Fördertechnik Fördertechnik in der Produktion
Förderrollen, aus denen kilometerlange Förderrollenbahnen entstehen, sind das klassische innerbetriebliche Transportmittel bei Stetigförderern. Ausrüstungsprojekte in produzierenden Unternehmen nehmen aber typischerweise ziemlich viel Zeit für Installation und Inbetriebnahme in Anspruch – Störungen der Lieferkette sind häufig die Folge.
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Mit „großer Leidenschaft und basierend auf seiner langjährigen Erfahrung“ hat Dieter Specht, Mitbegründer der Interroll-Gruppe mit Sitz in Sant‘Antonino (Schweiz), die Rolle wieder neu gedacht. Spechts Erfindung besteht aus einem Rollenkörper aus Polyamid oder mit Reifen aus Polyurethan zum Fördern von 80 % aller Güter, die täglich weiterzutransportieren sind. Sein Rollenkonzept bietet neben einer sicheren, geschützten Installation in einem neuen, fortschrittlichen und ansprechenden Design viele Kombinationen eines Rollenförderers.
Auf der Fachmesse Post-Expo 2017 vom 26. bis zum 28. September in Genf (Schweiz) zeigte Siemens Postal, Parcel & Airport Logistics (SPPAL) das kompakte „VarioRoute“, mit dem energieeffizientes und schnelles Umlenken von bis zu 13.000 Paketen und Päckchen pro Stunde gelingen soll (siehe Aufmacherbild). Ob 100 g leicht oder 50 kg schwer – das System befördert Päckchen und Pakete verschiedener Gewichtsklassen über aneinandergereihte Pivot-Rollen in zwei oder drei verschiedene Richtungen.
Das Spektrum des Förderguts wird immer breiter
Jede der ± 45° schwenkbaren Rollen verfügt über einen eigenen integrierten Elektromotor, der individuell über die übergeordnete Steuerungseinheit Simatic S7 geregelt wird. Auf den Einsatz von Pneumatik kann mit „VarioRoute“ komplett verzichtet werden. Laut SPPAL lässt sich die robuste Lösung somit unkompliziert in vielfältige Anlagenkonzepte einbinden.
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Nachhaltigkeit
Nachhaltige Intralogistik? Diese 5 Ansätze machen es möglich
Wir wollten es genauer wissen: Ob der Trend zu immer fragmentierteren Sendungen – bis hin zur „Losgröße 1“ –, getrieben vor allem durch den zunehmenden E-Commerce, die innerbetriebliche Fördertechnik maßgeblich beeinflusst, und befragten führende Hersteller der Branche. Dr.-Ing. Kai-Ulrich Ventz, Prokurist und Bereichsleiter Konstruktion und Entwicklung bei der Harsumer Transnorm System GmbH, beurteilt die Entwicklung wie folgt: „Wir beobachten schon länger die immer größer werdende Bandbreite des Fördergutspektrums bezüglich Format, Beschaffenheit und Gewicht auf ein und demselben Transportsystem. Dies bedeutet erhöhte Herausforderungen bei der Auslegung insbesondere der Distributionsmodule.“
Transnorm-Marketingleiter Guido Vaupel war gerade in Thailand, wo sein Unternehmen ein neues Werk mit höherer Fertigungstiefe hochgezogen hat, als es in der Produktion in Malaysia der Fall war (siehe Kastentext hinten). Bei der Fertigung von Gurtkurven hat Transnorm inzwischen von Stahl auf das besser recycelbare Aluminium umgestellt. Nach den Worten des dortigen Betriebsleiters Joachim Michael Gutmayer habe man die Produktion der Kurven im neuen Werk in Thailand ebenfalls an die hochmoderne Produktionstechnik in Deutschland angelehnt. Gutmayer: „Die Produkte, die nun das neue Werk in Thailand verlassen, besitzen dieselben Stammdaten wie in Deutschland und können bei Bedarf an die Bedürfnisse des asiatischen Marktes angepasst werden.“
Jörg Pichler, Gebietsleiter und Prokurist beim Rüthener Fördertechnik-Spezialisten HaRo, bewertet den E-Commerce-Einfluss auf die Branchenkonjunktur ähnlich: „Der Bedarf an Kommissionier- und Versandfördertechnik wächst stetig, da immer mehr automatisierte Logistikzentren geplant und realisiert werden.“
Turnkey-Lieferant CSi Industries aus dem niederländischen Raamsdonksveer will anhand von Zeitstudien herausgefunden haben, dass es möglich ist, die für die Installation und Inbetriebnahme von Förderanlagen benötigte Zeit vor Ort und die damit verbundenen Kosten um mindestens 40 % zu senken. Somit könnten auf der einen Seite die Projektkosten, andererseits auch Störungen in den Kundenabläufen reduziert werden.
Förderanlagen müssen sich in der Produktion verschieben lassen
CSi hat dazu verschiedene Anpassungen an seinen Förderanlagen vorbereitet und getestet und an der Umsetzung dieser Anpassungen gearbeitet. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz von Verbindungselementen, um Standard-Fördermodule miteinander zu verbinden. Ein weiteres Beispiel ist die Verlagerung von Installationsarbeiten zur Montage hin, wie zum Beispiel die Verkabelung und der Anschluss von I/O-Tests in der Fabrik und nicht vor Ort. Aber auch durch den Einsatz von digitalen Hightechwerkzeugen, um die Arbeit vor Ort vorzubereiten (3D-Messungen, das Ausrichten von Förderanlagen), kann viel gewonnen werden. „Ein weiterer Nutzen der Förderanlagen besteht darin, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt in ihrer Produktionsstätte einfach an einen anderen Ort verschoben werden können“, heißt es von Seiten CSi.
