Roboter Verpackungstechnik vollautomatisch und präzise im Griff
Kommissionieren, Sortieren, Palettieren, Verpacken – alles komplexe, zeit- und personalaufwändige Prozesse in der Intralogistik. Doch zunehmend, und vor allem dann, wenn sich der Technikaufwand rechnet, lassen sich Roboter für diese Arbeiten einsetzen, Tendenz weiter steigend, denn die Hersteller berichten von guter bis stark steigender Nachfrage.
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Vor allem erweisen sich die Lebensmittel- und Getränkeindustrien und generell die Konsumgüterindustrie, die derzeit den Einsatz von Industrierobotern um rund 15% pro Jahr steigert, als roboterfreundlich, wenn es um Intralogistik-Aufgaben geht. Dabei variieren die nachgefragten Roboter-Funktionen von Hersteller zu Hersteller.
„Verpacken, Palettieren, Kommissionieren“, lautet die Rangfolge der Anwendungsgebiete bei ABB, so Frank-Peter Kirgis, Industry Segment Manager Consumer Industries von ABB Automation, Unternehmensbereich Robotics. Wie Dr. Hans Gerd Severin, Geschäftsführer von Rober Industrieroboter, konstatiert, sei der Begriff „Kommissionieren zu kurz gegriffen: Unsere Kunden nutzen unsere Portalroboter weit vielfältiger“, nämlich zum „Puffern, Verdichten, Lagern, Sortieren und Bereitstellen“.
Was die Anfragen aus den unterschiedlichen Anwender-Branchen anbetrifft, so machen beispielsweise de Man, Fanuc und Reis ähnliche Erfahrungen. Sebastian de Man, Geschäftsführer der de-Man-Industrie-Automation: „Aufgrund der guten Wirtschaftslage steigen die Anfragen aus allen Bereichen. Schwerpunkte sind die Food- und die Non-Food-Industrie.“ Gerald Mies, Geschäftsführer Fanuc Robotics Deutschland, berichtet: „Sehr stark wachsen wir im Bereich ‚Maschinen bedienen’, aber auch bei ‚Schweißen’ und ‚Handling’.“
Roboter gut geeignet für die Lebensmittelindustrie
Roboter sind bemerkenswert „Lebensmittel-affin“, wenn es sich um vollautomatisierte Greif-, Kommissionier- und Verpackungsprozesse handelt. Dies zeigt eine Reihe von aktuellen Anwendungsbeispielen. So handhaben Roboter von ABB Automation beispielsweise unterschiedliche Produkte wie Nahrungsmittel, Getränke, Pharmaerzeugnisse, Kosmetik- und Körperpflegeprodukte, Süßwaren und tiefgekühlte Lebensmittel. Übliche Applikationen sind das Aufnehmen und Ablegen, Verpacken in Primär- und Sekundärverpackungen und das Palettieren von Kartons, Kisten und Kästen unterschiedlicher Größen sowie von Säcken und Flaschen.
Voraussetzung roboterbasierter Automation ist das reibungslose Zusammenspiel zwischen Robotern, Greifern, Steuerungssoftware, Sensoren sowie Fördertechnik und Hilfs-einrichtungen. Richtig geplanter Robotereinsatz vereinfacht Verpackungslinien und ermöglicht flexible, kompakte Anlagen; in Fertigungsabläufe integrierte Roboter verringern Stillstandszeiten, senken die Ausschussraten und gewährleisten eine gleichbleibend hohe Qualität.
Ein Beispiel für das effiziente Zusammenspiel der unterschiedlichen Komponenten vermittelt die Anlage, die der Verpackungsspezialist Econopak für einen australischen Hersteller und Verarbeiter tiefgekühlter Frischprodukte und anderer Lebensmittel realisiert hat. Die Anlage ersetzt eine bestehende Verpackungslinie, welche die gestiegene Nachfrage nach Tiefkühlprodukten nicht mehr decken konnte. Daher beauftragte der Kunde Econopak mit der Konzipierung einer leistungsfähigeren Anlage.
