Logistik-Software Verknüpfung von Software zu einem IT-Logistiknetzwerk

Autor / Redakteur: Frank Herrmann und Georg Burgmayr / Volker Unruh

Softwaresysteme sind für den Betrieb moderner Logistik- und Herstellungsbetriebe essenziell. Doch kaum eine auf dem Markt angebotene Lösung kann alle Anforderungen in Lager und Montage lückenlos abdecken. Kleine und mittlere IT-Unternehmen schließen sich zusammen - und damit diese Marktlücke.

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Bild 1: Für den Betrieb moderner Logistikanlagen sind Softwaresysteme unerlässlich.
Bild 1: Für den Betrieb moderner Logistikanlagen sind Softwaresysteme unerlässlich.
(Bild: Klug Integrierte Systeme)

Für kleine oder mittlere IT-Unternehmen (KMU) ist es in der Regel schwierig Produkte zu entwickeln oder Dienstleistungen anzubieten, die sich über alle Bereiche der Logistik erstrecken. Die Softwaresysteme der KMU zeichnen sich stattdessen häufig durch die hohe Detailkompetenz auf einem speziellen Teilgebiet der Logistik aus.

Kleinere Unternehmen entwickeln gemeinsam Logistik-Software

Für solche Unternehmen kann es interessant sein, Softwareprodukte gemeinsam mit anderen Unternehmen zu entwickeln und anzubieten. So können funktional sehr umfangreiche Systeme entstehen, die sich weiterhin durch eine hohe Flexibilität und Detailkompetenz auszeichnen. Insofern können Kooperationen als eine mögliche Antwort von kleinen und mittelständischen IT-Logistik-Unternehmen auf größer werdende Softwarekonzerne gesehen werden und hierdurch gegenüber anderen Marktteilnehmern Wettbewerbsvorteile erlangen.

Im Raum Regensburg haben deshalb acht Unternehmen untersucht, inwieweit durch die Kopplung oder Integration ihrer Softwaresysteme über die einzelnen Unternehmensgrenzen hinweg für deren Kunden ein Mehrwert gegenüber den Einzelsystemen erzielbar ist.

Einzelne Softwareglieder bilden im Verbund die logistische Prozesskette ab

Die acht Unternehmen bündeln die folgenden Produkte und Kompetenzen:

  • Die Dallmeier Electronic GmbH & Co. KG (im Folgenden Dallmeier KG genannt) in Regensburg richtet ihren Fokus auf die Übertragungs-, Aufzeichnungs- und Bildverarbeitungstechnik. Das Unternehmen nutzt sein Wissen für die Entwicklung intelligenter Software sowie zur Herstellung von Recorder- und Kameratechnologie. Im Bereich Logistik liegt der Schwerpunkt des Unternehmens in der Überwachung von Verladezonen, Gefahrenübergängen und Gebäuden.
  • Die Initpro GmbH in Regensburg hat ihre Kernkompetenz in der Integration der RFID-Technik in neue und bestehende Prozesse sowie in der Erfassung von Produktions-, Prozess- und Qualitätsdaten. Darüber hinaus verfügt das Unternehmen über Erfahrung in der Organisation, Analyse und Abrechnung von Service- & Reparaturprozessen sowie in der Entwicklung von Business Intelligence Anwendungen.
  • Die Klug GmbH integrierte Systeme (im Folgenden Klug GmbH genannt) in Teunz löst ganzheitlich Intralogistikaufgaben im Bereich der Lager- und Kommissionierungstechnik sowie der Versandabwicklung und Basisautomation. Die Klug GmbH realisiert Projekte als Generalunternehmer modular oder komplett, von der Datenanalyse und Systemplanung bis zur Abwicklung der Förder- und Lagertechnik. Die Planung, Projektierung und Entwicklung oder Anpassung der IT-Module werden dabei von der Klug GmbH selbst vorgenommen und um die am Markt verfügbare Mechanik ergänzt.
  • Der Fokus der Optitool GmbH in Regensburg liegt in der globalen Optimierung von Transporttouren unter Berücksichtigung von Restriktionen. Darüber hinaus können mit der Optitool-Software Probleme in der zentralen und dezentralen Organisation der Disposition, sowie in der dynamischen und strategischen Tourenplanung gelöst werden.
  • Die Optware GmbH in Regensburg beschäftigt sich mit der mathematischen Optimierung der Produktionsplanung, Bedarfsplanung, Ressourcenbelegungsplanung und weiterer komplexer Prozesse in der Produktionslogistik. Die Optimierung beinhaltet zum einen die Geschäftsprozesse selbst, zum anderen insbesondere die Algorithmen und die Dispositions- oder Produktionsparameter. Mit Hilfe mathematischer Optimierungsverfahren werden Algorithmen und Parameter verschiedener Prozesse aufeinander abgestimmt. Die Implementierung der Algorithmen erfolgt dabei zumeist in eigenen Softwaremodulen, die an das ERP-System oder das Fertigungssteuerungssystem gekoppelt werden.
  • Die Simplan AG in Regensburg ist ein Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen für die Simulation betrieblicher Abläufe. Das Unternehmen ist ein branchenübergreifender Komplettanbieter für die Analyse und Optimierung von Unternehmensabläufen. Der Schwerpunkt liegt dabei in der Simulation komplexer Produktions- und Logistikprozesse sowie in der Emulation physischer Systeme.
  • Die Kompetenz der Regensburger Systema Systementwicklung Dipl.-Inf. Manfred Austen GmbH (im Folgenden Systema GmbH genannt) liegt in Produkten und Dienstleistungen zur Produktionsautomatisierung für die Photovoltaik- und Halbleiterindustrie. Der Fokus liegt dabei in der Integration, Automatisierung und Optimierung von Systemen in der Fertigung, von der Equipmentkopplung über das Fertigungssteuerungssystem bis zum Enterprise Ressource Planning (ERP) System.
  • Die TM3 Software GmbH in Regensburg entwickelt ein innovatives Softwaresystem für die Warenwirtschaft, Logistik und Reklamationsbearbeitung von mittelständischen Handelsunternehmen. Der Schwerpunkt des Systems ist die Lagerlogistik sowie die 3D Visualisierung und Optimierung von Lagern und Lagerabläufen.

