkeit großer Datenmengen abhängt (Abbildung 2).

Abbildung 2: Visualisierungstechnik wie AR, VR für das industrielle Metaverse können intuitive Informationsdarstellungen schaffen, die Führungskräften helfen, ein umfassenderes Verständnis komplexer globaler Lieferketten zu erlangen.
Abbildung 2: Visualisierungstechnik wie AR, VR für das industrielle Metaverse können intuitive Informationsdarstellungen schaffen, die Führungskräften helfen, ein umfassenderes Verständnis komplexer globaler Lieferketten zu erlangen.
(Bild: Siemens)

Darüber hinaus wird die Integration von KI/ML in industrielle Metaverse-Plattformen den Nutzen steigern, der aus den Modellen des digitalen Zwillings gewonnen werden kann. KI/ML ist bereits heute hervorragend in der Lage, große Datenmengen zu sortieren und zu klassifizieren, um nur die für den Menschen relevantesten Informationen zu ermitteln. Auf das Lieferkettenmanagement angewandt, kann diese Fähigkeit dazu beitragen, die riesigen Datenmengen einer globalen Lieferkette schnell zu sortieren und zu organisieren. So wird es einfacher, sich auf die wichtigsten Trends und Muster innerhalb der gesammelten Daten zu konzentrieren. Eine solche Lösung bietet auch dauerhafte Vorteile, denn je häufiger ein KI/ML-System eingesetzt wird, desto besser kann es Muster erkennen und sogar zukünftige Lieferprobleme vorhersagen, bevor sie auftreten.

Kollektive Intelligenz ermöglicht mehr Nachhaltigkeit

2023 wird ein wichtiges Jahr für den Wandel zu nachhaltigen Industrien sein. Unternehmen werden weiterhin Ansätze für mehr Nachhaltigkeit verfolgen, indem sie den Ressourcenverbrauch einschränken, die Energieeffizienz erhöhen und die Emissionen reduzieren, während sie gleichzeitig weiterhin profitable Geschäfte betreiben (Abbildung 3). Diese Bemühungen werden für die Sicherung der Zukunft eines Unternehmens von entscheidender Bedeutung sein, zumal weltweit neue Nachhaltigkeitsvorschriften in Kraft treten.

Abbildung 3: Verringerung von Emissionen, Begrenzung des Ressourcenverbrauchs und Steigerung der Energieeffizienz werden auch im Jahr 2023 ein Hauptaugenmerk der Unternehmen sein. Diese Bemühungen müssen einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, um die Nachhaltigkeit des gesamten Unternehmens zu verbessern.
Abbildung 3: Verringerung von Emissionen, Begrenzung des Ressourcenverbrauchs und Steigerung der Energieeffizienz werden auch im Jahr 2023 ein Hauptaugenmerk der Unternehmen sein. Diese Bemühungen müssen einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, um die Nachhaltigkeit des gesamten Unternehmens zu verbessern.
(Bild: Siemens)

Die Herausforderung für viele Unternehmen besteht darin, eine kollektive Intelligenz ihrer Prozesse, ihrer Lieferkette, ihres Materialverbrauchs und mehr zu schaffen. Gemeint ist damit ein vollständiges Verständnis ihrer Nachhaltigkeitsleistung. Jeder Rohstoff, jede Komponente oder jedes Subsystem, das zu einem Produkt gehört, hat Einfluss auf die Nachhaltigkeit. Dazu zählen unter anderem die Methoden, mit denen die Rohstoffe aus der Erde gewonnen werden. Aber auch die zusätzlichen Rohstoffe, wie Wasser, die während der Raffination und Produktion benötigt werden, gehören dazu. Gleiches gilt für die in jeder Phase verwendeten Energieformen und die daraus resultierenden Emissionen.


Für ein Unternehmen bedeutet der Aufbau einer kollektiven Intelligenz, dass es all diese unterschiedlichen Umweltauswirkungen für jedes Material, jede Komponente, jedes Produkt und jeden Prozess, der von dem Unternehmen hergestellt oder verwendet wird, verfolgen muss.