Econopak setzt auf Anlage mit zwölf ABB-Robotern
Diese umfasst insgesamt zwölf Roboter des Typs IRB 340 Flex-Picker von ABB, bestehend aus zwei Packlinien mit jeweils sechs IRB 340. ABB brachte die acht vorhandenen IRB 340 unterschiedlicher Baujahre technisch und softwaremäßig auf den neuesten Stand. Dieser Roboter, ausgelegt für Massen von 0,1 bis 2 kg, kann je nach Produktmasse und Greifzeit bis zu 180 Teile pro Minute aufnehmen und wieder absetzen; er nimmt die Produkte direkt von oben und packt sie in Trays, Kartons oder Formen, wobei die Teile auf den Förderbändern feste Positionen haben oder in loser, zufälliger Folge und Lage ankommen.
Neben gefrorenen Fischprodukten verpackt die Anlage auch Chicken Burger, panierte Geflügelprodukte sowie Gemüse-Nuggets und Kartoffelröstis. Die kompakte Verpackungslinie benötigt eine Stellfläche von nur 32 m × 22 m. Zwei spezielle Karton-Servoaufrichter von Econopak versorgen jede der beiden Linien mit allen erforderlichen Großverpackungen. Während die 12 Flex-Picker das gesamte Produkthandling übernehmen, arbeitet ein zusätzlicher ABB-Palettier-Roboter IRB 640 mit 160 kg Handhabungskapazität und 2,9 m Reichweite am Ende der Packstation.
Hohe Beschleunigungen für die Pharma-Industrie
Um einen „Fein-Motoriker“ handelt es sich beim neuen Roboter des Typs M-430iA von Fanuc, der für die Pharma- und Lebensmittelindustrie entwickelt wurde und in einer fünfachsigen sowie einer sechsachsigen Variante zur Verfügung steht. Mit dem Antriebssystem „Dual Drive Tandem Torque Control“ erreicht der Roboter sehr hohe Beschleunigungen und hohe Zyklusleistungen und fährt dauerhaft 120 Pickvorgänge pro Minute, als Dual-Arm-System sogar 200.
Das integrierte Visionsystem und die Kombination Bildverarbeitung/Software, beispielsweise mit der Funktion „Visual Tracking“, ermöglicht die in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie geforderte Verbindung von Schnelligkeit mit Qualitätssicherung. Wenn größere Massen sehr schnell konfektioniert werden sollen, ist der 40-kg-Roboter M-420iA dafür geeignet.
Reis bietet Roboter für schwere Lasten
Mit Traglasten von 40 bis 150 kg sind die Fünfachser RP40, RP80 und RP150 von Reis für das Handling im mittleren und schweren Lastbereich konzipiert. Die Palettierroboter mit einer Reichweite bis zu 3,20 m sind aus „bewährten Baukastenmodulen“ konzipiert und verfügen über eine optimierte Fünf-Achsen-Kinematik.
Wie bei allen Robotern von Reis kommt auch bei der RP-Serie die Robotersteuerung Robotstar V-PCX zum Einsatz, die Bewegungen in den Betriebsarten PTP-synchron, CP-linear, CP-zirkular und Spline-Interpolation durchführt. Die Softwarefunktion Rob-Assist bietet dem Anwender eine applikationsbezogene Programmier- und Bedienoberfläche, bei der er die wichtigsten Befehle über eindeutige Piktogramme auswählen kann.
Mit dem Softwaremodul Multi-Pack ist ein Werkzeug zur Optimierung der Raumnutzung von Paletten und anderen Ladungsträgern beim Beladen mit gleichartigen Packstücken verfügbar. Das Programm legt die erzeugte Palettenbeschreibung in Form einer Liste von Packstückkoordinaten in einer Datei ab, die in ein steuerungslesbares Format umgewandelt wird. Die Koordinaten werden dann mittels Rob-Assist in Palettierbewegungen umgesetzt.
