Konsumgüterlogistik Mit System zu einem höheren Servicegrad

Autor / Redakteur: Andreas Hümmer / Sebastian Hofmann

Für das Handelsunternehmen Gebr. Heinemann hat SSI Schäfer in Erlensee die technischen Gewerke des neuen Logistikzentrums realisiert. Im Mittelpunkt der Anlage steht neben dem Hochregallager ein vollautomatisiertes automatisches Kleinteilelager, das nach der „3D-MATRIX Solution“ von SSI Schäfer konzipiert ist.

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SSI Schäfer hat für das neue Distributionszentrum von Gebr. Heinemann in Erlensee die technischen Gewerke realisiert.
SSI Schäfer hat für das neue Distributionszentrum von Gebr. Heinemann in Erlensee die technischen Gewerke realisiert.
(Bild: SSI Schäfer)

Das Hamburger Unternehmen Gebr. Heinemann ist einer der bedeutendsten Akteure der Duty-Free-Branche. Mit mehr als 300 Shops und in Lizenz geführten Markenboutiquen, Concept Shops, Geschäften an Grenzübergangen und 20 Shops auf Kreuzfahrtschiffen ist der Händler an insgesamt 78 Flughäfen in 28 Ländern tätig. Mehr als 1000 Kunden in über 100 Ländern weltweit nutzen so die Distributions- und Beratungsangebote bei ihrer Zusammenstellung von Markenartikelsortimenten. Diese sind auf ihre marktspezifischen und regionalen Besonderheiten zugeschnitten.

Die Regalbediengeräte des Typs Exyz sind energieeffizient und erzielen einen Durchsatz von bis zu 240 Doppelspielen pro Stunde.
Die Regalbediengeräte des Typs Exyz sind energieeffizient und erzielen einen Durchsatz von bis zu 240 Doppelspielen pro Stunde.
(Bild: SSI Schäfer)

Smarte Technik ermöglicht eine hohe Verfügbarkeit und Transparenz

In dem neuen Full-Service-Lager von Heinemann in Erlensee, direkt an den Autobahnen A66 und A45, werden rund 35 % des gesamten Auftragsvolumens bearbeitet. Der Standort deckt damit die Bedarfsstellen in Mittel- und Südeuropa ab. „Unser neues Distributionszentrum gewährleistet durch einen schnellen Zugriff auf alle Artikel die hohe Verfügbarkeit, die wir für die termingerechte Belieferung unserer Duty-Free-Shops in engen Zeitfenstern benötigen“, so Gebr. Heinemann.

Als Generalunternehmer für die Intralogistik erstellte SSI Schäfer das Logistikkonzept für effiziente Prozesse nach dem Kommissionierprinzip Ware zur Person, nebst Überprüfung der Materialflüsse in Simulationsprojekten. Für die Umsetzung des Projektes übernahm der Logistikanbieter die Ausführungsplanung inklusive der Organisation und Koordination aller technischen Gewerke. Die Gestaltung wie auch die Realisierung der Materialflüsse erfolgte mit Paletten- und Behälterfördertechnik. Allein für die Palettenfördertechnik wurden rund 300 m Rollenbahnen und Kettenförderer installiert. Die innerbetrieblichen Transporte zwischen den Bedarfsstellen übernimmt eine Elektrobodenbahn (EBB) mit 13 Fahrzeugen. Überdies verknüpfte SSI Schäfer die speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) der Anlagenkomponenten via Schnittstelle des Materialflussrechners mit dem kundenseitigen Lagerverwaltungssystem SAP EWM. Ein Visualisierungstool sorgt für eine maximale Transparenz von Materialflüssen und Anlagenauslastungen. Zudem wurden zehn ergonomische Kommissionierarbeitsplätze eingerichtet.

Herzstück der Anlage: ein modernes automatisches Kleinteilelager

35.000 verschiedene Duty-Free-Artikel bilden derzeit den Bestand des Heinemann-Logistikzentrums. Herzstücke der 32.000 m2 großen Logistikimmobilie sind ein Hochregallager (HRL) für Paletten und ein hochmodernes automatisches Kleinteilelager (AKL), das SSI Schäfer für Gebr. Heinemann nach dem Konzept der „3D-MATRIX Solution“ erstellt hat. Das HRL wurde in Silobauweise errichtet und bietet 22.900 Palettenstellplätze für eine einfachtiefe Lagerung. Es dient als Nachschublager für das AKL. Die acht energieeffizienten Regalbediengeräte (RBG) für Paletten erzielen mit ihren Teleskopgabeln in den HRL-Gassen Ein- und Auslagerungen mit einem Durchsatz von bis zu 240 Doppelspielen pro Stunde.