Wenn Unternehmen im kommenden Jahr an der Umsetzung von Nachhaltigkeitsprogrammen arbeiten, wird die Entwicklung oder Einführung einer effizienten und skalierbaren Methode zur Verfolgung der eigenen Nachhaltigkeitsziele und -leistungen entscheidend sein. Dazu müssen Daten aus dem gesamten Unternehmen und der Lieferkette gesammelt werden, um eine detaillierte Nachhaltigkeitsbilanz der vielen Komponenten, Materialien und Subsysteme zu erstellen, aus denen moderne Produkte, Produktionssysteme und Geschäftsprozesse bestehen. Zudem müssen die Unternehmen diese Daten verwalten und analysieren, um nicht nachhaltige Praktiken zu identifizieren, neue umweltbewusste Prozesse zu entwickeln und Nachhaltigkeitsanforderungen in die Produktentwicklung einzubringen.

Diese Bemühungen helfen nicht nur der Umwelt, sondern werden auch mit neuen Geschäftsmöglichkeiten, niedrigeren Betriebskosten, verbesserter Effizienz und einem überzeugenden Vorteil bei der Einstellung talentierter neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter belohnt. Tatsächlich zeigt sich, dass nachhaltige Praktiken zu einem wichtigen Unterscheidungsmerkmal auf dem Arbeitsmarkt geworden sind. Potenzielle Bewerber suchen zunehmend nach Unternehmen, die ihnen nicht nur wettbewerbsfähige Gehalts- und Leistungspakete bieten, sondern auch ein Gefühl von Stolz und Verantwortung für ihre Arbeit vermitteln. Eine starke Nachhaltigkeitsbilanz ist eine der häufigsten und wichtigsten Eigenschaften, nach denen diese Menschen ihren Arbeitsplatz aussuchen.

Technologie ermöglicht neue Nachhaltigkeitslösungen

Im Jahr 2023 wird Nachhaltigkeit einerseits eine Herausforderung sein, aber andererseits auch eine Chance für Unternehmen, effizienter und wettbewerbsfähiger zu werden und besser auf die Zukunft ihrer Branche vorbereitet zu sein. Durch die Einbindung fortschrittlicher Digitalisierungstechnologien können Unternehmen dazu beitragen, latente Vorteile aus den Chancen der Nachhaltigkeit zu erschließen. Die Herausforderung, ein nachhaltigeres Unternehmen zu werden, ist in vielerlei Hinsicht eng mit den Herausforderungen verbunden, die Aufbau und Management einer globalen Lieferkette mit sich bringen (Abbildung 4). Infolgedessen können Nachhaltigkeitsprogramme auch in hohem Maße von den Möglichkeiten von KI und ML profitieren.

Eine KI-/ML-Engine kann zum Beispiel automatisiert alle Informationen sammeln, die ein Unternehmen benötigt, um die oben erwähnte kollektive Intelligenz aufzubauen, ohne die Belegschaft mit der mühsamen Informationsbeschaffung zu überfordern. Diese kollektive Intelligenz hilft einem Unternehmen dann dabei, seine Nachhaltigkeitsleistung objektiv zu bewerten und Lösungen für Bereiche zu entwickeln, in denen es möglicherweise Defizite aufweist.

Abbildung 4: Nachhaltigkeitsprogramme stehen im Jahr 2023 vor einer ähnlichen Herausforderung wie das Management globaler Lieferketten. Unternehmen müssen eine kollektive Intelligenz über das gesamte Unternehmen hinweg aufbauen, indem sie Daten über alles erfassen: von der Energiequelle, die für die Produktionsanlagen verwendet wird, bis hin zu den Ursprüngen verschiedener Materialien.
Abbildung 4: Nachhaltigkeitsprogramme stehen im Jahr 2023 vor einer ähnlichen Herausforderung wie das Management globaler Lieferketten. Unternehmen müssen eine kollektive Intelligenz über das gesamte Unternehmen hinweg aufbauen, indem sie Daten über alles erfassen: von der Energiequelle, die für die Produktionsanlagen verwendet wird, bis hin zu den Ursprüngen verschiedener Materialien.
(Bild: Shutterstock / Bannafarsai_Stock)

