Bioverpackungen Biokunststoffe kommen nur langsam vom Acker in den Supermarkt

Autor / Redakteur: Claudia Treffert / Dipl.-Betriebswirt (FH) Bernd Maienschein

Obwohl das Interesse in der abpackenden Industrie und im Handel an den kompostierbaren Werkstoffen wächst, lässt der echte Durchbruch von Biokunststoffen in Deutschland immer noch auf sich warten. Verbesserte Rahmenbedingungen könnten weitere Starthilfen geben.

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Dass die Konferenz ein Erfolg wird, daran zweifelt Sabine Arras nicht eine Sekunde. „Wir haben immer mit 300 Teilnehmern geplant, aber inzwischen erwarten wir, dass es deutlich mehr werden“, verrät die Pressesprecherin von European Bioplastics, Berlin, der Interessenvertretung der europäischen Biokunststoff-Industrie. Bis zu 350 Teilnehmer finden in Paris im Disney’s Newport Bay Club Convention Centre Platz, wo sich die Branche am 21. und 22. November zum Informationsaustausch über Technologie- und Marktentwicklung trifft. Wenige Wochen vorher sieht es so aus, dass es eng werden könnte. Das ist ein Indiz dafür, wie stark das Interesse an der nicht mehr ganz so neuen Kunststoffart wächst.

Die Freude darüber wird allerdings durch die Geschehnisse am Rohstoffmarkt ein wenig getrübt: Aufgrund der Klimadiskussion und der damit einhergehenden politischen Unterstützung, die den Marktauf- und -ausbau von Biokraftstoffen begünstigte, sind Mais, Raps, Zuckerrüben und Co. so gefragt wie nie zuvor. Das treibt die Preise, was die Hersteller von Biokunststoffen zu spüren bekommen. Schließlich basieren ihre Werkstoffe wie Polymilchsäure (PLA), Cellulose (-acetate) oder Stärkeblends ebenfalls auf genau diesen Agrarrohstoffen.

Spezialsegment mit hohen Margen

Die Marktentwicklung könne das glücklicherweise aber noch nicht merklich beeinflussen, meint man im Verband. Mit einem Anteil von lediglich 1% vom gesamten Kunststoffmarkt handele es sich nach wie vor um ein Spezialsegment, das aufgrund höherer Margen nicht so preissensibel reagiere. Wegen des geringen Marktanteils bleiben Biokunststoffe und die daraus entstehenden Produkte auch von der derzeitigen Diskussion über den sinnvollen Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen relativ unberührt. Aber selbst bei einer anderen Ausgangssituation sieht sich die Branche in einer argumentativ günstigen Position.

Arras: „Im Gegensatz zu Biotreibstoffen nutzen wir die Rohstoffe mehrfach: zunächst stofflich, und am Lebensende der daraus gefertigten Produkte kommt es zur energetischen Nutzung beziehungsweise zur Kompostierung.“ Zusätzlich zur höheren Wertschöpfung werfen die Befürworter von Biokunststoffen das Umweltargument in die Waagschale: So werden zum Herstellen der Kunststoffe keine fossilen Ressourcen benötigt und ihre CO2-Bilanz fällt neutral aus – zumindest, wenn man fragwürdige Anbaumethoden einiger Rohstofflieferanten und lange Transportwege außen vor lässt.

Es gibt noch unerledigte Aufgaben

Mit über 30% weist die Verpackungsindustrie das größte Anwendungspotenzial von biologisch abbaubaren Kunststoffen auf. Würde sie, wo immer möglich, konsequent den Einsatz von Biokunststoffen forcieren, ließen sich in den nächsten Jahren die umweltschädlichen CO2-Emissionen um mindestens 20% reduzieren. Das gaben Experten den Teilnehmern des diesjährigen, vom deutschen Verpackungsinstitut (DVI) organisierten Verpackungskongresses mit auf den Weg. Damit nicht genug: Die Abhängigkeit der Verpackungshersteller von fossilen Rohstoffen ließe sich sogar um 30% reduzieren. Das sollte – bei den derzeitig stark anziehenden Rohölpreisen – eine erfreuliche Perspektive sein.