Längst geht es nicht mehr nur um kleine Rollen und Röllchen: Nicht nur bei Leichtrollenbahnen, sondern ganz allgemein in der Fördertechnik, wie bei Gurt- und Gliederbandförderern, aber auch bei komplexen Einheiten wie Sortern und Schnellausschleusern, steige der Bedarf stetig. Jörg Pichler: „Bei hohen Leistungszahlen, also Bearbeitungen beziehungsweise Transporten pro Stunde, werden gleichartige Arbeitsvorgänge und Aufträge auf Großladungsträger gebündelt und zwischengespeichert. Somit steigt parallel auch der Bedarf für Großladungsträger-Fördertechnik wie Paletten.“
Energiebilanz der Förderanlagen ist im grünen Bereich
Auch bei Transnorm beobachtet man neben der größeren Bandbreite die gleichzeitig geforderte Steigerung der Leistungsfähigkeit. Prokurist Ventz: „Dazu bedarf es flexibler und gleichzeitig robuster Fördertechnik, deren Auslegung das gesamte Spektrum der Fördertechnik abbildet.“
Im Allgemeinen ist die Energiebilanz stationärer Förderanlagen zwar schlechter als die von fahrerlosen Transportsystemen (FTS), jedoch erreichen diese häufig nicht die geforderten Transportleistungen – „Schwarmintelligenz“ hin oder her. „Man würde so viele dieser Fahrzeuge benötigen, dass die Gesamtanlage machbare Investitionsrahmen sprengt“, sagt HaRo-Mann Pichler. HaRo hält die Energiebilanz seiner Anlagen durch bekannte Maßnahmen, wie Energiesparmotoren, Energierückführung (Vertikalförderer in der Fördertechnik), intelligente Ansteuerungen und Abschaltungen (der Motor dreht nur, wenn eine Aufgabe ansteht), für im grünen Bereich.
Ob in Zeiten cyberphysischer Systeme und (Intra-)Logistik 4.0 klassische Förderanlagen teilweise nicht wie „Technik von gestern“ anmuten, wollten wir von den befragten Unternehmen wissen, und ob die klassische Fördertechnik Disruptionspotenzial in sich birgt. Dazu Dr.-Ing. Ventz von Transnorm: „Es gibt bereits Ansätze, solche Technologien für spezielle Aufgaben, beispielsweise die Abbildung von Sortieralgorithmen, mit konventioneller Fördertechnik zu verknüpfen.“
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Fördertechnik
Was ist Fördertechnik? Anwendungsgebiete & Herausforderungen
Neue Ideen stoßen leider schnell an physikalische Grenzen
Sehr detailliert nimmt Prokurist Pichler zu diesem Themenkomplex Stellung. Drohnen im Versandhandel seien ein interessantes Thema. Natürlich hätten diese neuen Technologien ihre Berechtigung und sollten auch weiter ausgebaut werden. „Eine Disruption, sprich die vollständige Ablösung der klassischen Fördertechnik durch die angesprochenen neuen Technologien, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den nächsten 50 Jahren nicht erfolgen.“ Hierfür seien die zu lösenden Anforderungen, wie Umschlagszahlen im Kommissionierbereich, Speicherkapazitäten, Quellen- und Ziellogistik, einfach noch viel zu hoch und setzten den angesprochenen Systemen physikalische Grenzen. „,Scotti, beam me up!‘ ist gnadenlose Zukunftsmusik. Doch wird ein Miteinander, eine Verknüpfung der unterschiedlichen Systeme, immer häufiger erfolgen. Industrie 4.0 ist durch den Ausbau der Steuerungstechnik längst Standard in unseren Anlagen und wird auch stetig für die klassische Fördertechnik weiterentwickelt.“
Was müsste eine „Fördertechnik von und mit der Rolle“ künftig also leisten können, um ihre Daseinsberechtigung in der zukünftigen Intralogistik zu sichern? Für Dr.-Ing. Ventz sind das genau die gegenläufigen Anforderungen: Ein breites Spektrum an Transporteinheiten abzubilden (Rollenteilung, Durchmesser) bei gleichzeitig wachsenden Leistungsanforderungen (Gewicht, Drehzahl). „Beispielsweise Sortiervorgänge mit den geforderten hohen Leistungen bringen das System schon an die physikalischen Grenzen. Es gibt aber zurzeit gar keine sinnvollen Alternativen und die ,Sortiertechnik auf Basis Rolle‘ bietet noch Entwicklungspotenzial – daran arbeiten wir auch gerade.“
Für Jörg Pichler von HaRo muss Fördertechnik in Zukunft prinzipiell das leisten, wofür sie vor vielen Dekaden erfunden wurde: Ware mühelos und effizient umzuschlagen. „Die Systeme haben sich bewährt. Der Cyberraum ist rein virtuell, kann bekanntlich nicht die vielfältigen Grundbedürfnisse des Menschen befriedigen. Waren werden produziert und verteilt – ohne klassische Fördertechnik in unserem Äon undenkbar.“ Auch die klassische Fördertechnik entwickle sich weiter. Der Einsatz neuer Materialien, neuer Konstruktionen und Antriebskonzepte erhöhe Lebensdauer und Verfügbarkeit der Anlagen; diese würden schneller, flexibler, leiser und wartungsärmer. „Dabei sind die Entwicklungsschritte klein anmutend, haben jedoch große Nutzeneffekte“, untermauert Pichler die Aussichten der Branche.
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