Im Streben nach nachhaltigen Unternehmen und Industrien ist die additive Fertigung ein weiteres wichtiges Instrument, das Unternehmen auf der ganzen Welt zur Verfügung steht. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit kann die additive Fertigung dabei helfen, den Materialabfall zu reduzieren, der bei herkömmlichen Fertigungsverfahren entsteht. Gießen und maschinelle Bearbeitung sind beides gängige Verfahren, bei denen ganz selbstverständlich Abfälle entstehen.

Durch die Umstellung auf additive Verfahren lassen sich die Materialkosten für Teile, die zuvor gegossen oder bearbeitet wurden, erheblich senken. Denn es entfällt die Notwendigkeit von Gussformen und der bei der subtraktiven Bearbeitung entstehende Materialabfall. Das additive Verfahren ist auch deshalb so interessant, weil es im Vergleich zu anderen Fertigungsverfahren relativ wenig Designvorgaben gibt. So können Konstrukteurinnen und Konstrukteure Bauteile entwerfen, die in vielerlei Hinsicht effizienter sind. Das gilt beispielsweise in Bezug auf den Materialverbrauch, die thermische Leistung und das Verhältnis von Festigkeit zu Gewicht. Den Unternehmen wird es so möglich, Produkte mit weniger Energie und weniger Ressourcen herzustellen.

Ein sich veränderndes Arbeitsumfeld

Schließlich werden viele Unternehmen einen Übergang in ihrer Belegschaft zu bewältigen haben, während sie gleichzeitig an der Bewältigung von Lieferkettenproblemen und Nachhaltigkeitsprogrammen arbeiten. Im Allgemeinen werden sich 2023 die jüngsten Trends auf dem Arbeitsmarkt fortsetzen.

Erstens gehen die erfahrensten Mitarbeiter in den Ruhestand oder wechseln in neue Funktionen innerhalb oder außerhalb des Unternehmens. Wenn diese Menschen ausscheiden, nehmen sie wertvolles Wissen und Erfahrung mit. Für das Unternehmen geht so beides verloren, wenn es nicht erfasst wird.

Zweitens verlagern sich die von den Unternehmen benötigten Fähigkeiten oder Kernkompetenzen, insbesondere in Richtung fortschrittlicher Software und Elektronik, was durch die sich verändernde Art der Produkte bedingt ist. Diese Verlagerung führt zu einer Qualifikationslücke zwischen dem Fachwissen der derzeitigen Arbeitskräfte und den für die Entwicklung der nächsten Produktgeneration erforderlichen Fähigkeiten. Diese Lücke vergrößert sich noch durch einen hart umkämpften Arbeitsmarkt für diese gefragten Qualifikationen. Das macht es für viele Unternehmen schwierig, neue Abteilungen zu besetzen oder ihre Fähigkeiten in diesen kritischen Bereichen anderweitig zu erweitern.

Den dritten großen Trend bei den Arbeitskräften haben wir bereits kurz angesprochen. Die Erwartungen und Bedürfnisse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ändern sich. Die erfolgreichsten Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt im Jahr 2023 werden nicht nur gute Löhne und Sozialleistungen bieten, sondern auch einen technologisch fortschrittlichen – oder zumindest modernen – Arbeitsplatz, der den Erfahrungen der nächsten Generation in ihrem persönlichen Leben entspricht. Diese Unternehmen zeichnen sich durch Nachhaltigkeit und unternehmerische Verantwortung aus, was sie als Arbeitgeber sehr begehrenswert macht.