Doch bevor sich solche Zahlen tatsächlich auf dem Verpackungsmarkt nachweisen lassen, gilt es, einige Hürden zu überwinden. Als erstes wäre da der Preis der Werkstoffe zu nennen (und zwar unabhängig von der zuvor erwähnten Preissituation). Der liegt dank hoher, nur von der Industrie selbst zu tragender Kosten für Entwicklung und Produktionsaufbau im Vergleich zu den petrochemischen Kunststoffen nach wie vor doppelt bis viermal so hoch.

Partnersuche im Verpackungsbereich kann langwierig sein

Das erschwert das Umstellen, gerade für junge Unternehmen: „Bei uns standen die Kosten im Fokus“, bestätigt Rainer Speckhardt, Geschäftsführer des 2003 gegründeten Biokräuter-Produzenten Swangolt, Böbingen. „Es dauerte bis Ende des vergangenen Jahres, die richtigen Partner zu finden, um unsere Verpackungen auf kompostierbare Schalen aus PLA umzustellen.“ Hier erwartet die Branche, dass die Politik nicht nur die Biokunststoff-Entwicklung wohlwollend betrachtet, sondern tatsächlich aktiv wird und mit gezielter Förderung den weiteren Marktaufbau unterstützt. Dadurch kämen die Preise schneller in wettbewerbsfähige Größenordnungen.

Auch bei den Produktionskapazitäten gibt es Verbesserungsbedarf. Sie steigen zwar jährlich und durchaus rasant, wie einschlägige Statistiken belegen. Aber der Bau neuer Produktionsstätten braucht — neben dem geeigneten Standort — Zeit und Geld. Derzeit käme es zu ernsten Lieferschwierigkeiten, würden sich zum Beispiel alle Lebensmittelhersteller sowie der Groß- und Einzelhandel spontan entscheiden, dass für Lebensmittel nur noch Verpackungen aus Biokunststoffen in Frage kämen.

Selbst bei Biolebensmitteln sind Bioverpackungen die Ausnahme

Allerdings sind solche Szenarien ziemlich unrealistisch – und zumindest in Deutschland ist man immer noch vom spürbaren Einsatz solcher Bioverpackungen meilenweit entfernt. Trotz des erklärten Interesses der Biobranche muss man selbst dort nach in Biokunststoffen verpackten Produkten suchen. Ausnahmen wie der Nudelhersteller Birkel, der seit Anfang der Jahres seine Vollkornnudeln in einer auf Cellulosefasern basierenden Folie von Innovia Films, Bergheim, verpackt, oder die bunten Bio-Paprikaschoten bei Edeka bestätigen da nur die Regel.

Speziell in Deutschland kommt für Bioverpackungen noch eine dritte Hürde ins Spiel: die Schwierigkeiten beim Entsorgen. „Den meisten kommunalen Abfallentsorgern ist das Logo für kompostierbare Verpackungen – der ,Keimling‘ – unbekannt“, hat Speckhardt festgestellt. Und weil die Müllwerker den Unterschied zwischen konventionellem Kunststoff und der Biovariante nicht erkennen können, bleiben Biotonnen stehen. Wenn nicht die Müllbetriebe gleich von vornherein die Biotonne für Biokunststoffe „verschließen“. Im Verband weiß man, dass hier auch von seiner Seite Handlungsbedarf besteht. Arras: „Das Logo muss zukünftig intensiver vermarktet werden. Da sind der Verband, aber auch Produkthersteller und Händler gemeinsam gefordert.“

Flaschen aus Biokunstoff werden von Pfandpflicht befreit

Das allein wird selbstverständlich nicht ausreichen. Der Gesetzgeber muss sich ebenfalls für Bioverpackungen einsetzen. Mit dem im September gefassten Entschluss des Bundeskabinetts, bis 2010 Biokunststoff-Flaschen per Verpackungsverordnung von der Pfandpflicht zu befreien und sie statt dessen über duale Systeme wie Gelber Sack und Gelbe Tonne sammeln und verwerten zu lassen, ist ein Schritt zum Klären der Entsorgungsfragen gemacht. Weitere müssen folgen.

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