Hochregallager In Osnabrück steht eine gigantische Tiefkühl-„Truhe“

Von Reinhard Irrgang

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Im Juli 2021 hat die Conditorei Coppenrath & Wiese ihr neues Tiefkühl-Hochregallager in Betrieb genommen. Die als Multiflex-System auf zwölf Lagerebenen realisierte Anlage mit 20.000 Palettenstellplätzen setzt auf raumsparenden, flexiblen Shuttle-Betrieb in den Lagerkanälen und ermöglicht mit 200 Doppelspielen pro Stunde sehr hohe Durchsätze.

Erweiterte Logistikkapazitäten: Das neue Tiefkühl-Hochregallager der Conditorei Coppenrath & Wiese bietet 20.000 Palettenstellplätze.
Erweiterte Logistikkapazitäten: Das neue Tiefkühl-Hochregallager der Conditorei Coppenrath & Wiese bietet 20.000 Palettenstellplätze.
(Bild: MFI, Dambach)

Die Conditorei Coppenrath & Wiese (CCW) produziert in Mettingen tiefgefrorene Konditoreiwaren sowie Brötchen und Dessertspezialitäten. Der führende Hersteller von Tiefkühlbackwaren auf dem deutschen Markt erwirtschaftete im Jahr 2020 einen Umsatz von rund 440 Millionen Euro.

In Mettingen werden auf mehr als 25 Produktionslinien Tiefkühl-(TK-)Produkte hergestellt, verpackt und palettiert. Die fertigen Paletten werden anschließend per Shuttle-Lkw mit automatischer Be- und Entladung zum Logistikzentrum in das rund 15 Kilometer entfernte Osnabrück-Atter transportiert.

Aufgrund der positiven Geschäftsentwicklung, die zu einer Erweiterung der Produktionskapazitäten geführt hatte, galt es am Logistikstandort Kapazitätsengpässe zu beheben. Daher wurde dort zusätzlich zu den fünf bereits vorhandenen TK-Hochregallagern eine weitere, intern als „Tiefkühl-Hochregallager 6 (TK-HRL 6)“ bezeichnete, Anlage errichtet.

Wie in einer Vorabstudie ermittelt, sollte unter Berücksichtigung der gebäudetechnischen Möglichkeiten und festgelegten Maße aus dem Bebauungsplan eine höhere Stellplatzkapazität als bei den bisher eingesetzten Systemen mit Regalbediengeräten (RBG) für den Einzelplatzzugriff realisiert werden. Ein Kanallagersystem mit Shuttles auf jeder Lagerebene erfüllt die Anforderungen an die hohe Lagerkapazität und Dynamik am besten.

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Im Rahmen dieses Projektes hat das herstellerunabhängige Planungs- und Beratungsunternehmen CIC Concept Industrie Consult gemeinsam mit Coppenrath & Wiese die Anforderungen und das Lagerkonzept erarbeitet. CIC hat sich auf die Konzeption, Planung und Umsetzung von Logistikprojekten und in diesem Kontext auch auf die Planung automatischer TK-Hochregallager sowie zugehörige Prozessberatung spezialisiert und betreut Coppenrath & Wiese seit 1994 bei derartigen Fragestellungen.

Die Planung resultierte in einem auf -25 Grad Celsius temperierten, sauerstoffreduzierten Multiflex-Tiefkühl-HRL mit zwölf Ebenen. Eingelagert werden 1.200 Millimeter × 800 Millimeter große Europaletten und Industriepaletten mit den Maßen 1.200 Millimeter × 1.000 Millimeter, die jeweils bis zu 1.000 Kilogramm wiegen können.

Wie Andreas Beckmann, Bereichsleiter Engineering & Haustechnik bei Conditorei Coppenrath & Wiese, erläutert, ist das neue TK-HRL rund 85 Meter lang, 34 Meter breit und 33 Meter hoch. Mit seinen 20.000 Palettenstellplätzen bietet es 5.000 Plätze mehr als das bereits bestehende, ebenso große Lager, das allerdings per RBG bedient wird.