Digitale Lösungen unterstützen die Entwicklung von Arbeitskräften

Die Bewältigung dieses dynamischen Arbeitskräftemarktes erfordert einen differenzierten Ansatz. Wer einfach nur Prozesse digitalisiert, ohne einen entsprechenden Plan oder eine Strategie zu verfolgen, läuft Gefahr, seine Mitarbeiter zurückzulassen, wenn diese versuchen, neue Fähigkeiten zu erlernen oder sich an neue Arbeitsmethoden anzupassen. Für Unternehmen wird es wichtig sein, ein Gleichgewicht zwischen der Modernisierung zur Gewinnung neuer Talente und der Entfremdung der derzeitigen Belegschaft zu finden. Intuitive und leicht zu erlernende Technologien helfen sowohl neuen als auch bestehenden Mitarbeitern, sich schneller zurechtzufinden.

Auch hier kann KI/ML eine Rolle spielen. Heutzutage beinhaltet technische Software KI, um Befehlsmuster des Anwenders zu lernen. Das KI-System ist dann in der Lage, die nächsten Befehle vorzuschlagen. Dazu betrachtet es die Schritte, die der Benutzer unternommen hat, und zieht Rückschlüsse auf die Aktionen, die er wahrscheinlich als nächstes ausführen möchte.

Einige Unternehmen haben diese Technologie genutzt, um die Verhaltensmuster ihrer derzeitigen Arbeitskräfte zu erfassen und so neues Personal zu schulen. Diese Strategie kann dazu beitragen, dass neue Mitarbeiter viel schneller lernen und produktiv werden. In anderen Bereichen kann eine immersive Schulungsumgebung wertvoller sein. Techniker und Produktionsmitarbeiter können von virtuellen Schulungen profitieren, die im Metaverse durchgeführt werden und eine Lernumgebung bieten, in der Fehler weit weniger kostspielig sind (Abbildung 5). AR und VR ermöglichen es den Auszubildenden, praktische Übungen in virtuellen Szenarien im Metaverse durchzuführen, die sicher und einfach zu wiederholen sind. Das industrielle Metaverse wird die Arbeitsweise von Unternehmen verändern, indem es einen virtuellen Raum für die Arbeit an realen Projekten schafft, der kollaborativ, interaktiv und immersiv ist.

Abbildung 5: AR, VR und das industrielle Metaverse können bei der Schulung neuer Mitarbeiter durch immersive und intuitive virtuelle Arbeitshilfen und Schulungen helfen.
Abbildung 5: AR, VR und das industrielle Metaverse können bei der Schulung neuer Mitarbeiter durch immersive und intuitive virtuelle Arbeitshilfen und Schulungen helfen.
(Bild: Getty Images)

Die Flexibilität, ortsunabhängig arbeiten zu können, wird immer wichtiger. Deshalb sind die nahtlose Erfahrung und die Interoperabilität servicebasierter Softwarebereitstellung ein Segen für Unternehmen, die neue Talente anziehen, ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen weiterbilden und ihre Produktivität insgesamt verbessern wollen. SaaS-Architekturen stellen sicher, dass die Software, die die Mitarbeiter tagtäglich nutzen, auf dem neuesten Stand bleibt und mit den von Kunden, Lieferanten und Partnern verwendeten Tools interoperabel ist. Dies erleichtert den Teams ihre Arbeit und fördert die Produktivität im gesamten Unternehmen.

Die Digitalisierung überwindet die Unsicherheit im Jahr 2023

Einige der Unsicherheiten des Jahres 2022 werden auch 2023 bestehen bleiben. Unterbrechungen der Lieferketten, ein anhaltender Druck auf nachhaltige Innovationen und eine sich verändernde Belegschaft werden zu einem weiteren Jahr der Herausforderungen und Unsicherheiten beitragen. Dennoch ist Optimismus angebracht, da die Unternehmen durch die Digitalisierung und die Integration fortschrittlicher Technologien in ihre Prozesse über immer leistungsfähigere Möglichkeiten verfügen. Diese digitalen Technologien werden Unternehmen dabei helfen, die Zusammenarbeit zu fördern, Daten zu sammeln und zu nutzen und innovative Lösungen zu finden, während sie gleichzeitig Zeit und Geld sparen.

* Dale Tutt ist Vizepräsident für Branchenstrategie bei Siemens Digital Industries Software.

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