Start-up Fernride will Lkw aus dem Büro steuern lassen
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Bis Lkw voll autonom fahren können, wird noch einige Zeit vergehen. An einem Zwischenschritt, der Logistikunternehmen helfen könnte, ihre Effizienz zu steigern, arbeitet das Münchner Start-up Fernride. Wie deren Teleoperator-Lösung funktioniert.

Mehrere große Bildschirme nebeneinander, ein Lenkrad auf dem Tisch, daneben ein Joystick mit bunten Schaltern. Was nach einer gehobenen Ausstattung für GTA-, Need-for-Speed- und Co.-Gamer klingt, ist weit mehr als das. Denn man kann damit auch echte Fahrzeuge aus der Ferne steuern. Das Start-up Fernride will das zum Geschäftsmodell machen. Mit seiner Teleoperations-Lösung haben die Münchner vor allem Logistikunternehmen als Kunden im Blick.
Die Vision sei eine fahrerlose Logistik, erklärt Co-Gründer und CEO Hendrik Kramer. Zahlreiche Unternehmen haben Probleme, ausreichend Lkw-Fahrer zu finden. Zumindest in Teilen will Fernride dabei Abhilfe schaffen.
Gründer wittert Milliarden-Markt
Zunächst will das Start-up bei Transportfahrten auf dem Gelände von Unternehmen unterstützen – beispielsweise an Häfen oder in Logistikzentren. Allein in Europa würden mehr als 100.000 Lkw das eigene Betriebsgelände nie verlassen, sagt Kramer. Alleine dieses Geschäft sei bis zu fünf Milliarden Euro schwer, schätzt er. Doch dabei soll es nicht bleiben: Perspektivisch will das Start-up seine Technologie, die auf mehr als zehn Jahren Forschung an der TU München aufbaut, auch auf Straßen einsetzen.
Die Idee von Fernride ist eine Stufe zwischen manuellem und autonomem Fahren. „Autonome Fahrzeuge können noch nicht in 100 Prozent der Fälle selbstständig fahren“, so Kramer. Fernride kombiniere deshalb die bereits verfügbare autonome Technologie mit den menschlichen Fähigkeiten eines Teleoperators. So könnten Unternehmen schon heute von den Effizienz- und Sicherheitsvorteilen autonomer Fahrzeuge profitieren.
Automatisierungsgrad soll ständig steigen
Der Mensch an Lenkrad und Joystick soll nur dann Gas, Bremse, Steuer und Co. übernehmen, wenn die Künstliche Intelligenz in semi-autonomen Lkw an ihre Grenzen stößt. Der Automatisierungsgrad lasse sich über Over-the-air-Updates Schritt für Schritt erhöhen, verspricht Fernride. Dafür stattet das Start-up die Fahrzeuge mit einem „Teleoperation-Stack“, bestehend aus zwölf Kameras, Sensoren und einem Konnektivitätsmodul, aus. Über ultraschnelle Datenleitungen sind sie dann mit dem Teleoperations-Zentrum vernetzt.
Aktuell kann ein Mensch mit dieser Lösung einen einzelnen Lkw von außen steuern. Doch Hendrik Kramer (26) und seine Mitgründer Jean-Michael Georg (33) und Maximilian Fisser (33) sind überzeugt, dass noch weit mehr möglich ist. Sie halten es für realistisch, dass ein Teleoperator mittelfristig Flotten von bis zu 50 autonomen Fahrzeugen unterstützen kann.
Man arbeite bereits mit weltweit führenden Logistikunternehmen und Fahrzeugherstellern im Rahmen von Forschungs- und Pilotprojekten zusammen, heißt es von Fernride. Namen verrät das Start-up allerdings nicht. Auf Interesse scheint die Idee aber definitiv zu stoßen. In einer Series-A-Runde sammelten die Münchner jüngst 7,1 Millionen Euro ein. Angeführt wurde diese von 10x. Beteiligt haben sich auch Bestandsinvestoren wie Speedinvest oder Flyventures.
10x-Partner Felix Haas begründet das Investment damit, dass Fernride ähnliches Potenzial habe wie andere Frühphaseninvestments der Venture-Capital-Firma. Dabei nennt er große Namen wie Volocopter und Luminar. Und auch Marie Helene Armetsreiter von Speedinvest ist von den Münchnern voll überzeugt. Zwar werde noch einige Zeit vergehen, bis autonomes Fahren auf breiter Basis im öffentlichen Verkehr verfügbar sei, meint sie. Aber autonomes Fahren werde die nächste echte Disruption in unserer Gesellschaft.
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