Mit seiner Konzeption nach der „3D-MATRIX Solution“ dient das Behälterlager nicht nur als Lagerstätte, sondern zugleich als Sequenzierungspuffer für die Shop-spezifische Auftragsfertigung. Mit der Matrix bietet SSI Schäfer eine Systemlösung zur Lagerung und Kommissionierung von Behältern, Kartons, Tablaren über ganze Lagen-Trays bis hin zu Paletten an. Die besonderen Merkmale der Matrix liegen in der einzigartigen Kombination der eingesetzten Komponenten. Denn alle Transportmittel, welche innerhalb des Lagers in X-, Y- und Z-Richtung eingesetzt sind, arbeiten konsequent voneinander entkoppelt und parallel. Dies ermöglicht den ständigen Zugriff auf alle Artikel im Lager mit gleicher Leistung und ohne Engpässe. Die herkömmliche ABC-Klassifizierung des Lagergutes entfällt damit. Der Lagerspeicher und die eingesetzten Komponenten sind in Anzahl und Lokalisierung flexibel skalierbar.

In der Anlage übernehmen Shuttle-Systeme die Bedienung der Stellplätze. Angeforderte Artikelbehälter werden auf Transferplätzen für installierte Liftsysteme eingestellt und dort gepuffert. Der koordinierte Zugriff der Lifte auf die Transferplätze ermöglicht eine Sequenzierung in der Auslagerung beziehungsweise eine lastabhängige Einlagerung. Zur Auftragskommissionierung werden die Behälter schließlich über eine nachgelagerte Fördertechnik an Kommissionier- und Versandplätze geschickt.

„Es lag nahe, eine Anlage mit herkömmlicher AKL-Technologie umzusetzen“, erläutert Gebr. Heinemann. „Bei unseren Durchsatzanforderungen hatten wir die Wahl zwischen klassischen Regalbediengerät- und Shuttle-Lösungen. Als SSI Schäfer uns das Funktionsprinzip der ‚3D-MATRIX‘ vorstellte und uns die Effizienzvorteile aufzeigte, waren wir schnell überzeugt.“

136.000 Stellplätze für die doppelttiefe Lagerung von Behältern

In der rund 10.000 m2 großen Kommissionierhalle belegt das 4500 m2 umspannende Kommissionierlager fast die Hälfte der Fläche. 136.000 Stellplätze stehen darin für eine doppelttiefe Lagerung zur Verfügung. Anlage- und Behälterfördertechnik sind auf Behälter sowie Kartons mit einem Gewicht von bis zu 30 kg ausgelegt. Für die Ausstattung des AKL lieferte SSI Schäfer die Standardkommissionier- und Transportbehälter der Typen LTB 6320 (566 mm × 366 mm × 298 mm) und LTB 6220 (564 mm × 366 mm × 87 mm). Die Ein- und Auslagerungen aus dem Lagerspeicher erfolgen über 60 Lifte. In der Anlage selbst arbeiten 64 hochmoderne Mehrebenen-Shuttles des Typs Navette, die direkt in den Stahlbau der AKL-Regalgassen integriert wurden.

Das Kommissionierlager bietet auf 4500 m² 136.000 Stellplätze für die doppelttiefe Lagerung von Behältern.
Das Kommissionierlager bietet auf 4500 m² 136.000 Stellplätze für die doppelttiefe Lagerung von Behältern.
(Bild: SSI Schäfer)

Eine Besonderheit der Geräte: Geführt durch Fahr- und Stützschienen bedient jedes der Shuttles mit seinen zwei übereinander angeordneten Lastaufnahmemitteln (LAM) bis zu acht Ebenen im Lagerspeicher – zwei davon sogar parallel bei jedem Stopp. Dabei kann jedes der beiden LAM zwei Behälter oder Kartons transportieren – in Summe also mit einem Lastspiel gleichzeitig vier Transporteinheiten. Das minimiert die Fahrzeiten der Geräte und führt gegenüber herkömmlichen Shuttle- und RBG-Lösungen mindestens zu einer Verdopplung der Prozesseffizienz.

„Das Navette verknüpft die Vorteile von RBG- und Shuttle-Lösungen in einem System“, begründet Gebr. Heinemann die Entscheidung für die Lösung. „Zudem ist das Konzept auf eine hohe Flexibilität ausgelegt – wir können die Anlage und die Komponenten auf allen Ebenen bedarfsgerecht erweitern. Das Standardsystem von SSI Schäfer ist für uns eine zukunftsfähige Investition.“

Im Packbereich etikettieren Mitarbeiter die Kartons und bestücken die Warenausgangspaletten mit den empfängergerechten und nach Filiallayout bereitgestellten Versandkartons.
Im Packbereich etikettieren Mitarbeiter die Kartons und bestücken die Warenausgangspaletten mit den empfängergerechten und nach Filiallayout bereitgestellten Versandkartons.
(Bild: SSI Schäfer)