Beumer baut Palettieranlage für Knauf mit vier Portalrobotern
Für den Gipshersteller Knauf Gips in Engis (Belgien) hat Beumer eine Hochleistungspalettieranlage auf Basis von vier Portalrobotern des Typs Robotpac und einer anschließenden Stretchfolien-Verpackungsmaschine realisiert. Dabei werden die 25-kg-Säcke im 5er-Verband und die 10- und 12,5-kg-Säcke im 8er-Verband zu Sackstapeln palettiert, die ja nach Sackgewicht aus acht bis zehn Sacklagen pro Europalette bestehen. Die gesamte Palettierleistung beträgt bis zu 120 Paletten pro Stunde.
Für Hersteller von Lebensmitteln hat de Man eine komplexe Sortiermaschine für Sortiments- und Displaykartons konzipiert, die aus drei Zellen besteht. Bei der ersten Zelle, die das Aufrichten der Displaykartons übernimmt, ermöglichen ein Industrieroboter und ein hoch flexibler Montagetisch eine Vielzahl von Falttechniken. Die zweite Zelle stellt mit einer Leistung von mehr als 4500 Schalen pro Stunde die verschiedenen Produkte zu Sortimenten zusammen, die von einem weiteren Roboter in die gerade aufgerichteten Kartons gefüllt werden. In der dritten Zelle werden ähnlich der ersten die Deckel aus Kartonzuschnitten erstellt und die Sortimentskartons verschlossen.
Rober hat, wie Hans Gerd Severin berichtet, „soeben eine komplette Neuentwicklung“ seiner Portalroboter vorgenommen. Der Genix FP 150, der zudem zur Hannover-Messe mit überarbeiteter Steuerung und Bedieneroberfläche vorgestellt wird, bietet „extreme Dynamik“ hinsichtlich Zykluszeit und Durchsatz und nähert sich bezüglich des Tool-Center-Point TCP bis auf 120 mm.
Roboter im Einsatz bei komplexen Aufgaben
Für die Getränkeindustrie hat Recop Electronic einen Sortier- und Kommissionierroboter konzipiert, der sich bereits in vielen Anwendungen bewährt hat, so unter anderem bei Warsteiner, bei Becks, bei der Königshof-Brauerei, bei den Adelholzener Alpenquellen und bei einer Reihe von Coca-Cola-Betrieben. Der patentierte Sortierroboter arbeitet mit einem einfachen Prinzip: Eine vorgeschaltete Kastenkontrolle überprüft die Flaschen in den Kästen sowie den Kasten selbst und gibt diese Daten an den Sortierroboter weiter. Sortenreine Gutkästen werden gleich am Roboter vorbei geleitet.
Aus den Sonderkästen hingegen entnimmt der Roboter mit speziell konstruierten Pack-Köpfen die falschen Flaschen und füllt die Kästen mit den richtigen Flaschen auf. Die anderen Flaschen werden sortenrein in Kästen sortiert.
Der für Erdinger Weissbräu entwickelte Umpackroboter für das Befüllen von 11er-Kästen basiert auf dem gleichen Prinzip: Nur gibt es hier noch zwei Umpackstationen und drei Transportbänder im Roboter, eines für die noch mit Leergut befüllten 11er-Kästen, eines für die noch mit vollen Flaschen befüllten 20er-Kästen und eines für die entleerten 11er-Kästen.
Die Roboter-Anordung befüllt nun 11er-Kästen, wobei sie Flaschen aus den 20er-Kästen entnimmt, die wiederum mit Leergut befüllt werden. Ein ausgeklügeltes Verteilsystem, ebenfalls von Recop konzipiert, sorgt dafür, dass die jeweiligen Kästen sortenrein zu ihren Zielorten transportiert werden. Ein Beweis mehr, dass Roboter auch „verzwickte“ Aufgaben effizient lösen können.MM
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