Kommissioniertechnik Modellhafte Branchenlösung für den Pharmagroßhandel

Autor / Redakteur: Peter Diener / Dipl.-Betriebswirt (FH) Bernd Maienschein

Für den Pharmagroßhändler Salus hat SSI Schäfer in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana eines der modernsten Distributionszentren in Mitteleuropa realisiert. Highlight neben dem ganzheitlichen Anlagenkonzept für unterschiedliche Lager- und Kommissionierbereiche: die Einbindung optimal dimensionierter Automationssysteme.

Anbieter zum Thema

Im neuen Distributionszentrum von Salus entnehmen die Mitarbeiter, geführt von integrierten Pick-by-Light-Systemen, die entsprechenden Auftragsposten und kommissionieren sie direkt in die Versandbehälter.
Im neuen Distributionszentrum von Salus entnehmen die Mitarbeiter, geführt von integrierten Pick-by-Light-Systemen, die entsprechenden Auftragsposten und kommissionieren sie direkt in die Versandbehälter.
(Bild: SSI Schäfer)

Differenzierte Artikel- und Auftragsstrukturen erfordern vom Warehousing höchste Flexibilität und eine intelligente Verknüpfung der Kommissionierstrategien. Angesichts dieser Anforderungen hat SSI Schäfer für Salus, den führenden Großhändler für pharmazeutische und medizinische Produkte im slowenischen Markt, eines der modernsten Distributionszentren in Mitteleuropa realisiert. Wie Salus-Projektleiter Andrej Hočevar erklärt, war man in der alten Anlage an die Grenzen der Leistungsfähigkeit gestoßen. Zudem lag sie nicht verkehrsgünstig. Daher war die Entscheidung folgerichtig, ein neues Distributionszentrum zu bauen. Es bietet mehr Platz und – durch moderne Ausstattung und Prozessgestaltung – mehr Effizienz. Damit erhalten die Salus-Kunden einen besseren Service. Der Auftrag als Generalunternehmer für die Intralogistik ging nach einer internationalen Ausschreibung an SSI Schäfer, Giebelstadt. Die Referenzen und die ganzheitliche Konzeption der Anlage haben überzeugt. Entstanden ist eine Anlage, die mit ihren vielfältigen Besonderheiten für die Anforderungen im Pharmahandel durchaus als modellhafte Branchenlösung zu bezeichnen ist.

Rund 13.000 verschiedene Artikel aus acht Artikelgruppen mit elf Artikeltypen sind in dem neuen Distributionszentrum in Ljubljana konzentriert. Der durchschnittliche Warenbestand liegt bei etwa 6 Mio. Einzelstücken. 30 Lagerbereiche mit vier unterschiedlichen Temperaturbedingungen umfasst der Lagerkomplex. Für die optimale Lagerung und Auftragsfertigung wurden nahezu alle Lagerarten und die jeweils modernsten Bearbeitungs- beziehungsweise Kommissioniersysteme integriert. So werden im neuen Salus-Distributionszentrum die Aufträge zur Belieferung von Apotheken, Krankenhäusern und Bedarfsstellen nach einer von SSI Schäfer angelegten, ganzheitlichen Konzeption zusammengestellt. Sie berücksichtigt eine auftragsbezogene, mehrstufige Kommissionierung nach verschiedenen Kommissionierstrategien – teilweise über drei Handling-Stockwerke.

Zwei Regalbediengeräte schlagen je 35 Paletten pro Stunde um

Für die Lagerung von Paletten betrifft dies ein sechsgassiges, automatisches Hochregallager (HRL) mit zwei kurvengängigen Regalbediengeräten (RBG). Mehr als 5100 Stellplätze für die einfachtiefe Lagerung von Paletten mit einem Gewicht von je 1000 kg stehen dort zur Verfügung. Jedes der beiden RBG erzielt bei der Ein- und Auslagerung eine Umschlagleistung von 35 Paletten pro Stunde. Für das Cross-Docking von Ganzpaletten ist zudem ein separater Umschlagbereich eingerichtet. Die Lagerung und Kommissionierung von Einzelartikeln erfolgt über ein automatisches Kleinteilelager (AKL) und ein Schäfer Carousel System (SCS). Darüber hinaus verfügt das Distributionszentrum über zwei manuell bediente Lagerbereiche: einen speziellen Komplex zur Lagerung temperaturgeführter Artikel sowie Bereiche zur Kommissionierung von Großmengen. Daneben entstanden unter anderem drei Quarantänebereiche für Retouren, beschädigte Artikel und für Waren, die entsorgt werden müssen. Alle Lager- und Kommissionierbereiche sowie die entsprechenden Handlingprozesse bei Salus werden vom installierten Lagerverwaltungssystem (LVS) Wamas von SSI Schäfer gesteuert. Mit der Verknüpfung und umfassenden IT-Steuerung dieser unterschiedlichen Systeme und Bearbeitungsstrategien haben die Intralogistikspezialisten sowohl systemtechnisch als auch in der Prozesssteuerung durch die IT eines der anspruchsvollsten Projekte der vergangenen Jahre realisiert. Die so erzielte Prozessoptimierung führt für Salus trotz des sehr differenzierten Artikelspektrums und der Artikelvielfalt zu extrem schnellen Durchlaufzeiten, deutlich gesteigertem Durchsatz und hoher Prozesssicherheit. Durch die einzigartige Systemkombination, die weitgehende Automation der Prozesse und das Leistungsvermögen der Systeme kann Salus täglich bis zu 300 Aufträge mit insgesamt 10.000 bis 12.000 Auftragspositionen zusammenstellen und ausliefern. Das bedarf intelligenter Warenflüsse. Diese hatte SSI Schäfer in der Konzeptions- und Planungsphase bereits vor der Anlageninstallation in Simulationsprojekten auf ihre Belastbarkeit hin überprüft.