Aus der Beschreibung der Unternehmen geht hervor, dass die acht Unternehmen Produkte und Dienstleistungen aus unterschiedlichen Bereichen der IT-Logistik anbieten.

Die dadurch erzielbare softwaretechnische Abbildung einer logistischen Prozesskette und ihre Integration wurde unter Leitung des Innovationszentrums für Produktionslogistik und Fabrikplanung (IPF), mit Unterstützung durch den IT-Speicher Regensburg einer SWOT-Analyse untersucht. Aus dieser Analyse wurden konkrete Vorschläge für die Zusammenarbeit der Unternehmen und ihre Weiterentwicklung abgeleitet.

Kleinere Unternehmen bieten heterogene Produkte für Logistik-Prozesskette

In der Untersuchung wurde zunächst von einer allgemeinen logistischen Prozesskette ausgegangen, so wie sie sich in den am Markt verfügbaren Standard PPS- oder ERP- Systemen abbilden lässt. Generell bestehen die logistischen Prozesse von allen produzierenden Unternehmen aus sehr ähnlichen zentralen Aktivitäten, die auf eine vergleichbare Weise durchlaufen werden. Sie werden im Folgenden entlang der Abbildung 1 vorgestellt (siehe Bildergalerie).

Dabei wird zwischen Aktivitäten der Beschaffung, der Produktion und des Vertriebs differenziert. Zudem besteht eine enge Bindung an die Bestandsführung der Lagerlogistik.

Logistiksoftware muss meist Komponenten-Produktion für Lager abbilden

In den allermeisten Unternehmen erfolgt keine Kundenproduktion, bei der bereits zu Produktionsbeginn ein konkreter Kundenauftrag vorliegt. Stattdessen werden zumeist wenigstens Komponenten eines Endprodukts vorproduziert und auf ein Lager gelegt.

In diesen Fällen beginnt die logistische Prozesskette, wie in Grafik 1 dargestellt, mit der Produktionsplanung. Während der Abarbeitung eines Produktionsprogramms treffen Kundenaufträge ein. Bei der Bearbeitung eines Kundenauftrags werden die, aufgrund der Produktionsplanung produzierten Komponenten verbraucht.

Bedarfsplanung folgt der Produktionsplanung

Im Anschluss an die Produktionsplanung folgt die Bedarfsplanung, bei der die Bereitstellung der benötigten Verbrauchsgüter (vorgefertigte Komponenten, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe) geplant wird. Die zentrale Aufgabe der Bedarfsplanung ist die Sicherstellung der Materialverfügbarkeit im Fertigungsprozess oder anders formuliert, die Aufgabe besteht aus der termingerechten Beschaffung aller im Unternehmen benötigten Materialien.

Die Beschaffungsvorschläge aus der Bedarfsplanung, in Form von Planaufträgen, werden für die Eigenproduktion zu Fertigungsaufträgen und fallen damit in den Verantwortungsbereich der Fertigungssteuerung, während sie für die Fremdbeschaffung zu Bestellanforderungen werden und damit in den Verantwortungsbereich der Beschaffung fallen. Die Bestellanforderungen können genauso auch aufgrund der Steuerung eines Lagers generiert werden. In diesen Fällen wird eine Bestellanforderung ausgelöst, wenn ein vorgegebener Bestellbestand erreicht oder unterschritten worden ist.

Die Bestellanforderung stößt einen Beschaffungsprozess an. Die Bestellanforderung kann sich aus der Bedarfsplanung und der Bestandsführung des Lagers ergeben oder manuell erstellt werden, sofern es sich um außerplanmäßige Bedarfe handelt. Mit der Annahme eines Lieferantenangebots erfolgt mit der Bestellung im Regelfall ein Vertrag zwischen dem eigenen Unternehmen und dem Lieferanten in dem sich beide zur Erfüllung der Vereinbarungen verpflichten.

Fertigungsauftrag für die Fertigungssteuerung von zentraler Bedeutung

Auf die Bestellung folgt der Wareneingang im Lager. Im Anschluss an einen Wareneingang werden bei der Rechnungsprüfung die Daten der Bestellung oder des Wareneingangs mit den Daten der Rechnung abgeglichen

Wie in Grafik 1 dargestellt ist, fallen die Beschaffungsvorschläge aus der Bedarfsplanung für die Eigenproduktion in den Verantwortungsbereich der Fertigungssteuerung. Hier werden sie für den Produktionsvollzug in konkrete Fertigungsaufträge umgesetzt, mit dem Ziel eine optimale Koordination und Auslastung der Produktionsressourcen zu gewährleisten.

Der Fertigungsauftrag ist das zentrale Element der Fertigung. In diesem sind die Art und die Anzahl der zu fertigenden Güter festgelegt, sowie der konkrete Termin der Fertigung und sämtliche beteiligte Ressourcen. Insbesondere sind darunter Materialien, Fertigungsmaschinen, Arbeiterstunden und Fertigungshilfsmittel zu nennen. Darüber hinaus legt der Fertigungsauftrag die erwarteten Kosten und dessen Abrechnung fest.

Zur Vorbereitung der Fertigung werden die Maschinenbelegung und die Bearbeitungsreihenfolge geplant, die Betriebsmittel eingeplant sowie der Start- und Endtermin der Fertigung bestimmt. Nach der eigentlichen Fertigung wird ein Fertigungsauftrag schließlich mit seiner Abrechnung abgeschlossen. Bei einer solchen Abrechnung werden die auf dem Fertigungsauftrag angefallenen Ist-Kosten an ein oder mehrere Empfängerobjekte abgerechnet.

Augenmerk auf schneller und kostengünstiger Lieferung

Die Fertigstellung der Produkte eines Kundenauftrags ermöglicht deren Auslieferung. Bei der Lieferung liegt das Hauptaugenmerk auf der schnellen und kostengünstigen Lieferung durch eine möglichst optimale Tourenplanung. Dabei beginnt die Problemstellung bereits bei der Zuordnung von Kunden zu Touren und somit der idealen Kommissionierung im Lager und optimalen Bereitstellung der zu liefernden Ware an der Rampe.