Eine Elektrobodenbahn ist das zentrale Verbindungselement

Die Paletten werden nach der Wareneingangsprüfung und Vereinnahmung auf einer Förderstrecke mit automatischer Konturen- und Gewichtskontrolle über einen Vertikalförderer auf eine Zwischenebene transportiert. Mit dieser Lösung steht die Ebene 0 allein für die Warenein- und -ausgangsbearbeitung zur Verfügung. Alle anderen Prozesse, die Ein- und Auslagerungen aus dem Hochregallager, das Umpacken wie auch die Auftragskommissionierung erfolgen auf der Zwischenebene. Von den Vertikalförderern werden zwei Loops der EBB bedient. Sie führt die Paletten zu den Einlagerungsstichen für das Hochregallager oder direkt an Umpackplätze für die Einlagerung in das AKL. Für dessen Nachschubversorgung transportiert die EBB die Paletten aus dem HRL ebenfalls an die Depalettierplätze. Dort werden die Artikel manuell gescannt und die Artikelkartons von den Paletten auf Trays und in Behälter umgepackt. Die Ladungsträger werden über eine Förderstrecke an die Navette-Lifte des AKL geleitet und von den Mehrebenen-Shuttles eingelagert.

Zur Auftragskommissionierung durchlaufen die Kartons und Behälter den gleichen Transportweg: Die Navette-Shuttles lagern aus und übergeben die Ladungsträger an die Transferplätze der Lifte – insgesamt bis zu 3600 Kartons pro Stunde. Der Durchsatz kann im Ausbau mit wenigen Komponenten mühelos auf 7000 Kartons fast verdoppelt werden, ohne die Anlagenstruktur grundlegend zu verändern.

Die Lifte ziehen die Kartons und Behälter je nach Auftragsstruktur von den Transferplätzen ab und präsentieren sie in sequenzierter Reihenfolge an einem der zehn Kommissionierplätze für das Multi-Order-Picking. Dort erfolgt die Auftragskommissionierung an Pick-to-Tote-Arbeitsplätzen mit Unterstützung eines Pick-by-Light-Systems direkt in die Versandkartons. Nach Abschluss der Auftragskommissionierung werden die Zielkartons von einer Förderstrecke direkt in den Packbereich transportiert. Dort etikettieren Mitarbeiter die Kartons. Anschließend bestücken sie die Warenausgangspaletten mit den empfängergerechten und nach Filiallayout bereitgestellten Versandkartons. Scherenhubtische sorgen dabei für ein ergonomisches Arbeiten.

Die Versandpaletten werden abschließend foliert und an die EBB übergeben. Sie führt die Paletten an einen Doppellift, der die Sendungen über eine Stichbahn vor die zwölf Tore im Warenausgangsbereich auf Ebene 0 führt. Pro Schicht werden in Erlensee auf diese Weise 750 Paletten im Warenausgang bereitgestellt und auf den Weg zu den Kunden gebracht. „Die Auftragsfertigung wird von uns rückwärts gerechnet, sodass wir die Bestellungen an Flughäfen möglichst dann ausliefern, wenn wenig Flugverkehr ist, oder exakt dann, wenn die Schiffe auf Reede liegen“, erläutert Gebr. Heinemann. „Am Beispiel des Frankfurter Flughafens errechnen wir dann eine Bereitstellungszeit von der Bestellung bis zur Anlieferung beim Kunden von vier bis sechs Stunden.“

Die Außenansicht auf die Logistikimmobilie.
Die Außenansicht auf die Logistikimmobilie.
(Bild: SSI Schäfer)

Zum Vergleich führt man die Leistungen des zweiten Heinemann-Logistikzentrums in Hamburg-Allermöhe an. In der nach herkömmlichem Layout gestalteten Anlage laufen die Prozesse noch mit Kommissionierprozessen aus einem Stollenganglager. „Die Zahlen belegen, dass wir mit der ‚3D-MATRIX Solution‘ und den modernen Komponenten eine deutlich höhere Effizienz bei der Auftragsfertigung erzielen“, so Gebr. Heinemann. „Der schnelle Zugriff auf jeden Lagerplatz und die Sequenzierung der Auslagerungen bereits innerhalb der Anlage sorgen für eine besonders hohe Prozesseffizienz. Das Anlagenkonzept ermöglicht uns zudem eine hohe Flexibilität. In Summe steigert die Systemkonzeption unseren Servicegrad deutlich.“

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* Andreas Hümmer ist Senior Project Manager/IPMA bei der SSI Schäfer Automation GmbH in 97232 Giebelstadt, Tel. (0 93 34) 9 79-3 85, andreas.huemmer@ssi-schaefer.com

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