Die Abläufe: Der Wareneingang wird nach Prüfung und Vereinnahmung im IT-System im sechsgassigen HRL eingelagert. Es ist das zentrale Nachschublager zur Versorgung aller weiteren Lager- und Kommissionierbereiche des Distributionszentrums. So erfolgt dort, unterstützt von einem Scherenhubtisch und nach Vorgaben des LVS, an einem Kommissionierplatz manuell auch die Zusammenstellung von Auftragspositionen für Großmengenabnehmer, die die Medikamente kartonweise ordern. Parallel dazu werden aus dem HRL die Umpackplätze bedient, an denen die Artikel zur Einlagerung im AKL von der Palette in Behälter umgepackt werden.

Erfassung der Bestände in Echtzeit Basis für automatischen Nachschub

Als Ladehilfsmittel setzt Salus dabei auf den Behältertyp LTB von SSI Schäfer. Rund 36.000 Stück der blauen, 600 mm × 400 mm × 220 mm großen Behälter sind in der Gesamtanlage im Umlauf. Hinzu kommen etwa 10.000 grüne, konisch geformte Behälter, die von Salus als Versandbehälter genutzt werden. Der Nachschub zur Versorgung der einzelnen Lagerbereiche wird vom IT-System automatisch angestoßen. Basis dafür: die Echtzeiterfassung aller Bestände in den einzelnen Lagerbereichen im LVS Wamas.

Die in Behälter umgepackten Artikel werden von der Fördertechnik zur Einlagerung an das dreigassige AKL mit seinen 28.440 Behälterstellplätzen übergeben. Mit 72 Doppelspielen pro Stunde lagert dort jedes der drei RBG die Behälter ein. Die Behälter werden am Umschlagplatz mit jeweils bis zu 25 kg Gewicht befüllt. Zur Übergabe an die Kommissionierstationen lagern die RBG die Behälter wieder aus. Die Kommissionierarbeitsplätze sind direkt an das AKL angeschlossen und werden von einer Förderstrecke bedient. An diesen Pickplätzen präsentiert die Systemkonzeption die Behälter mit Schnelldrehern und C-Artikeln in optimaler Zugriffshöhe und Positionierung. Insgesamt stehen 2150 Durchlaufkanäle zur Verfügung. Geführt von integrierten Pick-by-Light-Systemen entnehmen die Mitarbeiter die entsprechenden Auftragsposten und kommissionieren sie direkt in die Versandbehälter. Die Vorgaben über den jeweiligen Pickbehälter und die Artikelmenge erfolgen über Leuchtanzeigen. Die Zuordnung der Artikelbehälter auf die Kommissionierplätze steuert Wamas bereits im Vorfeld. Intelligente Sequenzierung sorgt dafür, dass die Aufträge an den Kommissionierstationen möglichst komplettiert werden können. Mit den entsprechenden Algorithmen werden die Schnelldreher an statische Pickplätze ausgelagert. B-Artikel werden an bedarfsweise bedienten, dynamischen Pickplätzen bereitgestellt.

1,3 km lange Förderstrecke bewegt die Lager- und die Versandbehälter

Sollten gegebenenfalls Zuladungen aus anderen Kommissionierstationen und -bereichen erforderlich sein, können die Aufträge an einer Folgestation komplettiert werden. Dorthin gelangen die Behälter auf einer 1,3 km langen Förderstrecke. Sie wird über alle drei Stockwerke der Anlage sowohl für die Lager- als auch für die Versandbehälter genutzt. Dabei verbindet sie nicht nur die Kommissionierstationen im AKL, sondern auch alle weiteren Lager- und Kommissionierbereiche. Die umlaufende Behälterförderstrecke ist die Basis der ganzheitlichen Anlagenkonzeption mit den strukturierten Prozessen, die SSI Schäfer für Salus realisiert hat. Die Fördertechnik verbindet alle Systeme und Lagerbereiche des Distributionszentrums mit- und untereinander. Dies ermöglicht eine parallele Bearbeitung der Aufträge auch in den unterschiedlichen Lagerbereichen.