Mit der Faktura wird ein Geschäftsvorgang im Vertrieb abgeschlossen. Hauptsächlich werden dabei Rechnungen aufgrund von Lieferungen und Leistungen ausgestellt oder es werden Gut- und Lastschriften aufgrund von entsprechenden Anforderungen aus dem Verkauf abgewickelt. Darüber hinaus beinhaltet die Faktura die Überwachung und Buchung des Zahlungseingangs sowie, falls nötig das Erstellen von Mahnungen.

Kompetenzen im logistischen Prozess

Die Beschreibung der Unternehmen in der Einleitung macht deutlich, dass es sich um ein sehr heterogenes Produkt- und Dienstleistungsportfolio handelt. Beratungs-, Optimierungs- und Simulationsdienstleistungen werden von diesen Unternehmen ebenso angeboten wie Softwaresysteme für das Management, die Unterstützung und die Umsetzung von verschiedenen Aufgaben und Bereichen in der Logistik. Für jedes Unternehmen werden die Kundenprozesse identifiziert, die durch die Produkte oder Dienstleistungen von diesen Unternehmen abgedeckt werden.

Diese Prozesse werden durch elementare Schritte wie „Auflösung von Stücklisten in der Materialbedarfsplanung“ oder „Datenerfassung (Scannen) der Paketstücke beim Warenausgang“ beschrieben. Dadurch wurde nachgewiesen, welche der stark aggregierten Prozessschritte in der Prozesskette zur operativen Produktionsplanung und –steuerung durch die acht Unternehmen abgedeckt werden. Sie werden im Folgenden erläutert und sind in der Grafik 2 visualisiert.

  • Die Planung und Optimierung von Transporttouren verfeinert die Funktionalität zur „Lieferung“ in der logistischen Prozesskette.

Direkt dem in Grafik 2 aufgezeigten Prozess zuordnen lässt sich:

  • Tourenplanung- und Tourenoptimierung durch die Optitool GmbH: Die Planung und Optimierung von Transporttouren unter Berücksichtigung von Restriktionen verfeinert die Funktionalität zur „Lieferung“ in der logistischen Prozesskette, siehe (1) in Grafik 2. Ein solches System kann mit der Erweiterung von ERP-Systemen um „Advanced Planning“ Komponenten verglichen werden, wie dem APO System in der SAP Welt, um dadurch dedizierte Funktionen für diese Aufgabe zu erhalten. Angemerkt sei dabei, dass die Tourenplanungssoftware der Optitool GmbH darüber hinaus gehende Anwendungen bietet, beispielsweise die Kommunikation mit Lieferfahrzeugen über sogenannte On-Board-Units.
  • Warenwirtschaftssystem der TM3 Software GmbH: Ein Warenwirtschaftssystem dient im Wesentlichen der Verbuchung von Wareneingängen und –Ausgängen, dem Dispositions- und Bestellwesen. Das Warenwirtschaftssystem der TM3 Software GmbH deckt als eigenständige Software oder in Verbindung mit einem ERP System die Prozesse der Beschaffung vollständig ab, siehe hierzu die Prozessschritte (2) in Grafik 2. Zudem unterstützt es durch die Annahme von Kundenaufträgen und Abwicklung der Faktura Vertriebsaktivitäten, siehe (3) in Grafik 2. Über die Funktionalität herkömmlicher Warenwirtschaftssystem hinausgehend, steuert die Software Lagerlogistikprozesse in manuellen Lagern und gibt beispielsweise über Bedienerterminals Kommissionierungsvorschläge für die Lagerarbeiter vor. Dadurch ist die Realisierung von Prozessschritt (7) in Grafik 2 möglich. Eine entsprechende Erweiterung des Systems ergab sich aufgrund dieser Untersuchung.
  • Optware entwickelt Systeme zur Optimierung von Prozessschritten der Produktionslogistik, zum Beispiel der Reihenfolgeplanung in der Fertigungssteuerung. Zwar können die Softwaremodule spezifische Probleme der Bedarfsplanung und der Fertigungssteuerung lösen, eine vollständige Steuerung dieser Prozessschritte ist damit aber nicht möglich.
  • Das Lagerverwaltungssystem (LVS) von Klug steuert den kompletten Lagerbetrieb und Güterumschlag, Ein- und Auslagerung durch Regalbediengeräte (RBG) und Kommissionierung (Bild 3). Als Leitsystem arbeitet ein LVS mit detaillierten Informationen und kennt zum Beispiel die Lagerorte der einzelnen Produkte, während ein PPS- oder ERP-System nur die Bestände kennt.
  • Die Integration, Automatisierung und Optimierung von Systemen in der Fertigung findet sowohl in PPS- oder ERP-Systemen als auch in FSS statt. Die FSS werden in der Regel von PPS- oder ERP-Systemen angesteuert. In den PPS- und ERP-Systemen findet häufig die Feinplanung statt, während sich ein FSS um die konkrete Ausführung der Produktion samt der Ansteuerung von Produktionsmaschinen kümmert. Das FSS von Systema deckt beide Bereiche ab.
  • Servicemodule der Initpro GmbH und TM3 Software GmbH: In vielen Unternehmen können Kunden Waren zurückgeben, reklamieren oder reparieren lassen. Deswegen wurde die ursprüngliche logistische Prozesskette zur Produktionsplanung und –Steuerung um einen Prozessschritt „Service“ erweitert, siehe Schritt (4) in Grafik 2. Dieser Schritt wird durch das Service- & Repairmanagementsystem der Initpro GmbH und dem Modul zur Retouren- und Reklamationsbearbeitung der TM3 Software GmbH abgedeckt.
  • Business Intelligence Anwendungen der TM3 Software GmbH und Initpro GmbH: Unternehmen sammeln viele Daten über Kunden, Produkte usw. Für ihre Auswertung haben sich Business Intelligence Werkzeuge etabliert. Solche Analysen erfolgen überwiegend nach der Auftragsabrechnung, so dass die ursprüngliche logistische Prozesskette um einen Prozessschritt „BI-Analysen“, siehe (5) in Grafik 2, erweitert worden ist, der durch Reporting Anwendungen der TM3 Software GmbH und Business Intelligence Module der Initpro GmbH abgedeckt wird.
  • Produktionslogistiksysteme der Optware GmbH: Die Optware GmbH entwickelt Systeme um die Prozessschritte der Produktionslogistik zu optimieren. Beispielsweise kann im Bereich der Fertigungssteuerung die Reihenfolgeplanung durch Optimierungsalgorithmen gesteuert werden. Mit den Softwaremodulen der Optware GmbH können spezifische Probleme der Bedarfsplanung und der Fertigungssteuerung gelöst und optimiert werden, siehe Schritte (6) in Grafik 2. Die vollständige Steuerung dieser Prozessschritte ist damit nicht möglich.