Mit der Realisierung des TK-HRL wurde die MFI GmbH, Benningen, beauftragt. Das Unternehmen ist Experte für die Lebensmittelbranche und verfügt über eine eigene Fertigung. MFI lieferte die gesamten Intralogistiksysteme, wobei Dambach Lagersysteme als Lieferant für die Fördertechnik, das Shuttle-System und die Lagerlifte sowie die Montage der Systeme agierte. Zum Leistungsumfang von MFI zählten zudem die Elektroinstallation, die Anlagensoftware, der Materialflussrechner und die Abstimmung zur Ausführung des Stahlbaus, den die Firma Kocher installiert hat.

Wie Uwe Dobler, Projektleiter beim Generalunternehmer MFI, ausführt, war zum einen die MFI-eigene Software EDY für die Entscheidung pro MFI ausschlaggebend: „Wir verfügen mit unserem Dreischichtenmodell aus Lagerverwaltung, Materialflussrechner und Automatisierung über eine 20-jährige Expertise. Zudem haben wir mit unserer eigenen Konstruktionsabteilung die Layout-Hoheit bei diesem Projekt. Und da wir für den Mutterkonzern von Coppenrath & Wiese, die Dr. August Oetker KG, bereits mehrere Projekte durchgeführt haben, kennt man dort unsere Leistungsfähigkeit.“

Ein Shuttle-Kanallager mit 20.000 Palettenstellplätzen

Auch Dambach Lagersysteme verfügt über eine langjährige und weitreichende Expertise, so Vertriebsleiter Jörg Marx: „In der Lagerautomatisierung haben wir über 45 Jahre Erfahrung, die wir in alle Projekte einfließen lassen. Das hier verwendete Shuttle haben wir bereits mehr als 500 Mal eingesetzt, und zwar unter rauesten Bedingungen im 24-Stunden-Betrieb.“

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Die Produkte und Systeme beider Unternehmen sind für Einsätze in TK-Umgebungen sehr gut geeignet. „Alle Produkte im Hause Dambach sind ausnahmslos auch für den TK-Einsatz konzipiert und auf solche rauen Anforderungen gründlichst getestet“, betont Marx. „Notwendige Anpassungen waren letztlich nur hinsichtlich der Gebäudestruktur des TK-HRL erforderlich, die wir aufgrund der adaptiven Baukastenstruktur unserer Produkte sehr einfach umsetzen konnten. Wir halten die Produktvielfalt so niedrig wie möglich gemäß unserem Credo ,Keep it simple‘, was gleichzeitig eine hohe Flexibilität ermöglicht.“

Komplettanbieter

Bei MFI bekommen Kunden innovative, effiziente und maßgeschneiderte intralogistische Anlagen und Robotersysteme für ihre Anforderungen. MFI steht dabei für eine reibungslose Realisierung als fester Ansprechpartner für die gesamte Wertschöpfungskette zur Verfügung – von der Konzeption über das Engineering, die Fertigung und Inbetriebnahme bis hin zum After- Sales-Service. Am Hauptsitz in Benningen am Neckar sowie in den Niederlassungen in Arnstadt, Dresden, Neubrandenburg und Hildesheim arbeiten etwa 110 Personen. Als Teil der internationalen Unternehmensplattform SCIO Automation sorgt MFI für die Smart Factorys von morgen.

„TK-Umgebungen erfordern spezielle Materialien und Panels sowie spezielle Installationstechniken“, so Uwe Dobler. „Wir verfügen über entsprechende Realisierungserfahrungen und unsere Standardprodukte sind bereits so designt, dass sie sich leicht für TK-Einsätze anpassen lassen.“ Zu den besonderen Anforderungen an die Anlage zählten die höchstmögliche Lagerdichte, die es trotz der begrenzten Fläche von knapp 3.000 Quadratmetern und der vorgegebenen Gebäudestruktur zu erreichen galt, die hohe Lagerleistung mit 200 Ein- und Auslagerungen pro Stunde sowie die hohe Verfügbarkeit.