Für die Kommissionierung von C-Artikeln nutzt Salus die Kommissionierstrategie „Ware zum Mann“. Dazu werden die entsprechenden Behälter nach Vorgabe des LVS vom Umpackplatz im HRL oder aus dem AKL über die Behälterförderstrecke zur Einlagerung an ein SCS übergeben. Das SCS steht für hochdynamische Stückkommissionierung mit bis zu 1000 Picks pro Stunde und Mitarbeiter. Hohe Lagerverdichtung und der modulare Aufbau machen das SCS zu einer der gegenwärtig innovativsten und wirtschaftlichsten Lösungen für hocheffiziente Kommissionierprozesse.

Im manuellen Kommissionierbereichkommen Picking-Carts zum Einsatz

Im SCS bei Salus sind drei Module für die Lagerung von C-Artikeln in insgesamt rund 2700 Systembehältern installiert. Dort werden die Behälter zur Kommissionierung an eine moderne Pickstation automatisch ausgelagert. Nach den Kommissionierprozessen werden die Behälter wieder vom System übernommen. Die Kommissionierung erfolgt nach den Vorgaben von Wamas erneut direkt in die Auftragsbehälter. Die zu pickenden Auftragsposten werden den Kommissionierern mit einem Pick-by-Light-System angezeigt. Ein zusätzlich installiertes Display gibt ergänzende Angaben. Die Behälter mit den nach Auftragsvorgabe kommissionierten Artikeln werden anschließend von der umlaufenden Fördertechnik abgefördert.

Für Narkotika und Pharmaprodukte, die unter Kühlbedingungen gelagert werden müssen, erfolgt eine manuelle Kommissionierung mit sogenannten Picking-Carts. Drei solcher Carts mit Stellplätzen für jeweils dreimal zwei übereinander eingestellten Auftragsbehältern sind bei Salus im Einsatz. Sie ermöglichen in den manuellen Kommissionierbereichen ein flexibles Multi-Order-Picking. Angesteuert über das WLAN desGroßhändlers erhalten die Kommissionierer dazu ihre Pickaufträge über Pick-by-Light-Leisten und die Displays der mitgeführten Handhelds. Die Auftragsbehälter aus diesen beiden Sonderbereichen werden als letzte Auftragspositionen in den Versandbereich gebracht.

Dort erfolgt die Auftragskonsolidierung der manuell kommissionierten Sonderartikel mit den Auftragspositionen aus den verschiedenen Kommissionierzonen im AKL, am SCS und im HRL. Letzte Bearbeitungsstation für die Auftragsbehälter aus allen Kommissionierbereichen ist die Deckelung, nachdem sie gelabelt und ihnen automatisch die erforderlichen Versandpapiere beigelegt wurden. Während ihrer Aussteuerung auf acht Gefällerollen-Versandbahnen werden die gedeckelten Behälter abschließend von einer automatischen Umreifungsanlage verzurrt; dies sichert die Versandbehälter vor unbefugtem Zugriff.

Kundenfreundliche Auslieferung mit Nullfehlerquote

Die Anlagenkonzeption hat den Durchsatz bei Salus deutlich erhöht sowie die Leistungsfähigkeit bei der Verladung und im Warenausgang nachhaltig gesteigert. Grundlage dafür bildet einerseits die intelligente Verknüpfung von automatisiertem Palettenhandling über das HRL, zum anderen die Automatisierung der Kommissionierung mit Pick by Light im AKL. Weitere Basis bietet die Kommissionierung nach dem Ware-zum-Mann-Prinzip aus dem SCS. Mit der Systemlösung von SSI Schäfer für sein neues Distributionszentrum in Ljubljana ist Salus für weiteres Wachstum gut gerüstet. Zudem unterstützt sie eine schnelle und kundenfreundliche Auslieferung mit einer Nullfehlerquote. Damit hat SSI Schäfer nach Aussage von Salus-Projektleiter Hočevar die hohen Erwartungen mehr als erfüllt und sich als durchweg professioneller Projektpartner bewährt. MM

* Peter Diener ist Projektleiter bei der SSI Schäfer Noell GmbH in 97232 Giebelstadt, Tel. (0 93 34)9 79-3 81, peter.diener@ssi-schaefer-noell.com

(ID:39045990)