Nicht direkt dem oben aufgezeigten Prozess zuordnen lassen sich:

  • Das Lagerverwaltungssystem der Klug GmbH steuert den kompletten Lagerbetrieb und Güterumschlag. Dies schließt die Beladungsplanung, die Ein- und Auslagerung durch (fahrerlose) Regalbediengeräte und die Kommissionierung ein; es sei betont, dass dies weit über die Funktionalität des TM3 Systems in diesem Bereich hinausgeht. Deshalb arbeitet ein Lagerverwaltungssystem mit detaillierteren Informationen als ein ERP-System; beispielsweise arbeitet kennt es sogar die Lagerorte der einzelnen Produkte, während ein PPS- oder ERP-System nur die Höhen der Bestände kennt.
  • Aufgrund dieser Steuerung von Lagerlogistikprozessen handelt sich hierbei um ein sogenanntes Leitsystem, das heißt, um ein System das zwischen dem ERP-System und den physischen Anlagen liegt, welches Geräte ansteuert und Information an das ERP-System zurückgibt. Für eine weitergehende Erläuterung zu Leitsystemen sei auf das folgende Unterkapitel 3.1 verwiesen. Das darüber liegende ERP-System verwendet Daten dieser Steuerung, beispielsweise für die Erstellung von Bestellvorschlägen. Daher lässt sich dieses Lagerverwaltungssystem nicht direkt dem oben aufgezeigten Prozess eines PPS- oder ERP-Systems zuordnen. Es enthält bereits eine Komponente mit der der Prozessschritt (7) in Grafik 1 realisiert wird.
  • Fertigungssteuerungssystem der Systema GmbH: Die Integration, Automatisierung und Optimierung von Systemen in der Fertigung findet sowohl in PPS- oder ERP-Systemen als auch in Fertigungssteuerungssystemen statt. Die Fertigungssteuerungssysteme werden in der Regel von PPS- oder ERP-Systemen angesteuert. In den PPS- oder ERP-Systemen finden beispielsweise häufig die Feinplanung (Scheduling) statt, während sich ein Fertigungssteuerungssystem um die konkrete Ausführung der Produktion incl. der Ansteuerung von Produktionsmaschinen kümmert. Das Fertigungssteuerungssystem der Systema deckt beide Bereiche ab, weswegen mit ihm Prozessschritt 8 Grafik 1 realisiert wird. Bezogen auf den zweiten Teil handelt es sich, wie beim Lagerverwaltungssystem, um ein Leitsystem, welches nicht direkt dem oben aufgezeigten Prozess eines PPS- oder ERP-Systems zugeordnet werden kann.
  • Die Planung und Realisierung von Lager- und Fördertechnik durch die Klug GmbH erfolgt offensichtlich nicht in der operativen Produktionsplanung und -Steuerung.
  • Die Optimierung von Prozessen sowie die Entwicklung von Algorithmen und Parametern in der Bedarfsplanung, Ressourcenbelegungsplanung und weiterer komplexer Prozesse in der Produktionslogistik findet in dedizierten Projekten durch die Optware GmbH statt.
  • Die Simulation und Engpassanalyse komplexer Produktions- und Logistikprozesse durch die Simplan AG erfolgt ebenfalls durch dedizierte Projekte.
  • Emulation physischer Systeme durch die Simplan AG: Die Inbetriebnahme von neuen IT-Systemen ist gekennzeichnet durch ihre Einbindung in komplexe Systemlandschaften, die sowohl aus Software als auch aus physischen Systemen bestehen. Die Emulation einer solchen Systemlandschaft ermöglicht teilweise eine vorweggenommene Inbetriebnahme, wodurch sich die Inbetriebnahme der Systeme vor Ort verkürzen lässt und Schwachstellen schon im Entwicklungsprozess erkennbar werden.
  • Bild- und Videotechnik der Dallmeier KG: Bei der Ausführung von logistischen Prozessen ist es häufig sinnvoll und notwendig, Arbeitsvorgänge mit Bildmaterial zu dokumentieren um Fehler in den Prozessen aufdecken zu können oder ungerechtfertigte Regressansprüche widerlegen zu können. Beispielsweise kann durch das Fotografieren von Packstücken bei der Übergabe an eine Spedition die Unversehrtheit bei der Auslieferung belegt werden. Die Überwachung dieser Gefahrenübergänge und Verladezonen sowie von Gebäuden erfolgt im physischen Prozess und gehört nicht direkt zu dem oben aufgezeigten Prozess eines PPS- oder ERP-Systems.
  • RFID-Technik der Initpro GmbH: Über Lesegeräte werden direkt von Produkten, Werkstücken oder Packstücken RFID-Daten zu Identifikation von Produkten, Werkstücken oder Packstücken gelesen. Solche Daten werden in der Regel von einem Leitsystem verarbeitet und in der Regel in den von einem PPS- oder ERP-System unterstützten Prozessschritten verwendet.

Der operative logistische Prozess

Die Darstellung einer allgemeinen logistischen Prozesskette in Grafik 1 ist einer starken Fokussierung auf die Abläufe und die Funktionalität von kommerziell verfügbaren PPS- und ERP-Systemen geschuldet. Wie aus der Auflistung deutlich wird, befinden sich viele Systeme außerhalb der an einem ERP-System angelehnten Prozesse.