Ausgeführt ist das TK-HRL daher in Silobauweise als Kanallager mit Shuttle-Fahrzeugen auf jeder Regalebene. Eine Lagerebene wird symmetrisch durch den Carrier und seine Fahrschiene geteilt. Auf der rechten wie der linken Seite des Carriers sind je 52 Kanäle installiert, die jeweils 16 Europaletten aufnehmen. Somit beträgt die Lagerkapazität pro Ebene 1.664 Europaletten und für das gesamte HRL 19.968 Paletten.

„Unschlagbar hohe Lagerdichte des Multiflex-Lagers“

Weder die hohe Lagerleistung noch die große Kapazität und Lagerdichte hätten sich mit einem konventionellen, per RBG bedienten HRL realisieren lassen, wie die Experten von Dambach Lagersysteme und MFI bestätigen. „Die geforderte Durchsatzleistung im Zusammenhang mit dem verfügbaren Bauraum war für die Wahl der Multiflex-Lösung ausschlaggebend, die aus den Carriern, den Shuttles und der integrierten Steuerung besteht“, so Jörg Marx. Für die Leistung von rund 200 Doppelspielen pro Stunde wären andernfalls „mindestens sechs RBG erforderlich gewesen“, betont der Experte.

Zudem ist die mit dem Shuttle-System erreichte hohe Lagerdichte des Multiflex-Lagers „unschlagbar“. Auch das zu kühlende HRL-Raumvolumen wird bei der platzsparenden Shuttle-Lösung stark reduziert, was von vornherein signifikante Energieeinsparungen bewirkt. Erhöht werden diese zudem durch das sehr gute Leistungs-Gewichts-Verhältnis der Carrier mit Shuttles: Während „große RBG bis zu 30 Tonnen wiegen, bewegen wir mit einem 1.000 Kilogramm schweren Fahrzeug – Carrier und Shuttle – eine Ladung von ebenfalls 1.000 Kilogramm“, betont Marx.

Auch laut Dobler ist das Shuttle-Lager die optimale Lösung, „um die vom Kunden gewünschte bestmögliche Packungsdichte und die geforderten 400 Palettenbewegungen pro Stunde zu erzielen“.

200 Ein- und Auslagerungen pro Stunde

Die über Stromschienen betriebenen Carrier tragen je ein Shuttle, das die Verbindung zum jeweiligen Kanal herstellt. Jedes der autonom fahrenden Shuttles kann bis zu 1.000 Kilogramm schwere Paletten aufnehmen.

Marx erläutert das Zusammenspiel von Carrier und Shuttle in dem mehrfachtiefen Kanallager des Multiflex-Systems: „Der Carrier transportiert das Shuttle ,huckepack‘ zum jeweils gewünschten Kanal. Dieses fährt selbstständig in den Kanal ein, nimmt dort eine Palette auf oder gibt eine ab und fährt wieder zurück zum Carrier. Dieser fährt mit Shuttle und Palette zum Lift, der die Palette auf die gewünschte Ebene transportiert.“

Die Anbindung der zwölf Lagerebenen geschieht über zwei Einlager- und zwei Auslagerlifte. Diese hochdynamischen Systeme stellen das zentrale Element der Lagervorzone dar und ermöglichen die hohe Durchsatzleistung von 400 Lagerbewegungen pro Stunde.

Jeweils ein Liftpaar wird über einen Achsverbund betrieben und speist sich auf diese Weise wechselseitig die generatorische Energie zu.

Der Wareneingang wird über ein bereits eingeführtes Lkw-Shuttle realisiert, das die in Mettingen produzierten Produkte zum Logistikzentrum transportiert. Ein Ampelsystem signalisiert dem Fahrer die Möglichkeit der automatischen Entladung. Beim Start öffnet sich automatisch eine Schleuse und die direkt angeschlossene Fördertechnik nimmt zeitsparend die komplette Ladung des angedockten Lkw, die aus zwei Reihen zu je 17 Paletten besteht, in der TK-Vorzone auf. Pro Stunde können vier Lkw entladen werden, das entspricht einem stündlichen Wareneingang (WE) von 136 Paletten.