Es wird klar, dass eine vollständige logistische IT-Prozesskette konzeptionell mehr leisten muss, als die in Grafik 1 dargestellte Prozesskette. Folglich ist der oben dargestellte Prozess um die Systeme zu ergänzen, die unterhalb der ERP-Systeme liegen; also in diesem Fall das Lagerverwaltungssystem und das Fertigungssteuerungssystem.

Darüber hinaus kann auch eine Steuerung von Lieferfahrzeugen in der Transportlogistik sinnvoll sein. Diese Systeme zur IT-gestützten Steuerung physischer Einrichtungen werden in der Literatur unter dem Begriff Leitsysteme zusammengefasst.

ERP-Systeme und Leitsysteme unterscheiden sich

Die Unterscheidung zwischen ERP-Systemen und Leitsystemen kann folgendermaßen getroffen werden. Als ERP-Systeme werden integrierte betriebswirtschaftliche Standardsoftware-Pakete bezeichnet, die nahezu alle Aufgabenbereiche und Prozesse innerhalb des Unternehmens unterstützen, wie Beschaffung, Produktion, Vertrieb, Rechnungswesen und Personalwirtschaft. Im Vordergrund steht das Zusammenspiel oder die Integration der verschiedenen Aufgaben durch eine zentrale Datenbank, wodurch Datenredundanzen vermieden und abteilungsübergreifende Geschäftsprozesse unterstützt werden [AbMü04].

Demgegenüber ist das Produktionslogistik-Leitsystem einerseits ein Konzept zur Produktionsorganisation und –steuerung, andererseits werden unter diesem Begriff aber auch die einzelnen Komponenten und technische Elemente (der Informationstechnologie) zusammengefasst, die erforderlich sind um dieses Konzept praktisch umzusetzen [Pawe07]; für ein Leitsystem zu Lagerprozessen gilt sinngemäß das Gleiche.

Leitsystem verbindet physische Ebene und ERP-System

Das Leitsystem kann somit als Verbindung zwischen der Ebene der ERP-Systeme und der physischen Ebene gesehen werden. Es führt Prozessschritte, die im ERP-System grob definiert sind, detailliert aus, steuert beispielsweise Lagereinrichtungen und Fertigungsmaschinen an und liefert Informationen aus dem eigenen System und ggf. aus der physischen Ebene an das ERP-System zurück.

Die Systemlandschaft aus ERP-Systemen, Leitsystemen und physischen Systemen kann in einem produzierenden Unternehmen wie in Grafik 3 dargestellt werden.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass für die Unterstützung eines vollständigen logistischen Prozesses von der Produktionsprogrammplanung oder dem Eintreffen von Kundenaufträgen bis zur Auslieferung an den Kunden und die Faktura neben den Prozessschritten in den ERP-Systemen auch Prozessschritte in den Leitsystemen durchlaufen werden müssen, sowie die physischen Anlagen im Lager, der Produktion und dem Transport entsprechend zu berücksichtigen sind.

Video und RFID überwachen physische Systeme für die Leitsysteme

Fertigungssteuerungssysteme, Lagerverwaltungssysteme und Einrichtungen zur Steuerung von Lieferfahrzeugen (beispielsweise über On-Board-Units) schlagen auf der Leitsystemebene eine Brücke von den ERP-Systemen zu den physischen Systemen.

Auf einer physischen Ebene sind entsprechend in erster Linie Lager- und Fördereinrichtungen, (Fertigungs-) Maschinen und Lieferfahrzeuge über die Equipmentsteuerung und Produktionsautomatisierung in die Systemlandschaft zu integrieren. Abgerundet wird eine Ebene der physischen Systeme durch ihre automatisierte Überwachung durch RFID und Videotechnik. Die Berücksichtigung einer Leitsystemebene und einer physischen Ebene im Logistikprozess ist in der nachfolgenden Grafik 4 dargestellt. Damit liegt eine Prozesskette für die operativen Produktionsplanung, -steuerung und -ausführung vor.

Erweiterung der operativen Produktionsplanung und -Steuerung

Wie aus den oben aufgelisteten Kompetenzen deutlich wird, sind in der operativen logischen Systemlandschaft in

Grafik 4 noch nicht alle Kompetenzen vorhanden. Mit der dargestellten logistischen Prozesskette ist jedoch eine vollständige Umsetzung möglich. Das wirft die Frage auf, wie sich die übrigen Kompetenzen in die Logistik eingliedern. Nicht im operativen logistischen Prozess eingeordnet sind bislang:

  • die Planung und Realisierung von Lager- und Fördertechnik;
  • die Optimierung von Prozessen, Algorithmen und Parametern;
  • die Simulation und Engpassanalyse von Produktions- und Logistikprozessen;
  • die Emulation physischer Systeme;

Teilweise werden diese Aufgaben durch Projekte mit einer mittel- und teilweise sogar langfristigen Laufzeit durchgeführt. Die mittlere (oder hohe) Managementebene ist involviert und die Bedeutung für das Gesamtunternehmen ist entsprechend hoch. Daher handelt es sich um taktische Projekte.

Die Unterscheidung zwischen der taktischen und der operativen Ebene wird hier folgendermaßen getroffen. Das taktische Produktionsmanagement soll dazu beitragen, die in der strategischen Entscheidungsebene gesetzten Ziele schrittweise zu verwirklichen und die angestrebte Leistungsstärke nachhaltig aufzubauen. Dies geschieht vor allem durch die Umgestaltung und Weiterentwicklung der Produktionsinfrastruktur.

Produktionsmanagement muss Leistungspotenziale ausschöpfen

Typische taktische Fragestellungen sind die Dimensionierung der Produktionskapazitäten und die Layoutplanung. Dem Gegenüber besteht die Hauptaufgabe des operativen Produktionsmanagements darin, zur Ausschöpfung jener Leistungspotenziale beizutragen, die zuvor durch die Entscheidungen der taktischen Planungsebene geschaffen wurden.

Hierzu sind beispielsweise Produktionsprogramme zur wirtschaftlichen Nutzung der Kapazitäten aufzustellen [GüTe07]. Somit werden die Rahmenbedingungen für die operativen Prozesse auf der taktischen Ebene geschaffen. Im Umkehrschluss dienen die vorhandenen Vorgehensweisen auf der operativen Ebene als Ausgangsbasis für die Planungen im taktischen Bereich.

Logistik-IT muss taktische Aufgaben in logistische Prozesskette integrieren

Um taktische Aufgaben in die logistische Prozesskette integrieren zu können, wird eine taktische Ebene eingeführt (siehe Grafik 5). In diesen erweiterten Prozess werden die oben genannten Aufgaben wie folgt eingeordnet.

Die Simulation wird in der Regel zur Bewertung von bevorstehenden Aufgaben der Produktions- oder Logistiksystemplanung und zur Beantwortung von vorab festgelegten Fragestellungen eingesetzt. Die Simulationen können und müssen dabei alle Feinheiten des Produktions- oder Logistiksystems abdecken.

Durch realitätsnahe Vorhersagen können in der Projektphase Prozessalternativen gegenübergestellt und bewertet werden. Die Engpassanalyse ist ein spezifisches Teilproblem der Simulation. Folglich handelt es sich um eine taktische Aufgabe.

Auch die Projekte zur Entwicklung von Algorithmen und Parametern in der Bedarfsplanung, Ressourcenbelegungsplanung und zur Optimierung von Prozessen erfüllen die Kriterien an einer taktischen Fragestellung.

Lagerlogistiksysteme ergänzen Prozessunterstützung auf taktischer Ebene

Abgerundet wird die Prozessunterstützung auf der taktischen Ebene durch die Planung und Projektierung von Lagerlogistiksystemen. Die Planung beginnt mit der Erfassung und Analyse von Artikelstrukturdaten, Auftragsdaten und Materialflussdaten. Darüber hinaus spielt die Analyse von Geschäftsprozessen und Organisationsstrukturen eine wichtige Rolle. Darauf aufbauend werden anschließend komplexe Lagerlogistiksysteme geplant und (als Generalunternehmer) ganz oder teilweise durchgeführt.

Die Emulation physischer Systeme im Rahmen der Softwareentwicklung wurde in der Grafik 5 der operativen Ebene zugeordnet. Diese findet zwar nicht im tatsächlichen operativen Prozess statt, kann aber als ständige Aufgabe angesehen werden, um Änderungen in den ERP-Systemen und den Leitsystemen in einer geeigneten Umgebung testen zu können, weswegen sie nicht die oben genannten Kriterien an einer taktischen Aufgabe erfüllt.

Ein Überblick über die vorgestellten logistischen Prozesse auf der taktischen und der operativen Ebene ist in Grafik 5 dargestellt.

Logistiksoftware muss Regelkreis zwischen taktischer und ausführender Ebene schaffen

Nach diesen Überlegungen macht die taktische Ebene Vorgaben für die untergeordnete operative und ausführende Ebene. Können diese nicht erfüllt werden, so bietet es sich an, die durch die taktische Ebene geschaffenen Rahmenbedingungen anzupassen. Die in Grafik 5 angegebenen Pfeile deuten an, dass dies durch einen Regelkreis geschehen könnte.

Es sei betont, dass hierzu erhebliche Weiterentwicklungen notwendig sind, die weit über die Funktionalität hinausgeht, die von den acht Unternehmen angeboten wird. Das prinzipielle Konzept eines solchen Regelkreises und vor allem die damit verbundenen erheblichen Schwierigkeiten bei ihrer Umsetzung wird beispielsweise in [Neum96] und in [Reu06] erläutert.

Einordnung der Unternehmen

Bei der Untersuchung der acht Unternehmen aus dem Raum Regensburg wurde als Folge der Prozessdarstellung die Einordnung der Unternehmen in die Schritte der logistischen Prozesse vorgenommen.

  • Auf der taktischen Ebene wird die Beratung und Simulation, sowie die Engpassanalyse in der Produktion und Logistik von der Simplan AG erbracht. Die Optimierung von Prozessen, Algorithmen und Parametern erfolgt durch die Optware GmbH. Die Klug GmbH führt die Planung, Projektierung und Realisierung komplexer Lagersysteme durch. Die taktische Ebene kann somit vollständig abgedeckt werden.
  • Auf der operativen Ebene kann bei den Leitsystemen das Fertigungssteuerungssystem von der Systema GmbH gestellt werden. Im Bereich der Lagerverwaltungssysteme ist bei der Klug GmbH hohe Kompetenz vorhanden. Für manuelle Lager stehen hier zudem Lösungen der TM3 Software GmbH zur Verfügung. Die Steuerung von Lieferfahrzeugen ist über On-Board-Units in LKW´s durch die Optitool GmbH möglich.
  • Auf der physischen Ebene kann die Equipmentsteuerung oder Produktionsautomatisierung durch die Softwarelösungen auf der Leitsystemebene vollständig abgedeckt werden. Lösungen zur automatisierten Datenerfassung mittels RFID-Technik können von der Initpro GmbH zur Verfügung gestellt werden. Die Überwachung von Gefahrenübergängen, Produktions- und Lagerstätten kann durch die Dallmeier KG erfolgen.
  • Auf der ERP-Ebene können die Schritte der Beschaffungslogistik (Bestellanforderung, Bestellung, Wareneingang und Rechnungsprüfung) und Schritte des Vertriebs (Kundenauftragsbearbeitung, Faktura, Retouren- und Reklamationsbearbeitung) von der TM3 Software GmbH in einem Warenwirtschaftssystem abgebildet werden. Reporting- und Business Intelligence Anwendungen stehen sowohl von der TM3 Software GmbH als auch von der Initpro GmbH zur Verfügung. Die Initpro GmbH verfügt zudem über ein Service- & Repairmanagementsystem. Das Tourenplanungs- und Tourenoptimierungssystem der Optitool bildet die Prozessschritte der Lieferung auf der ERP-Ebene vollständig ab. Die Fertigungssteuerung kann auf der ERP-Ebene durch Anwendungen der Systema GmbH unterstützt werden. Hinzu kommen die Optimierungslösungen für die Fertigungssteuerung und Bedarfsplanung durch die Optware GmbH.