Multifunktionale, hochleistungsfähige Fördertechnik

Die Fördertechnik in der Lagervorzone ist multifunktional konzipiert: Sie verbindet Wareneingang, Liftsysteme, Versandbereitstellung und das Bestandslager TK 5. Über sie sind Ein- und Auslagerungen, Umlagerungen, Rücklagerungen und Bypass-Funktionen realisiert.

Die Ware wird über einen I-Punkt identifiziert und über zwei Einlagerschleusen in das HRL transportiert. Dort wird sie über zwei Lagerlifte eingelagert oder, wie Dobler erläutert, über „einen Bypass direkt zum Warenausgang transportiert, sofern der Kunde dieses Cross-Docking von Ganzpaletten wünscht“.

Die einzelnen Lagerkanäle werden möglichst sortenrein gefüllt, also kommen etwa Brötchen zu Brötchen und Torten zu Torten. Zudem „schläft das Lager nicht, sondern arbeitet durch“, betont Dobler, denn über Nacht werden die Touren für den Folgetag in der benötigten Auslieferreihenfolge zusammengestellt. All dies geschieht vollautomatisch.

Über zwei weitere Lifte werden die Waren ausgelagert und über die Fördertechnik in die Versandbereitstellung transportiert, wo sich der Bypass wieder mit dem Hauptwarenstrom trifft. Zudem kann bei Bedarf Ware aus dem benachbarten Lager zum Versandbereich des neuen TK-HRL transportiert werden.

In der Versandbereitstellung werden sechs Lkw-Rampen über drei Verladeschleusen angedient. Hinter diesen sind zwei Verteilwagen mit zwölf Bereitstellungsbahnen gekoppelt, auf denen die Lkw-Touren in der Reihenfolge der zu beliefernden Orte sortiert werden.

All diese komplexen, optimal organisierten Intralogistikprozesse bilden die Voraussetzung für die exakt getaktete Belieferung der Kunden mit den begehrten Produkten von Coppenrath & Wiese.

Hochprofessionelle Kooperation der Realisierungspartner

Die Kooperation von MFI und Dambach Lagersysteme verlief, wie Uwe Dobler und Jörg Marx hervorheben, sehr kooperativ und professionell: „Wir pflegen schon seit vielen Jahren ein partnerschaftliches Verhältnis zum Kunden MFI“, betont Marx. „Wir stehen auch immer im Austausch bei der Ideen- und Lösungsfindung hinsichtlich der Endkundenanforderung.“ Wie er weiter unterstreicht, „hat man mit einem erfahrenen Systemintegrator wie MFI auch die Sicherheit, im Projektverlauf alle Herausforderungen schnell und unkompliziert anzugehen und umzusetzen“.

Auch Andreas Beckmann von Coppenrath & Wiese lobt die Zusammenarbeit mit MFI und Dambach Lagersysteme: „Es war im gesamten Projektablauf eine sehr gute Zusammenarbeit. Wir haben bei allen Herausforderungen und auch bei notwendigen Anpassungen effizient, partnerschaftlich und lösungsorientiert kooperiert.“ Zudem hebt er „die Einsatzbereitschaft der Monteure vor Ort“ hervor. „Bei unserem sehr engen Terminplan waren auch Samstage regelmäßig Arbeitstage“, so Beckmann.

So konnte die anspruchsvolle Anlage in der vergleichsweise sehr kurzen Zeit von nur 13 Monaten realisiert und im Juli 2021 in Betrieb genommen werden. Das Ergebnis der erfolgreichen Zusammenarbeit kann sich sehen lassen: Es handelt sich schließlich um das erste in Deutschland realisierte Multiflex-Lager im Tiefkühlbereich bei -25 Grad Celsius. Die Kunden der Conditorei Coppenrath & Wiese werden sich über die weiter optimierten Verfügbarkeiten und Lieferservices freuen. ■

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