Wie aus dieser Auflistung hervorgeht, können im operativen Bereich auf der Leitsystemebene und der physischen Ebene relevante Problemstellungen der Logistik durch die acht Unternehmen gelöst werden. Differenzierter gestaltet sich der Bereich der ERP-Systeme. Hier können weite Teile ideal abgedeckt werden.

Jedoch können mit der derzeit vorhandenen Software einige Prozessschritte der Produktionslogistik nicht abgedeckt werden. Die vollständige Unterstützung der Produktionsprogrammplanung, der Bedarfsplanung und die Auftragsabrechnung sind derzeit nicht möglich.

Netzwerk für innovative Logistik bündelt Logistikkompetenz

Aus der Untersuchung der acht Unternehmen ging hervor, dass es sich um ein recht heterogenes Produktportfolio handelt, aber große Teile der Logistik mit hoher Kompetenz umsetzt werden können. Aus diesem Grund schlossen sich die acht Unternehmen zum Netzwerk für innovative Logistik (NIL) zusammen.

Das Ziel des Netzwerkes ist es, gegenüber (potentiellen) Kunden als Lösungspartner für alle Fragestellungen entlang der logistischen Prozesskette zur Verfügung zu stehen, Produkte und Dienstleistungen gemeinsam anzubieten und sich somit gegenseitig Märkte zu erschließen. Hierfür ist langfristig geplant die bestehende Software der Netzwerkpartner mittels einer Serviceorientierten Architektur (SOA) in einer geeigneten Technologieplattform zu verknüpfen. Dadurch soll es gelingen die logistische Prozesskette innerhalb eines Unternehmens vom Lieferanten bis zum Empfänger zu steuern.

Auch kleinere Unternehmen können ganzheitliche Logistiksysteme anbieten

Auf der Grundlage der Erkenntnisse aus der Prozessbeschreibung wurden Szenarien entworfen, wie mit der vorhandenen Software integrierte IT-Logistikprodukte am Markt angeboten werden können. Es haben sich drei Szenarien herauskristallisiert, wie mit den vorhandenen Produkten oder unter Hinzuziehung eines externen ERP-Produkts ganzheitliche Logistik möglich erscheinen.

In den folgenden Unterkapiteln wird je ein Anwendungsszenario für Handelsunternehmen und für Industriebetriebe betrachtet sowie ein Szenario mit einem externen ERP-System dargestellt. In allen drei Szenarien sind die Elemente der taktischen Planung identisch. Diese wurden in Kapitel 3.2 bereits erläutert und bleiben im Nachfolgenden unkommentiert.

Anwendungsszenario für Handelsunternehmen

Als erstes wird ein Anwendungsszenario betrachtet, bei dem die Produkte der NIL-Unternehmen die logistischen Prozesse in einem Handelsunternehmen unterstützen sollen. Wie in Grafik 6 aufgezeigt ist, können hier die klassischen ERP-Funktionen wie etwa Beschaffungswesen, Kundenauftragsabwicklung und Faktura durch das Warenwirtschaftssystem der TM3 Software GmbH abgewickelt werden. Darüber hinaus ist in diesem System ein Portal für die Retouren- und Reklamationsbearbeitung integriert. Ergänzt wird der Funktionsumfang auf der ERP-Ebene durch die Tourenplanung der Optitool GmbH.

Darunter befindet sich das Lagerleitsystem der Klug GmbH, welches in der Regel die Bestandsführung übernimmt. Das Lagerleitsystem führt Prozesse detailliert aus und steuert unter anderem die Lager-, Förder- und Kommissionierungstechnik auf der physischen Ebene. Komplettiert wird das System auf der physischen Ebene durch die Videoüberwachung am Gefahrenübergang durch die Dallmeier KG und die RFID-Datenerfassung der Initpro GmbH.

Das gesamte Szenario lässt sich somit wie in der folgenden Grafik 6 dargestellt visualisieren. Das Lagerverwaltungssystem der Klug GmbH nimmt dabei in diesem Szenario eine zentrale Stellung ein. Alle anderen Systeme kommunizieren hier ausschließlich mit dieser Software.

Ergänzend sei angemerkt, dass die Integration weiterer Anwendungen denkbar ist, beispielsweise etwa die Kopplung eines Business Intelligence Moduls der Initpro GmbH.

Anwendungsszenario für Industrieunternehmen

Als weiteres Szenario ist die Unterstützung der Logistik in einem produzierenden Unternehmen vorstellbar. Sofern die Prozesse auf der ERP-Ebene durch Software der NIL-Unternehmen abgedeckt werden sollen, muss das Warenwirtschaftssystem der TM3 Software GmbH um Module zur Produktionslogistik erweitert werden. Während die Fertigungssteuerung dabei von der Systema GmbH unterstützt werden kann, sind für die Produktions- und Bedarfsplanung sowie die Auftragsabrechnung Komponenten neu zu entwickeln oder müssen zugekauft und integriert werden (siehe fett umrandete Elemente in Grafik 7). Abgerundet wird die ERP-Funktionalität in diesem Szenario durch das Service- und Repairmanagement sowie die Business Intelligence Module der Initpro GmbH und die Tourenplanung der Optitool GmbH.

Unterhalb des ERP-Systems befinden sich auf der Leitsystemebene die Lagerverwaltung der Klug GmbH sowie ein Fertigungssteuerungssystem, das von der Systema GmbH konfiguriert werden kann. Das Fertigungssteuerungssystem managt dabei die Produktion, steuert Fertigungsmaschinen an und ruft Daten von diesem ab und integriert sie. Zudem kann eine Kopplung zur RFID-Datenerfassung der Initpro GmbH vorhanden sein.

Lagerverwaltungssystem mit RFID-Datenerfassung verbunden

Das Lagerverwaltungssystem der Klug GmbH führt wie im obigen Szenario Lagerprozesse detailliert aus und steuert unter anderem die Lager-, Förder- und Kommissionierungstechnik auf der physischen Ebene. Darüber hinaus ist das System ebenfalls mit der RFID-Datenerfassung der Initpro GmbH verbunden.

Komplettiert wird das System auf der physischen Ebene durch die Videoüberwachung am Gefahrenübergang der Dallmeier KG, welches an das Lagerleitsystem der Klug GmbH gekoppelt ist sowie insbesondere durch die Ansteuerung einer beliebigen Anzahl an Fertigungsmaschinen sowie einer allgemeinen Produktionsautomatisierung.

Das gesamte Szenario ist in der Grafik 7 dargestellt. Auch hier nimmt analog zum obigen Szenario die Leitsystemebene eine zentrale Stellung ein, welche sich hier jedoch in die zwei Systeme Lagerverwaltungssoftware und Fertigungssteuerungssystem gliedert.

Auch zwischen diesen beiden Systemen sind Kopplungen denkbar, beispielsweise um Informationen über die Kommissionierung aus der Lagerverwaltung bereits in das Scheduling oder Dispatching im Fertigungssteuerungssystem einfließen zu lassen. Diese Integrationsmöglichkeiten wurden hier jedoch außer Acht gelassen.

Anwendungsszenario mit externem ERP Produkt

Aus dem obigen Szenario geht hervor, dass es im NIL nicht möglich ist auf der Ebene der ERP-Systeme ausschließlich mit eigenen Produkten alle Bereiche eines produzierenden Unternehmens abzudecken. Diese Tatsache und der Umstand, dass in den meisten Unternehmen bereits ERP-Software vorhanden ist, die nur schwer verdrängt werden kann, lässt die Frage aufkommen, wie sich die Kooperation innerhalb des Netzwerkes darstellen könnte, wenn ein externes Unternehmen das ERP-System liefert.

Dabei wurde in der Grafik 8 als ERP-System eine Standardsoftware wie etwa SAP ERP, Sage ERP oder Microsoft Dynamics angenommen. Diese kann aber, je nach Bedarf des Kunden, mit jeder anderen ERP-Software substituiert werden.

Standard-ERP-System um Logistik-Funktionen ergänzen

In einem solchen Szenario, welches in Grafik 8 dargestellt ist, ist sämtliche ERP-Funktionalität in einem ERP-System gebündelt und kann durch die Tourenplanung der Optitool GmbH und weiteren Anwendungen ergänzt werden. Beispielsweise ist, wie in der Visualisierung dargestellt, eine Kopplung zu einer Business Intelligence Anwendung der Initpro GmbH denkbar. Genauso könnte jedoch die Retouren- und Reklamationsbearbeitung der TM3 Software GmbH oder das Service- und Repairmanagement der Initpro GmbH an das externe ERP-System gekoppelt werden.

Unterhalb des ERP-Systems befinden sich auf der Leitsystemebene wieder die Lagerverwaltung der Klug GmbH und das von der Systema GmbH konfigurierte Fertigungssteuerungssystem. Um diese beiden Leitsysteme reihen sich wiederum die Systeme auf der physischen Ebene, also die Produktions-, Lager-, Förder- und Kommissionierungseinrichtungen, sowie die Videoüberwachung der Dallmeier KG und die RFID-Datenerfassung der Initpro GmbH. Diese physischen Einrichtungen interagieren ausschließlich mit der Leitsystemebene, also dem Lagerverwaltungssystem und dem Fertigungssteuerungssystem.

Auch in einem solchen Szenario können weitere Koppelungen auf der Leitsystemebene stattfinden. Interessant erscheint die in Grafik 8 illustriert Koppelung zwischen dem Lagerverwaltungssystem und dem Fertigungssteuerungssystem, die Fertigung Produkte aus dem Lager benötigt und Fertigprodukte ins Lager liefert.

Spezielle Logistik-Software lässt sich zu IT-System für die ganze Logistikkette bündeln

Die Ausarbeitung beschreibt exemplarisch die prozessorientierte Verbindung von Speziallösungen in der Logistik zur Steuerung eines produktionslogistischen Prozesses, der klassische ERP-Funktionalitäten, eine Leitebene und eine taktische Ebene umfasst. Mit den vorgestellten Anwendungsszenarien dürften die Unternehmen ihrem Ziel deutlich näher kommen, nach dem sie gegenüber (potenziellen) Kunden als Lösungspartner für alle Fragestellungen entlang der logistischen Prozesskette zur Verfügung stehen, Produkte und Dienstleistungen gemeinsam anbieten und sich somit gegenseitig Märkte erschließen. Interessant ist die Verbindung auch deswegen, weil sie zusätzliche Funktionalitäten ermöglicht, die in weitergehenden Studien erforscht werden sollen.

Literatur

[AbMü04] Abts, Dietmar; Mülder, Wilhelm: Grundkurs Wirtschaftsinformatik. Vieweg Verlag, Wiesbaden, 2004.

[GüTe07] Günther, Hans-Otto; Tempelmeier, Horst: Produktion und Logistik. Springer Verlag, Heidelberg, 2007.

[Hung04] Hungenberg, Harald: Strategisches Management in Unternehmen. Ziele - Prozesse – Verfahren. Gabler Verlag, Wiesbaden, 2004.

[HeBu10a] Herrmann, Frank; Burgmayr, Georg: Detaillierter Funktionsumfang der IT-Systeme im Netzwerk für innovative Logistik. Interner Bericht, Regensburg, 2010.

[HeBu10b] Herrmann, Frank; Burgmayr, Georg: Integration der IT-Systeme im Netzwerk für innovative Logistik durch eine SOA-Architektur. Interner Bericht, Regensburg, 2010.

[Neum96] Neumann, Klaus: Produktions- und Operationsmanagement. Springer Verlag, Karlsruhe, 1996.

[Pawe07] Pawellek, Günther: Produktionslogistik. Carl Hanser Verlag, München, 2007.

[Reu06] Reusch, Pascal: Effiziente Lösung komplexer Produktionsplanungsprobleme. Dissertation, Universität Duisburg-Essen, 2006.

* Professor Dr.-Ing. Frank Herrmann leitet das Innovationszentrum für Produktionslogistik und Fabrikplanung (IPF) an der Hochschule in 93053 Regensburg; Dipl.-Wirt.-Inf. (FH) Georg Burgmayr ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter.

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